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# taz.de -- „Ich bin ein Moralist“
> Ein Gespräch mit dem Filmemacher, Drehbuchautor und „Buffy“-Erfinder Joss
> Whedon über seinen Sci-Fi-Western „Serenity“ und die Wechselwirkungen der
> Geek-Kultur mit dem Mainstream
INTERVIEW UH-YOUNG KIM
taz: Herr Whedon, im Internet finden sich etliche Interviews, in denen Sie
Ihren Fans jede Spezialfrage so leidenschaftlich beantworten, als seien Sie
einer von ihnen. Waren Sie in ihrer Jugend ein Geek oder ein Nerd?
Joss Whedon: Damit komme ich immer durcheinander. Einer von beiden ist ein
Fan von Genre-Fiction, der andere kennt sich auch mit Wissenschaft aus. Ich
war jedenfalls dieser Typ, der sich in Sci-Fi, Comicbüchern und jeder
Erzählung auskannte, in der er nicht er selbst sein musste. Ich war nicht
wirklich beliebt – und auch nicht fürchterlich unbeliebt. Aber ich mag es,
so über mich zu denken. Das wirkt cooler.
Geek-Kulturen sind geschlossene Systeme. Warum braucht der Mainstream den
Geek? Und umgekehrt: Wie nutzt der Geek den Mainstream für sich?
Es passieren zwei Dinge gleichzeitig: Einerseits löst sich das Konzept des
Geek auf. Einige von ihnen sind ziemlich reich geworden, so dass die Leute
stutzen: Moment mal – wenn der Typ, den wir früher verprügelt haben, uns
heute kaufen und verkaufen kann, ist das seltsam. Dann gibt es eine Art
Retro-Geek-Chic. Ich meine Bands wie Weezer oder selbst Elvis Costello. Im
Internet findest du Broker, die über die 16. Episode der 5. Staffel
chatten. Früher waren es Typen, die nur Fanartikel verkauften und sich
ausschließlich dieser einen Sache widmeten.
Begrüßen Sie, dass die Grenzen verschwimmen?
Erstmal ist es gut, denn es bezieht mehr Menschen ein. Andererseits wird es
immer das Bedürfnis geben, sich abzugrenzen. Wir sind Geeks, weil wir
Probleme mit der Gesellschaft haben, weil wir nicht beliebt und nicht schön
sind. In einer Welt, in der nicht viele etwas haben, das ihnen gehört,
brauchen wir etwas, worüber wir sagen können: Das gehört uns, hier stehen
wir. Und sei es dadurch, sich wie ein Jedi zu kleiden.
Ihre Fernsehserien werden gleichermaßen von Schulmädchen und
Intellektuellen, Alt und Jung verehrt. Das gab es bisher nur bei den
„Simpsons“.
Die „Simpsons“ waren ein Modell für „Buffy“. Sie können von jedem Gen…
jeder Referenz, jeder Idee zu einer anderen springen – und das innerhalb
eines Satzes. Tarantino macht das ähnlich, nur jungshafter. Es geht um die
Idee, dass dir die Liebe zur Popkultur und zu Genres erlaubt, überall
hinzugehen. Zum anderen schreibe ich für alle, weil ich über alle schreibe.
Die Perspektive jedes Einzelnen zählt.
In der Serie „Firefly“ und ihrer Kinoversion „Serenity“ legen Sie den
Western als Folie über das Science-Fiction-Genre. Wieso?
Weil es eine Geschichte über die frontier ist. Was passiert wirklich, wenn
das Konzept der Grenze ins Weltall verlagert wird? Ich bezweifle, dass es
so bequem und sauber wie in „Star Trek“ zugeht. Das Leben an der Grenze ist
extrem, hart und dreckig. Es ist der Alltag von Immigranten, die von der
Hand in den Mund leben müssen. Ich wollte mit diesen Leuten abhängen, nicht
mit dem Jedirat oder der Federation.
Wie verhalten sich dabei Gut und Böse zueinander?
Der Kampf zwischen Gut und Böse ist kompliziert, andauernd und notwendig.
Der Versuch, das Böse auszulöschen, kommt dem Versuch gleich, die
Menschheit auszuradieren. Vieles, das wir als das pure Böse bezeichnen, ist
einfach die Kehrseite menschlichen Verhaltens. In allen Geschichten, die
ich geschrieben habe, gibt es eine scharfe Trennlinie zwischen Gut und
Böse. Auf welcher Seite jemand steht, kann sich allerdings jede Sekunde
ändern.
Diese Trennlinie unterscheidet ihre Geschichten zum Beispiel von denen
Tarantinos. Sehen Sie sich als einer der letzten modernen Verteidiger des
Humanismus?
Ich bin ein sehr altmodischer Moralist. Nicht in dem Sinne, dass ich
diktiere, wie du dich zu verhalten hast. Aber ich muss mir den Zustand der
Menschheit anschauen, ich muss ihn verstehen, darüber schreiben und etwas
aus einer Geschichte mitnehmen, das mir eine neue Sicht eröffnet. Es muss
nicht schön sein, nicht mal besonders wichtig. Aber ich brauche einen
Grund, um eine Geschichte zu erzählen. Es gibt ja so einen hippen
Nihilismus in der Popkultur. Ich denke, ich bin nicht der einzige, der
dagegenwirkt.
Wie lautet denn die Botschaft von „Serenity“?
Die größten Loser der Galaxie sind die Einzigen, die die Menschheit vor
sich selbst retten können.
Arbeiten Sie eigentlich lieber fürs Fernsehen oder fürs Kino?
Ich liebe beides. Im Fernsehen kannst du einen Gegenstand ewig untersuchen,
jeden Aspekt noch mal umdrehen. Das ist faszinierend. Beim Kino ist die
Verantwortung größer, dem einen großen Ding zu dienen, es zu verfeinern,
alles zur Geltung zu bringen und das Wesentliche in den Rhythmus der
Gefühle der Figuren einzuschreiben. Handwerklich ist das die größte
Herausforderung. Fernsehen ist dagegen wie Stadttheater: Du haust ein Stück
raus und ein weiteres und noch eins – das kann sehr aufregend und
experimentell sein. Beim Film gibt es dagegen diese delikate Präzision, was
sehr frustrierend sein kann. Wenn es aber klappt, ist es so wunderschön,
wie es dir nie im Fernsehen gelingen könnte. Vorerst kehre ich nicht zum
Fernsehen zurück.
Als Nächstes steht Ihre Verfilmung von „Wonder Woman“ an. Nach Horror,
Fantasy, Science-Fiction, Western und Superhelden – welches Genre wartet
noch darauf, von Ihrem Stil durchdrungen zu werden?
Wenn ich die Wahl hätte, würde ich etwas mit Tanz machen.
Einen Bollywoodfilm?
Ich liebe Bollywood. Ich würde sehr gerne eine Story nur übers Tanzen
erzählen und die Musik dazu schreiben. Das ist mein Traum.
„Serenity“, Regie: Joss Whedon. Mit Nathan Fillion, Gina Torres u. a., USA
2005, 119 Min.
26 Nov 2005
## AUTOREN
UH-YOUNG KIM
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