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# taz.de -- Politische Justiz in Frankreich: Lebenslange Haft für Yvan Colonna
> Im dritten Verfahren erhält der Korse Yvan Colonna wegen Mordes an einem
> Polizeipräfekten erneut lebenslänglich. Dabei wurden die Aussagen, auf
> denen das Urteil beruht, widerrufen.
Bild: Gilt auf Korsika vielen als Märtyrer: Yvan Colonna (Foto auf dem Transpa…
PARIS taz | Der Korse Yvan Colonna (51) ist am Montagabend von einem
Pariser Sondergericht für terroristische Verbrechen des Mordes am
Polizeipräfekten Claude Erignac für schuldig erklärt und zu
lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Die aus neun Berufsrichtern
zusammengesetzte Berufungsinstanz ist nach mehrwöchiger Verhandlung zur
Überzeugung gelangt, dass Colonna am 6. Februar 1998 in Ajaccio die
tödlichen Schüsse auf den Präfekten abgegeben hat.
Dafür gibt es keine materiellen Beweise, sondern nur Anschuldigungen durch
die geständigen und bereits früher rechtskräftig für das Mordkomplott
verurteilten korsischen Komplizen. Dass diese später ihre Aussagen
widerrufen und als im Verhör erzwungen dargestellt haben, erachtete der
Gerichtspräsident aufgrund ihres "nachträglichen und lakonischen
Charakters" für belanglos. In der Urteilsbegründung erklärte er schlicht,
dass Colonna an der Vorbereitung des Attentats beteiligt gewesen sei und
"entgegen seinen Aussagen eindeutig dem Mordkommando angehört" habe.
Drei Augenzeugen hatten freilich vor Gericht erklärt, sie könnten im
dunkelhaarigen Colonna nicht den Schützen erkennen. Das wog in der
Wahrheitsfindung allerdings gar nichts, denn die Richter vermuten, dass der
Attentäter sich für seine Tat einfach mit einer blonden Perücke verkleidet
habe. Auch die Skepsis eines Ballistikexperten, der zum Schluss gekommen
war, dass der Schütze um einiges größer sein müsse als der kleine Korse,
half diesem nichts, da andere Experten zu anderen Ergebnissen kamen.
Sehr belastend war es aber für Colonna, dass er sich mit einer jahrelangen
Flucht dem Zugriff der Justiz entzogen und sich so erst recht verdächtig
gemacht hatte. Während ihn die französische Polizei in ganz Europa und
sogar in Übersee suchte, versteckte er sich als Schafhirte in einem
entlegenen Hof auf seiner Heimatinsel.
Als Innenminister hatte der heutige Präsident Nicolas Sarkozy aus der
Festnahme und Aburteilung des "Präfektenmörders" eine persönliche
Prestigeangelegenheit gemacht und der Witwe des Opfer geschworen, der Mord
am Statthalter der Pariser Zentralmacht in Korsika werde gesühnt. Dieses
Versprechen hat er gehalten, Colonna wurde jetzt zum dritten Male in allen
Punkten für schuldig erklärt. In seinem Schlusswort am Montag beteuerte er
erneut seine Unschuld, er habe "noch nie jemanden getötet".
Längst ist Colonna für die korsischen Nationalisten zu einem Symbol und
Märtyrer geworden. In ihrem Eifer, im Namen der Republik den korsischen
Hirten als Erignac-Mörder zu überführen, hatte die französische Justiz
schon im ersten Berufungsprozess so gravierende Fehler begangen, dass das
oberste Kassationsgericht eine Revision und einen dritten Prozess anordnen
musste.
Kurz vor dessen Abschluss hatte die Staatsanwaltschaft für einen Eklat
gesorgt mit einem für Colonna kompromittierenden Brief, in dem dieser einem
seiner ehemaligen Freunde und angeblichen Komplizen mit dem Tod gedroht
haben soll, falls er gegen ihn aussage. Wie er in den Besitz dieses
Schreibens gelangt war, dessen Echtheit nicht verifizierbar war, konnte
oder wollte der Anklagevertreter nicht sagen.
Das Unbehagen an einer Justiz, für die der Zweifel nicht dem Angeklagten,
sondern der Staatsräson zur Revanche dient, kommt in Frankreich selbst in
Kommentaren sonst staatstreuer Blätter wie Le Figaro zum Ausdruck: "Ein
Prozess, der in den ewig wiederholten Prozedurfragen stecken blieb wie ein
Kahn, der im Morast eines schlammigen Dossiers versumpft ist." Die
Verteidigung will sich darum auch nach dem dritten Schuldspruch nicht
definitiv geschlagen geben. Sie meint, genügend Motive und Gründe zu haben,
um das Urteil wieder kassieren zu lassen und eventuell Klage vor dem
Europäischen Menschenrechtsgerichtshof einzureichen.
21 Jun 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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