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# taz.de -- Der heilige Vater kommt nach Deutschland: Papst, Bratwurst, Papst, …
> Es ist lange bekannt, doch jetzt wird es ernst: Der Papst kommt nach
> Deutschland und will uns alle belallen. Zu Hülf! Wie werden wir den
> wieder los?
Bild: Grade noch in Tagreb, morgen schon... In Berlin wird Papst Benedikt XVI. …
Die Kollegin links von mir plant schon an ihrer Bratwurstbude.
"Mordsgeschäft", sagt sie. 3 Euro das Stück, das zahlt ein Katholik
bestimmt, mit Senf, wenn der große Vater da ist und der kleine Hunger
kommt. Ja, es ist wahr: Im September kommt der deutsche ältere Herr Joseph
Alois Ratzinger, der von einigen vielen seit Jahren schon als 265. Papst
verehrt wird, erstmals höchstoffiziell nach Deutschland zurück. Doch,
Kollegin, darf man gläubige Christen dreist ausnutzen und frech abzocken?
Muss man sie erdulden? Oder muss man sie vor allem fernhalten?
Die Antwort ist nicht leicht und gleicht einem heiligen Dreiklang, der
schon zu alttestamentarischen Zeiten von Belang war: Erst ertragen, dann
beschimpfen. Und zum Schluss: verjagen.
Ertragen, sicherlich, das müssen wir die pointenreiche Suche nach der
heiligstmöglichen Bühne für Herrn Ratzinger in der deutschen
Bundeshauptstadt. Denn nachdem ursprünglich das Brandenburger Tor für seine
Visite im Gespräch war - aber da durfte ja schon Obama nichts sagen - und
die Messe dann vor dem Schloss Charlottenburg stattfinden sollte, ist auch
dieses einstmals hoheitliche Areal nun inadäquat geworden.
Der Grund ist einfach: Gerade mal 40.000 Leute hätten Ratzinger dort
huldigen können. Nachdem selbst Herbert Grönemeyer ("Bochum, ich komm aus
dir!") zuletzt 55.000 Menschen ins Berliner Olympiastadion lockte und auch
ein Idiot wie Mario Barth ("Primitiv, aber glücklich") mehr Anhänger
findet, mussten die deutschen Katholiken nun nachlegen: Die Glaubensfeier
wird deshalb nun in der Heimarena des zuletzt überzeugenden
Fußballwiederaufsteigers Hertha BSC Berlin ausgetragen - weil im
Olympiastadion bis zu 75.000 Menschen den warmen Worten des aus Marktl am
Inn stammenden Mannes folgen können.
## Im Olympiastadion gibt es ein Bratwurstmonopol
Das kann die unchristliche Hauptstadtbevölkerung erfreuen, weil es die
öffentliche Belästigung durch umherschweifende Beweihräucherte schmälert.
Meine Kollegin muss sich freilich ärgern: Im Olympiastadion gibt es ein
Bratwurstmonopol.
Doch langsam: Darf die allzu ökonomisch motivierte Erregung meiner Kollegin
die moralische Würdigung des Events überlagern? Der kühle Kopf sagt: sicher
nicht.
Und so ist heute tragend zu verweisen auf die Abwehrkämpfe der aufgeklärten
Gesellschaft, die gegen die Retroinszenierung der katholischen Welt nun
jüngst wieder begonnen haben. Am eindrücklichsten versachlichte die
evangelische Presseagentur epd die Wahl des Olympiastadions als Gebetsort
in einer Meldung am Mittwoch.
Dort wurde angemessen trocken in einem "Infokasten" die angedachte Rolle
des Olympiastadions in der von den Nazis geplanten "Welthauptstadt
Germania" eingeordnet: "Das Berliner Olympiastadion wurde im Auftrag Adolf
Hitlers innerhalb von zwei Jahren für die Olympischen Sommerspiele 1936
erbaut" - eine nüchtern-protestantische Anspielung auf die nicht immer ganz
blütenweißen Erzählungen über den 1927 geborenen Herrn Ratzinger und seine
politische Jugend als Flakhelfer in Bayern. Das sitzt in seiner betonten
Trockenheit schon nicht schlecht.
Auf etwas bildbetonteren Widerspruch bereiten sich hingegen die rund 30 vor
allem schwul-lesbischen Gruppen vor, die im Mobilisierungsbündnis "Der
Papst kommt!" (Fanpage: [1][www.derpapstkommt.de]) gegen die
"menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes"
anstänkern.
Sie haben sich für den 22. September, während Ratzinger im Deutschen
Bundestag vor Abgeordneten etwas sagen soll, erfolgreich das Brandenburger
Tor als Protestschauplatz reserviert und wollen in der Stadt, in der der
Kirchenhüter (Fanpage: [2][www.papst-in-deutschland.de]) von einem schwulen
Bürgermeister begrüßt werden wird, stolze 40.000 Demonstranten auf die
Straße bringen - um dort das Mittelalter aus dem Vatikan mit Dildos und
Kondomen zu empfangen.
Deutschsein, Schwulsein, Papstsein - all die an sich doch schon
beantworteten Fragen einer vergessenen Aufklärung, bald haben wir sie
wieder. Und wer schleppt sie an? Der Papst. Bei dem wollte meine Kollegin
Bratwurst verkaufen? Ich habe, verdammte Sexualmoral, noch nicht mal einen
Dildo. Aber der Kollege rechts von mir will jetzt Eier und Tomaten warm
legen, für September. Und du, Kollegin: Bring wenigstens Senf mit!
15 Jun 2011
## LINKS
[1] http://www.derpapstkommt.de
[2] http://www.papst-in-deutschland.de
## AUTOREN
Martin Kaul
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