# taz.de -- Kirsten Fehrs, zukünftige evangelische Bischöfin: "Evangelisch si… | |
> Die neue Bischöfin von Hamburg und Lübeck, Kirsten Fehrs, sieht ihre | |
> Priorität in der Pflege der Gemeinde. Mit den Menschen, die sexualisierte | |
> Gewalt in der Kirche erlebt haben, will sie sich respektvoll | |
> auseinandersetzen und hinhören. | |
Bild: Sieht ihre Kirchenmitglieder als Multiplikatoren: Die künftige Bischöfi… | |
taz: Frau Fehrs, warum gibt es noch einen Bischofsposten für Hamburg und | |
Lübeck, wenn es doch bald die Nordkirche mit einem Landesbischof gibt? | |
Kirsten Fehrs: Der Landesbischof beziehungsweise die Landesbischöfin hat in | |
der Hierarchie der Aufgaben den Vorsitz der Kirchenleitung inne. Die | |
BischöfInnen im Sprengel stellen lokal die Nähe her zur Basis. Sie | |
vermitteln kirchenleitende Gedanken, Interessen, Entscheidungen in die | |
Gemeinden hinein und sorgen für Verständigung. | |
Nun schaffen es andere Landeskirchen, mit einem Bischof auszukommen. | |
Sie haben schlicht ein anderes hierarchisches System. Da gibt es einen | |
Landesbischof und statt SprengelbischöfInnen Regionalbischöfe oder | |
Landessuperintendenten. Eine Besonderheit Nordelbiens lag immer in dem | |
kollegialen System der Kirchenleitung. Früher hat der Vorsitz im | |
Bischofskollegium rotiert, jetzt ist er festgelegt. | |
Was gewinnt die Nordelbische Kirche aus Ihrer Sicht, wenn sie im nächsten | |
Jahr mit den zwei erheblich kleineren und ärmeren evangelischen Kirchen aus | |
Mecklenburg-Vorpommern zusammengeht? | |
Die inhaltliche Idee der Fusion ist, dass Ost und West sich kirchlich | |
miteinander verbinden, obwohl es so unterschiedliche Bedingungen, Kulturen | |
und Geschichte gibt. Das, finde ich, ist etwas Besonderes. Wir haben es mit | |
Menschen zu tun, die über Jahrzehnte in einem säkularen Bereich Kirche | |
aufrecht gelebt haben. Mit Menschen, die sich als evangelische Christen mit | |
einer sehr großen demokratischen Kraft in einem totalitären System gehalten | |
haben. Sie waren als Christen sehr identifiziert mit ihrem Glauben. Da | |
können wir als Nordelbier, die wir ja auch mit säkularen Tendenzen zu tun | |
haben, viel lernen. Da bin ich ganz sicher. | |
Eines Ihrer Ziele als zukünftige Bischöfin ist es, die Mission zu | |
verstärken. Wie soll das konkret aussehen? | |
Zunächst ist es wichtig, die Menschen, die in der Kirche sind und etwas von | |
ihr erwarten, mit unserem guten und breit gefächerten Angebot zu halten und | |
aufmerksam zu begleiten. Sie sind wichtige Multiplikatoren des Glaubens; | |
denn evangelisch sind wir nur gemeinsam. Aber auch den Menschen, die unsere | |
Institution kritisch sehen, innerlich jedoch von existentiellen Fragen zum | |
Glauben bewegt sind, brauchen einen Ort, diese Fragen zu stellen. Von | |
diesen Orten gibt es noch zu wenig. Generell halte ich es für einen Gewinn, | |
wenn in unserer säkularen Gesellschaft darüber nachgedacht wird, was wir | |
noch glauben. Ich habe in den letzten Jahren die Beobachtung gemacht, dass | |
hier ein sehr großes Interesse besteht. | |
Wie politisch wollen Sie sein als Bischöfin? | |
Aus meinem Glauben heraus erhebe ich da Einspruch, wo die Menschen- oder | |
Schöpfungswürde angetastet wird. Das ist dann naturgemäß in die | |
Gesellschaft hinein gesprochen und damit auch politisch. Allerdings halte | |
ich es für einen Fehler, als Bischöfin parteipolitisch zu agieren. Wichtig | |
ist: Wir müssen die Stimme derer erheben, die nicht in der Lage sind, für | |
sich zu reden, weil sie bedrängt, bedroht, verfolgt oder angegriffen sind. | |
Aber wir sind auch dazu da, Menschen zu ermutigen und zu stärken, selbst | |
ihre Stimme wieder laut werden zu lassen. | |
Sie haben gesagt, Sie werden das Thema soziale Gerechtigkeit stärker | |
angehen. Wie? | |
Wir sollten unsere Kontakte zu Wirtschaft und zur Politik nutzen und uns | |
als Kirche in Meinungsbildungsprozesse einbringen. Das heißt, dass wir dort | |
das Thema nicht aussparen, sondern ansprechen. Und dies gelingt, denke ich, | |
vor allem an nicht-öffentlichen Runden Tischen. Nach meinen Erfahrungen | |
gibt es bei Wirtschaft und Politik ein Interesse, dass wir uns zu solchen | |
Themen äußern. | |
Ist von Ihnen denn eine Predigt mit einer klaren Position zu | |
Bundeswehr-Einsätzen zu erwarten? | |
Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Lassen Sie mich erst einmal das | |
Bischofsamt im November antreten. Aber jetzt kann ich schon sagen, dass es | |
mir bei ethischen Fragen darum geht, eine differenzierte Sicht | |
einzubringen. Mir ist sehr wohl bewusst, dass man gerade auch im medialen | |
Kontext sehr schnell plakativ und verflacht wiedergegeben wird. Aber ich | |
glaube, dass wir in einer Realität leben, die es wieder braucht, dass man | |
differenzierter hinguckt. Die Verflachungen machen uns intolerant. | |
Wie bewerten Sie die Aufarbeitung der Kirche im Fall von sexuellem | |
Missbrauch innerhalb der Kirche in Ahrensburg? | |
Ich glaube, dass die Kirchenleitung sehr sorgfältig abgewogen hat, warum | |
sie so und nicht anders entschieden hat. Nur: Bei diesen juristischen | |
Vorgängen darf es nicht bleiben. | |
Sie haben ein Gesprächsangebot an die Opfer ausgesprochen. Warum? | |
Jetzt ist der Punkt, wo wir uns verstärkt der menschlichen Seite der | |
sexualisierten Gewalt widmen müssen. Und so möchte ich mich mit den | |
Menschen, die sexualisierte Gewalt in der Kirche erlebt haben, respektvoll | |
auseinandersetzen und hinhören. Zugleich müssen wir uns institutionell | |
weiterhin mit unseren Schattenseiten beschäftigen und herausfinden, warum | |
sexualisierte Gewalt in der Kirche möglich war. Es braucht eine genaue | |
Analyse der Gefahren, damit dies in Zukunft wirksam verhindert wird. Diese | |
Arbeit läuft bereits und mündet in Präventivmaßnahmen. Auch die weiteren | |
Gespräche mit den Opfern könnten dabei helfen. Und bei allem ist mir | |
wichtig zu betonen, dass ich ja nicht die Erste und Einzige bin, die ein | |
Gespräch angeboten hat. Allerdings mag es für mich einfacher sein, einen | |
Zugang zu bekommen, weil ich vorher nicht involviert war. | |
28 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |