# taz.de -- Akkreditierungsliste öffentlich zugänglich: Datenpanne bei Dresdn… | |
> Daten von über 100 Journalisten waren auf der Homepage der sächsischen | |
> Justiz einsehbar. Die betroffenen Reporter waren beim Prozess zum Mord an | |
> Marwa El Sherbini. | |
Bild: Der Fall der Ägypterin Marwa hatte für viel Aufsehen gesorgt. | |
BERLIN taz | Es ist eine peinliche Datenpanne für das Landgericht Dresden: | |
Drei Tage lang konnte eine Liste mit den persönlichen Angaben von mehr als | |
100 deutschen und ausländischen Journalisten über das Internet | |
heruntergeladen werden - inklusive Geburtsdatum, Geburtsort, Adresse, | |
Ausweis- und Presseausweisnummer der betroffenen Journalisten. | |
Nach taz-Informationen handelt es sich dabei um die Akkreditierungsliste zu | |
einem der spektakulärsten Strafprozesse der vergangenen Jahre: den Prozess | |
gegen den Mörder der Ägypterin Marwa El Sherbini im Herbst 2009. Dies | |
bestätigte Gerichtssprecher Ralf Högner am Dienstag auf Nachfrage. Er | |
sprach von einer "Verkettung mehrerer Fehler", wodurch versehentlich die | |
Angaben des damaligen Online-Akkreditierungsverfahrens öffentlich | |
zugänglich gemacht worden seien, und er entschuldigte sich für die Panne. | |
Wie oft die Liste heruntergeladen wurde, konnte Högner nicht sagen. Ein | |
Sprecher des sächsischen Justizministeriums sagte der taz, es liefen | |
Untersuchungen, wie es zu der Panne kommen konnte. | |
Die Daten der Journalisten standen von Donnerstag bis Samstag vergangener | |
Woche auf der offiziellen Internetseite "Justiz in Sachsen" - bis ein | |
Mitarbeiter des Berliner Radiosenders multicult.fm das Dresdner Landgericht | |
darauf aufmerksam machte. Betroffen sind nach taz-Informationen unter | |
anderem Journalisten von Spiegel, SZ, Stern, Tagesspiegel und taz, aber | |
auch zahlreiche Vertreter arabischer Medien wie al-Dschasira. | |
In sächsischen Regierungskreisen ist man entsetzt über die Laxheit des | |
Dresdner Gerichts - ausgerechnet in einem so sensiblen Fall wie dem Mord an | |
Marwa El Sherbini. | |
## Prozess fand unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt | |
Die schwangere Ägypterin war am 1. Juli 2009 von dem Russlanddeutschen | |
Alexander W. während einer Verhandlung im Dresdner Landgericht erstochen | |
worden, als sie eine Aussage gegen W. machte. Auf ihren zur Hilfe eilenden | |
Mann stach W. ebenfalls ein und verletzte ihn lebensgefährlich. Zuvor hatte | |
W. im Gericht erzählt, dass er Menschen nach Rassen ordne, er die NPD wähle | |
und nicht wolle, dass sich Deutsche mit nichteuropäischen Ausländern und | |
Muslimen vermischen. | |
Für den Mord aus purem Islamhass verurteilten die Dresdner Richter W. im | |
November 2009 zu einer lebenslangen Haftstrafe. Das Gericht stellt zudem | |
eine besondere Schwere der Schuld fest, weshalb W. nicht schon nach 15 | |
Jahren mit einer Entlassung rechnen kann. | |
Der Prozess gegen Alexander W. fand im Herbst 2009 unter massiven | |
Sicherheitsvorkehrungen am Dresdner Landgericht statt. Weil die Behörden | |
Attacken gegen den Angeklagten fürchteten, sicherten bei jedem Prozesstag | |
rund 200 Beamte das Gerichtsgebäude großräumig ab, Schleusen wurden | |
installiert, im Verhandlungssaal wurde eine 2,5 Meter hohe | |
Sicherheitsscheibe eingebaut. | |
Der Mord an Marwa El Sherbini war der erste in Deutschland, der | |
islamfeindliche Motive hatte. Schon deshalb stieß der Prozess gegen | |
Alexander W. auch international auf große Aufmerksamkeit. So schickte der | |
arabische Fernsehsender al-Dschasira Kamerateams, etliche Journalisten aus | |
Ägypten, Russland und den Niederlande kamen regelmäßig zu den | |
Verhandlungstagen nach Dresden. Selbst der ägyptische Botschafter verfolgte | |
den Prozess im Zuschauersaal. | |
14 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
W. Schmidt | |
P. Wrusch | |
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