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# taz.de -- Beyoncés neues Album "4": Bis die Ohren bluten
> Beyoncé Knowles legt "4" eine Probe des von ihr kreierten Parfums bei, um
> gegen die Langeweile anzustinken. Ihr neues Album hätte soviel sein
> können - und ist doch verschenkt.
Bild: Ist das Heidi Klum? Nee, das die immer blonder werdende Beyoncé Knwles a…
Sasha Fierce, wie sich Beyoncé Knowles auf ihrem dritten Soloalbum nannte,
gibt es auf der "4" nicht mehr. Das ist insofern beruhigend, weil der
erfolgreichsten R&B-Cashcow offenbar keine Persönlichkeitsspaltung in
Anbetracht des Umgangs mit dem Ruhm bevorsteht. Aber es fürchtete auch
niemand, es könnte einen öffentlichkeitsscheuen Menschen hinter dem Star
Beyoncé Knowles geben, der dieses Alter Ego als Abgrenzung braucht.
Insofern ist das Verschwinden von Sasha Fierce umso beunruhigender, da mit
dem Alter Ego offenbar auch Beyoncés Wille verschwunden ist, reine
Dancefloor-Musik zu machen. Stattdessen präsentiert sich die 29-Jährige auf
"4" als gereifte Künstlerin mit einem vermeintlich einfachen, ruhigen,
abgehangenen Album, auf dem sie vorführt, wie gut sie die Balladenform
beherrscht - und alles andere natürlich auch. Dabei wirkt sie irgendwie
unentschlossen, als wüsste sie selbst nicht genau, wieso ausgerechnet diese
zwölf Songs aus einem angeblich bei ihrer Plattenfirma abgegebenen Output
von sage und schreibe 72 Liedern ausgewählt wurden.
Ja, man fragt sich. "I don't know much about algebra, but I know, one plus
one equals two" - singt sie betont einfach im Auftaktsong "1+1", ein
unplugged anmutendes Romantikstück mit akustischer Gitarre. Wenn's doch so
einfach wäre. Aber Beyoncé weiß mehr, kann mehr und will das auch zeigen.
Der Song wäre tatsächlich wirklich schön - würde die Sängerin nicht so
ambitioniert vorführen, dass sie jede Note pflücken und jeden Ton
herauspressen kann - und das auch variantenreich tut, bis die Ohren bluten.
Es folgt der Frauenchor aus "I care", in dem es dann etwas dramatischer
wird. Hier besingt Beyoncé die emotionale Kühlschrankhaftigkeit eines
Mannes, dem ihr Befinden offenbar herzlich egal ist, schlimmer noch: "I
swear you like when I am in pain". Beyoncé war immer am besten in
Frauensolidaritätssongs, schon mit "Survivor" von Destinys Child, "Single
Ladies" und "If I were a boy" - vor allem aber mit ihrer aktuellen
Singleauskopplung "Run the World (Girls)". Dem besten Song ihres neuen
Albums, einem Uptempo-Shufflebeat aus der Feder des Produzenten The Dream.
## Frauenarmee im Mad-Max-Szenario
Dazu gibt es auch ein spektakuläres Video, in dem sich diese immer hübscher
und irritierenderweise immer blonder werdende Frau in wechselnden
Designeroutfits als Anführerin einer Frauenarmee durch eine Art
Mad-Max-Szenario schüttelt und Hyänen an der Leine spazieren führt. Hier
ist Beyoncé kurz frei von Konventionen. Nur die Megastars der Branche
nehmen sich diese künstlerische Freiheit, siehe Kanye Wests "My Beautiful
Dark Twisted Fantasy" aus dem vergangenen Jahr - gefällig, eingängig und
dabei vollkommen wild, assoziativ und originell.
Beyoncé hätte es ihm gleichtun können, schließlich hat sie 75 Millionen
Alben verkauft, 16 Grammys kassiert, ist mit Rapstar Jay-Z verheiratet und
hat vergangenes Jahr 90 Millionen US-Dollar verdient. Und das
durchgeknallte Stück "Telephone" zusammen mit Lady Gaga war durchaus
vielversprechend. Stattdessen grenzt sie sich nun musikalisch von Gaga ab -
unnötigerweise -, denn die beiden bedienen vollkommen unterschiedliche
Zielgruppen.
Statt freier Assoziation folgt auf "4" eine weitere Ballade. Das sehr
angenehme, weil unaufgeregte "I miss you" wird abgelöst vom etwas aus der
Zeit gefallenen "Best thing I ever had", das an die Blütezeit von Janet
Jackson, in jedem Fall an den Anfang der Neunziger erinnert. Und belanglos
bleibts auch mit "Party", zusammen mit Kanye West, "Love on top",
"Countdown" und - als lägen die Nerven nicht schon blank - die
Rechtfertigungshymne "I was here".
Der Wille zum Hit ist ihr abhandengekommen. Stattdessen liegt "4" eine
Probe des von Beyoncé kreierten Parfums bei. Damit möchte uns die
Künstlerin vermutlich Folgendes mitteilen: Ich bin ein Rundumwohlfühlpaket,
das gut anzusehen, zu hören und zu riechen ist - doch leider kann es nicht
gegen Langeweile anstinken.
30 Jun 2011
## AUTOREN
Julia Niemann
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