Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Kraftlose Netzkrieger
> Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum in Bonn hat schon seit seiner Eröffnung
> mit erheblichen Startschwierigkeiten zu kämpfen.
Bild: Die gefährlichen Cyberterroristen werden jedem Einzelnen von uns zu- nä…
Wenige Tage ist es her, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich das
Nationale Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ) in Bonn offiziell eröffnet hat, und
schon herrscht Chaos in der Dienststelle. Menschenmengen schieben sich
durch die engen Flure, verheddern sich mit ihren Aktenkoffern,
Laptoptaschen und USB-Sticks so hoffnungslos ineinander, dass oft nur noch
die Feuerwehr helfen kann, indem sie die Hilflosen freischneidet.
Dabei arbeiten im Cyber-Abwehrzentrum eigentlich nur zehn Mitarbeiter.
Allerdings sind so viele verschiedene Behörden an dem Projekt beteiligt,
die jeweils ihre Mitarbeiter zum Informationsaustausch nach Bonn schicken,
dass "die Gesamtsituation unübersichtlich bis unbeherrschbar geworden ist",
wie die IT-Beauftragte der Bundesregierung, Cornelia Rogall-Grothe, zugeben
muss.
Der Großteil der Gespräche auf den Fluren dreht sich um die Zugehörigkeit
der einzelnen Mitarbeiter zu ihren jeweiligen Behörden. "Sind Sie der Mann
vom BKA?" - "Ne, vom BSI. Ich suche jemanden vom BfV oder BKK." - "Da kann
ich nicht helfen. Ich bin vom BND, habe allerdings lange für das ZKA
gearbeitet." Meist wird es über diese langwierigen Gespräche Abend, und die
Abgesandten der Behörden machen sich unverrichteter Dinge wieder auf die
Heimreise.
Hinzu kommt, dass das Abwehrzentrum tagelang nach der Eröffnung offline
war. "Cheffe hat gesacht, die Terroristen greifen jetzte online an. Da hab
ich mir gedacht, zieh ich halt die Stecker, dann sind wa erstma sicher!",
erklärt der Hausmeister des Cyberabwehrzentrums, Thorsten Freitag, seinen
persönlichen Beitrag zur Bekämpfung der Cyber-Kriminalität.
Inmitten dieses Chaos versuchen die zehn festen Mitarbeiter des NCAZ ihren
Job zu machen. Problematisch dabei ist nur, dass keiner genau weiß, wie
diese Arbeit konkret aussehen soll. Innenminister Friedrich hat zwar bei
der Eröffnungsfeier apokalyptisch davor gewarnt, dass die Cyberterroristen
jedem einzelnen von uns Strom, Wasser und Verstand abstellen werden. Nur
als es darum ging, was dagegen zu tun sei, musste Friedrich spontan die
sanitären Einrichtungen besichtigen.
Also macht in Bonn zurzeit jeder Mitarbeiter das, was er für richtig hält.
Einer von ihnen ist Martin Pantoletti, ein hagerer Mittdreißiger mit
blassem Teint. Sein Büro ist vollständig abgedunkelt, die Luft stickig. Ein
strenger Geruch nach alten Tennissocken, vertrockneten Chipsresten und
kaltem Achselschweiß liegt in der Luft. Leere Cola-Flaschen bedecken den
Teppichboden.
Pantoletti starrt mit leeren Augen auf den hell erleuchteten Monitor,
zwischendurch hämmert er in wilden Klick-Attacken auf seine Computermaus.
Pantolleti spielt World of Warcraft - "eingrooven" nennt er das. "Wir
müssen lernen, wie Hacker zu denken, zu fühlen, zu leben und vor allem zu
zocken! Kennst du deinen Feind, kennst du seine Freunde! Bist du sein
Feind, wird er dein Freund!", nuschelt Pantolleti desorientiert. Seit 45
Stunden spielt er ununterbrochen das Online-Rollenspiel. "Lol, der Noob hat
voll den critical hit abbekommen, den bashen wir gerade heftig weg, den
alten Cheater!", versucht sich Pantolleti unbeholfen im Zocker-Jargon.
Im Büro nebenan ist eine Kollegin von Pantolleti gerade in Tränen
ausgebrochen. Ingrid Schäfer wollte in sozialen Netzwerken nach Hinweisen
auf mögliche Cyberattacken suchen. Dabei ist sie zuerst im Chat von einem
wesentlich älteren Mann zu sexuellen Handlungen aufgefordert worden und
danach Opfer von Cyber-Mobbing geworden. Zwei Schüler haben auf ihr Profil
im SchülerVZ "Du Muddi-Opfer!" gepostet.
Ihr direkter Büronachbar hat ebenfalls die Gefahren des Berufsalltags
kennenlernen müssen. Der IT-Experte aus Dortmund wurde an seinem ersten
Arbeitstag Opfer eines Identitätsdiebstahls. Dabei wollte er nur einen
neuen Bürostuhl bei einem bekannten Versandhändler per Kreditkarte
bestellen.
"Ich weiß nicht mal mehr, wie ich heiße!", flüstert er. "Martin? Margret?
Mendelssohn? Wissen Sie eventuell, wo ich wohne?" Zwei volle Tage ist das
Nationale Cyber-Abwehrzentrum nun erst online, und es gibt viel
Optimierungsbedarf. Also wurden erst einmal alle Mitarbeiter in den Urlaub
geschickt. Der Chef der Einrichtung, BSI-Präsident Michael Hange, hatte
neugierig einen E-Mail-Anhang mit dem Betreff "The Real Dead Bin Laden
Picture" geöffnet. Der darin eingelagerte Virus hat für unbestimmte Zeit
das gesamte Stromnetz der Internet-Stelle lahmgelegt.
27 Jun 2011
## AUTOREN
Nico Rau
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.