# taz.de -- US-Geheimdienst-Chef Keith Alexander: Amerikas Internet-Krieger | |
> Der Boss des US-Geheimdienstes NSA soll bald das "Cyber Command" leiten. | |
> Der Generalleutnant Keith Alexander vertritt eine offensive Netzpolitik: | |
> US-Militärs sollen auch mal zurückschlagen. | |
Bild: Sie wissen nicht wer Keith Alexander ist? Natürlich nicht, er ist ja auc… | |
Wenn in internationalen Scharmützeln bislang vom "Cyberkrieg" die Rede war, | |
hatte das praktisch gesehen verhältnismäßig harmlose Auswirkungen: Da | |
greifen dann Hacker eines Landes Server eines anderen an ([1][iranische | |
Aktivisten leiten Twitter um]), werden Websites von | |
Regierungsorganisationen blockiert ([2][russische Hacker zeigen Estland im | |
Netz, was eine Harke ist]) oder Geschäftsgeheimnisse entwendet ([3][China | |
gegen Google und andere große US-Firmen]). Echte "harte" Gefahren, etwa | |
Attacken auf das Finanzsystem eines Staates, aufs Stromnetz oder andere | |
wichtige Infrastrukturen, bestehen bis dato nur auf dem Papier. | |
Beim US-Militär ist man fest davon überzeugt, dass es bald soweit sein | |
könnte. Deshalb hat die Regierung im vergangenen Sommer die Einrichtung | |
eines so genannten "Cyber Command" beschlossen, wo Uniformträger, | |
Schlapphüte und IT-Experten zusammenkommen sollen, um Netzangriffe zu | |
erkennen und abzuwehren. Wenn es nach Keith Alexander, derzeit noch | |
Direktor des US-Supergeheimdienstes NSA und designierter Leiter des Cyber | |
Command, geht, bekommt das "USCYBERCOM" getaufte Unterfangen noch eine | |
zusätzliche, scharfe Komponente. Die Truppe solle in die Lage versetzt | |
werden, nicht nur zu verteidigen, sondern auch angemessen zurückzuschlagen, | |
betont Alexander - was immer das im Bereich des leidlich ambivalenten | |
Begriffes "Cyberkrieg" auch praktisch heißen mag. | |
Die militaristische Rhetorik verschaffte dem Generalleutnant, der im | |
Studium eine Wirtschaftsausbildung mit einem Diplom in Physik und | |
elektronischer Kriegsführung verbunden hatte, zunächst nicht nur Freunde. | |
Seine Berufung als Cyber Command-Chef zog sich über sechs zusätzliche | |
Monate hin und soll erst in den nächsten Monaten abgeschlossen sein. In | |
diese Woche musste er dem US-Senat erklären, wie sehr sich die NSA in die | |
Cyberkriegsführung einklinken will und welche Auswirkungen das alles auf | |
Netzwerke außerhalb der Regierungsinfrastruktur haben wird. Ganz | |
ausschließen, dass man auch nichtmilitärische Netze angreifen würde, wollte | |
er nicht. Zwar sei es kaum vorstellbar, dass etwa eine Bank oder | |
Finanzinstitution von Cyber Command-Kriegern attackiert wird. "Doch | |
vielleicht existiert die ja nur dafür, die Militäroperationen des Feindes | |
zu unterstützen." Als Reaktion auf einen Cyberangriff könnte so | |
möglicherweise sogar militärisch agiert werden, auch einen Präventivschlag | |
gegen "Schurkenstaaten" lehnt Alexander nicht gänzlich ab. | |
Das IT-Fachmagazin "The Inquirer" schrieb leicht zynisch, unter den | |
Einsatzregeln Alexanders hätten die USA wohl kürzlich Großbritannien von | |
der Landkarte tilgen können, weil von dort aus vor einigen Jahren ein | |
Hacker probiert hatte, auf der Suche nach Beweisen für die Existenz von | |
UFOs Rechner des Pentagons zu penetrieren. (Der Verdächtige wehrt sich | |
derzeit mit aller Kraft gegen eine Auslieferung an die USA, aber das nur am | |
Rande.) | |
Das kleine Problem, dass man bei Internet-Angriffen fast nie weiß, wo sie | |
wirklich herkommen - Regierungen nehmen selten die Verantwortung auf sich | |
-, ficht Alexander nicht an. "Wir müssen computerbasierte Angriffe schnell | |
und stark beantworten und die Gefahr abwehren oder ausschalten, auch wenn | |
die Identität des Angreifers nicht bekannt ist." Man dürfe sich nicht vor | |
Ländern wie Nordkorea oder Iran fürchten, nur weil die Cyberattacken | |
durchführen könnten. "Wir müssen auch auf das Schlimmste vorbereitet sein." | |
Wie so eine Cyberselbstverteidigung aussehen könnte und was Alexander als | |
Präventivschlag ansehen würde, ist bislang öffentlich nicht bekannt - | |
Informationen dazu wurden nur im geheimen Teil der Senatsbefragung erteilt. | |
Es kostet nicht viel Fantasie, sich die Probleme dabei vorzustellen. Wenn | |
Twitter von der "Iranian Cyber Army" die Domain entführt wird, schnappt | |
sich dann das Cyber Command die Adresse des Blogs von Mahmud | |
Ahmadinedschad? Wenn chinesische Hacker (von denen die Pekinger Regierung | |
ablehnt, sie auch nur zu kennen) bei Google und zig anderen Hightech-Firmen | |
einbrechen, muss es das Cyber Command dann auch bei asiatischen | |
Marktriesen? Ist das Aufsetzen von Botnetzen, die Einzelpersonen und Firmen | |
ausspionieren, schon Cyberkrieg? Die Menschheit könnte sich noch wundern, | |
was da an kriegerischem im Netz auf sie zukommt. Alexander, mit 58 Jahren | |
kein Jungspund mehr, gibt sich derweil am Puls der Zeit: Gerade hat der | |
potenzielle Cyber Command-Boss sich ein iPad von Apple gekauft - mit dem | |
Kommentar "ich liebe Computer". | |
16 Apr 2010 | |
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## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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