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# taz.de -- Doku über schwererziehbare Jugendliche: Zu viel von der Welt geseh…
> Schwer erziehbar, schwere Körperverletzung, schwere Kindheit - Wolfram
> Seeger porträtiert vier Jugendliche "Im Heim" (WDR, 23.15 Uhr) und sucht
> nach Ursachen.
Bild: Blicke voller Lebenserfahrung: Nico, 13.
"Ich bin wie ein Glas. Ich bin ganz und irgendwann zerspringe ich." Vier
Gesichter hat Wolfram Seeger (Regie, Kamera, Schnitt) an den Anfang seines
Films gestellt, von Robin, Marco, Julien und Nico. Sie sitzen da und
schauen stumm in die Kamera und man fragt sich, was sie wohl denken, was
Seeger sie gefragt hat, bevor er sie in die Kamera hat blicken lassen und
was man in ihren Gesichtern lesen kann? Wut, Kälte, Härte oder eher
Nachdenklichkeit, Unsicherheit, Zielstrebigkeit? So unterschiedlich sie
auch sind, das eine Ziel haben alle vor Augen: zurück nach Hause.
"Im Heim" wirft mit der Kamera für einige Tage einen Blick hinter die
Fassade eines Erziehungsheims in der Nähe von Köln und versucht zu
erfahren, warum die Kinder so sind, wie sie sind, und vor allem, wer diese
Kinder sind. Interviews mit den vier Protagonisten, mit ihren Müttern, mit
den Erziehern, der Köchin, dem Heimleiter, vermengt mit Szenen aus dem
Alltag. Putzen der Gänge, Essen vorbereiten, Fußball, den ewigen
Sticheleien und Streitereien untereinander, den ewigen Macht- und
Hierarchiekämpfen und den Schlichtungen der Erzieher.
Schwer erziehbare Jugendliche, schwere Körperverletzung und vor allem eine
schwere Kindheit. Nico hatte mit elf Jahren bereits mehrere Anzeigen am
Hals. "Wenn du nicht aufhörst, kommst du ins Heim, um Manieren zu lernen",
habe seine Mutter immer gesagt und ihre Drohung schlussendlich wirklich
wahrgemacht. Robin musste ins Heim, weil sein Vater seine Mutter geschlagen
hat, wie er sagt. "Ich hätte den ja fast umgebracht." Gewürgt habe er ihn,
bis ihm die Kraft ausgegangen sei. Marco ist mit drei Jahren ins Heim
gekommen.
Recht schnell löst sich die vage Ahnung in Klarheit auf, was in den
Gesichtern dieser Jugendlichen so wenig greifbar erschien. Eine
Ernsthaftigkeit, eine Lebenserfahrung, die man von einem 13-Jährigen
schlicht nicht gewöhnt ist. Blicke von Jugendlichen, die für ihr Alter
schon zu viel von der Welt gesehen haben
## Hilflosigkeit und Trauer über das Vergangene
Wie kann es so weit kommen, dass ein dreijähriges Kind in ein Heim kommt?
So sehr man sich auch wünscht, zumindest einen Schuldigen benennen zu
können, schlägt der Versuch doch fast immer fehl. Natürlich ist der Vater
von Robin die Ursache für dessen Gewaltausbrüche, aber was hat wiederum der
Vater wohl in seiner Kindheit erlebt? Natürlich ist es fataler Leichtsinn
von Nicos Mutter, nicht zu kapieren, dass es ihre Aufgabe gewesen wäre,
ihrem Sohn Manieren beizubringen. Aber wenn man die Verzweiflung in den
Gesichtern der einzelnen Mütter sieht, deren Hilflosigkeit und Trauer über
das Vergangene, lässt sich nur schwer ein Urteil fällen.
Andererseits zeigt das simple Statement der Heimköchin, dass es durchaus
möglich ist, mit Kindern umzugehen und sich Autorität zu verschaffen: "Die
wissen genau, was sie dürfen und was sie nicht dürfen."
Wolfram Seeger steht mit der Kamera im Gang, auf dem Fußballplatz, in der
Küche, filmt mit, ist immer präsent. Er setzt sich mit den Jugendlichen
zusammen, redet mit ihnen, stellt die Fragen aus dem Off. Technisch gesehen
keine Meisterleistung, überwiegen dadurch aber die inhaltlichen Vorteile.
Allem voran aber zeigt der Film, wie liebenswert jeder Einzelne von diesen
sogenannten "Härtefällen" wird, wenn man ihnen ein wenig Zeit widmet. "An
mir gibt es auch noch Sachen, die ich verbessern muss", meint Julien.
Robin: "Bei wem gibts das nicht?"
30 Jun 2011
## AUTOREN
Max Büch
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