# taz.de -- Abzug aus Afghanistan: Deutschland will keine neue Debatte | |
> Offiziell fürchtet die Bundesregierung keine Abzugsdebatte. Doch die | |
> Opposition macht Druck: Die Abzugspläne sollen konkretisiert werden. | |
Bild: Um ihn soll's erstmal nicht gehen: Bundeswehrsoldat in Afghanistan. | |
BERLIN taz | Unter Druck setzen lassen will man sich in Berlin nicht. Dass | |
in den USA Präsident Barack Obama den Beginn des Abzugs der US-Soldaten aus | |
Afghanistan verkündet, irritiert offiziell in der Bundesregierung | |
niemanden. "Was jetzt passiert, war doch absehbar", heißt es in | |
Koalitionskreisen beschwichtigend. Die Debatte um einen schnelleren Abzug | |
auch der deutschen Soldaten werde nicht kommen, da ist man optimistisch, | |
die Opposition ist skeptischer. | |
Mit rund 5.000 Soldaten ist die Bundeswehr momentan in Afghanistan | |
vertreten, die Zahl ist auch die im Mandat festgelegte Obergrenze. Bis Ende | |
dieses Jahres soll der Abzug beginnen, sofern es die Sicherheitslage | |
zulasse - auf diesen Formelkompromiss hatte sich die Bundesregierung bei | |
der vergangenen Mandatsverlängerung im Januar nach langer Diskussion | |
geeinigt. Bereits in wenigen Wochen soll die Übergabe der Verantwortung an | |
die Afghanen beginnen. | |
Es war vor allem die Opposition, die am Donnerstag trotz gegenteiliger | |
Erwartungen aus dem Regierungslager den Druck erhöht, die Abzugspläne zu | |
konkretisieren. In Deutschland müsse die Zeit "vager Floskeln und | |
schwammiger Ankündigungen" vorbei sein, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen | |
Trittin. Er forderte spätestens bis zum Herbst einen konkreten Abzugsplan | |
für die Bundeswehr in Afghanistan und den Beginn der Truppenreduzierung bis | |
zum Jahresende. | |
Ähnlich äußerte sich die SPD. Fraktionsvize Gernot Erler forderte von | |
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und Außenminister Guido | |
Westerwelle (FDP), dass auch sie darlegen müssten, wie die Übergabe der | |
Verantwortung an die Afghanen aussehen solle. Nur wenn der international | |
vereinbarte Übergabeprozess bis 2014 eingehalten werde, bestehe eine Chance | |
auf Erfolg, erklärte er. | |
## Seit Monaten wird gegrübelt | |
Besonders die Linke ist mit der Haltung der Bundesregierung nicht | |
zufrieden. "Zu unverbindlich, abwartend, voller Befürchtungen und | |
Bedenken", bewertet der Bundestagsabgeordnete Paul Schäfer gegenüber der | |
taz die Reaktionen führender Regierungspolitiker nach Obamas Rede. "Wir | |
müssen zügig raus aus Afghanistan", so Schäfer. | |
Tatsächlich waren die Aussagen von Außenminister Guido Westerwelle am | |
Donnerstagmorgen vorsichtig. Durch Obamas Rede und dessen klares Bekenntnis | |
zur internationalen Afghanistanstrategie werde die Abzugsperspektive | |
konkret, lobte der FDP-Politiker. Präziser wurde Westerwelle nicht. | |
Tatsächlich macht sich die Bundesregierung über die Form des Abzugs seit | |
Monaten Gedanken. Als ausgemacht gilt, dass er in diesem Dezember beginnt - | |
trotz Klausel im Mandat. Denn diese ist noch von CSU-Verteidigungsminister | |
Karl-Theodor zu Guttenberg in das Papier hineinverhandelt worden. "Die | |
Frage ist das Wo und Wie", heißt es in Koalitionskreisen. Es werde in | |
keinem Fall an jedem der Bundeswehrlager im Norden des Landes gleichmäßig | |
reduziert, sondern gemäß der Lage vor Ort. | |
Ein entscheidender Grund, warum die Bundesregierung an den Abzugsplänen | |
festhält, ist auch die Verhandlungsposition mit der afghanischen Regierung. | |
Es gelte auch Druck auszuüben, damit die Afghanen nach vollendetem Abzug | |
der Kampftruppen 2014 die Voraussetzungen geschaffen haben, das Land | |
eigenverantwortlich zu regieren. | |
Und eins sei nach der Rede Obamas ebenso klar. Es sei unvorstellbar, dass | |
die Amerikaner abziehen und die Deutschen in vollem Umfang im Land bleiben. | |
23 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar US-Abzug aus Afghanistan: Abschied vom Aufbau | |
Die USA wollen gar nicht ganz gehen. Der strategisch wichtige | |
Kriegsschauplatz für die USA liegt schon heute nicht mehr in Afghanistan - | |
sondern in Pakistan. |