| # taz.de -- US-Abzug aus Afghanistan: Nette Worte von Präsident Karsai | |
| > Der Präsident nennt den Teilabzug eine gute Maßnahme. De facto herrscht | |
| > derzeit ein militärisches Patt. Keine der beiden Seiten kann den Sieg | |
| > davontragen. | |
| Bild: Abgang: US-Soldaten in Afghanistan. | |
| KABUL taz | Afghanistan war am Donnerstag mehr mit seiner Innenpolitik | |
| beschäftigt als mit der Rede von US-Präsident Barack Obama. Neun Monate | |
| nach den gefälschten Parlamentswahlen von 2010 disqualifizierte ein | |
| umstrittenes, von Präsident Hamid Karsai eingesetztes und vom Parlament als | |
| "illegal" erklärtes Sondertribunal 62 der 249 Abgeordneten. | |
| Gleichzeitig nahmen sie an einer Sitzung des Unterhauses teil, während der | |
| sie dem Generalstaatsanwalt das Misstrauen aussprachen. Dieser war nicht | |
| ihrer Aufforderung nachgekommen war, das Sondertribunal aufzulösen. Zudem | |
| besuchte der britische Außenminister William Hague zusammen mit seinem | |
| Amtskollegen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten das Land und äußerten | |
| sich zu den ebenso umstrittenen Gesprächskontakten mit den Taliban. | |
| Immerhin begrüßte Karsai - der jüngst die USA noch heftig kritisiert hatte | |
| - Obamas Ankündigung einer Truppenreduzierung als "gute Maßnahme". Etwas | |
| optimistisch fügte er hinzu, nun werde "die Jugend aufstehen und ihr Land | |
| verteidigen". Nur haben sich viele Jugendliche schon den Taliban | |
| angeschlossen. Ein Taliban-Sprecher wies darauf hin, dass die Bewegung | |
| einen vollständigen Abzug erwarte und den Kampf bis dahin fortsetzen werde. | |
| Er sprach aber auch davon, dass das sinnlose Blutvergießen "beendet" werden | |
| müsse. Das kann man als positives Signal lesen. | |
| ## Angst und Gerüchte | |
| Nach Ende des Teilabzugs Ende 2012 werden die USA wieder etwa so viel | |
| Soldaten in Afghanistan haben wie Anfang 2009, als Obama die Truppenzahl | |
| annähernd verdoppelt hatte. Auch wenn die Botschaften aus Washington, | |
| Brüssel und von Bundesverteidigungsminister de Maizière anders lauten: Das | |
| Hauptziel der Truppenverstärkung, die Taliban entscheidend zu schwächen, | |
| wurde nicht erreicht. Zwar wurden Hunderte mittlerer Kader getötet, aber | |
| die elastische Struktur der Taliban fing die Schläge auf. | |
| Die militärische Balance in Afghanistan hat sich nicht grundlegend | |
| gewandelt. Mit ihrer Frühjahrsoffensive aus asymmetrischen und | |
| terroristischen Schlägen verbreiten die Taliban weiter Angst. Seit Mitte | |
| April ermordeten sie vier Polizei-Provinzkommandeure und einen | |
| Provinzgouverneur, zwei weitere Gouverneure entkamen knapp dem Tod. Das | |
| sind nur die Prominenten. Seither verlassen viele Politiker kaum noch ihre | |
| schwer bewachten Residenzen. | |
| Aber auch die Taliban wissen, dass sie keinen militärischen Sieg | |
| davontragen können. Möglicherweise ist die Tatsache, dass sie sich zu | |
| Vorgesprächen mit Abgesandten des Westens bereit erklärt haben, ein | |
| Ausdruck davon. Sollten beide Seiten den Teilabzug zum Anlass nehmen, ihre | |
| Kontakte zu verstärken, könnte am Ende ein Element einer Friedenslösung | |
| entstehen. | |
| Die Angst verbindet sich mit den Gerüchten über Taliban-Kontakte, so dass | |
| viele Afghanen fürchten, der Truppenabzug könnte der Anfang von einem Ende | |
| sein, nach dem ihr Land wieder einmal sich selbst überlassen bleibt. | |
| 24 Jun 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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