# taz.de -- Wahlkampf: Künast sucht die Arbeits-Formel | |
> Die Grünen wollen mit Öko-Industrie und Wissenschaft 100.000 | |
> Arbeitsplätze schaffen. SPD und Linke erkennen in den Plänen die | |
> Fortschreibung ihrer eigenen Politik. | |
Bild: Die ökologische Wärmedämmung gilt den Grünen als Jobmotor Nummer eins | |
Renate Künast hat ein Ziel: Das Image der Hartz-IV-Hauptstadt muss weg. Am | |
gestrigen Donnerstag stellte die grüne Spitzenkandidatin für das Rote | |
Rathaus zusammen mit Fraktionschef Volker Ratzmann im Bettenhochhaus der | |
Charité ihre Pläne für die Schaffung neuer Arbeitsplätze vor. | |
100.000 neue Arbeitsplätze wollen Künast und ihr Team im Falle eines | |
Wahlsiegs schaffen. Rein rechnerisch würde sich dadurch die Zahl der | |
Arbeitslosen im Land innerhalb der nächsten fünf Jahre fast halbieren. | |
Erreichen will Renate Künast ihr ehrgeiziges Vorhaben durch ein | |
Wirtschaftsprogramm, das auf ökologisch bewusstes Wachstum in den | |
Industrie- und Wissenschaftssektoren setzt. | |
Die Vision der "Klimahauptstadt Berlin" soll durch enge Verknüpfung von | |
Wissenschaft und Ökonomie unter dem Dach einer "modernen Industriepolitik" | |
verwirklicht werden. Branchen wie Kreativ-, Umwelt-, Gesundheits- und | |
Tourismuswirtschaft bezeichnete Künast als zukünftige Leitmärkte einer | |
"Green Economy". Die Wirtschaftspolitik des rot-roten Senats sei zu | |
dienstleistungsorientiert. | |
Renommierte Großprojekte wie die Nachnutzung des Flughafens Tegel stehen | |
weit oben auf der grünen Jobschaffungsliste. Hier soll "ein Ort entstehen, | |
an dem Spitzenforschung und innovative Unternehmen zusammenkommen". Auch | |
der Ort, an dem Künast ihr Programm präsentierte, war symbolisch: Eine | |
verstärkte finanzielle Förderung der Charité soll die Universitätsmedizin | |
zum "Leuchtturm der Gesundheitswirtschaft" werden lassen, der "alle anderen | |
mitzieht". Die Effizienz der Verwaltung müsse hingegen erhöht werden, um | |
den Standort für Investoren attraktiver zu machen. | |
Besonders hochqualifizierte Arbeitskräfte wollen die Grünen in die Stadt | |
locken. Wissenschaft und Industrie würden dann auch "einfache | |
Arbeitsplätze" für heutige Hartz-IV-EmpfängerInnen schaffen, so Künast. | |
Die angekündigten 100.000 Arbeitsplätze klingen jedoch nur in absoluten | |
Zahlen so rosig, wie es sich die Grünenspitze wohl wünscht. Rückgänge von | |
Beschäftigungszahlen in anderen Branchen schließt die Kalkulation nicht | |
ein. Eine Senkung der Arbeitslosenquote von derzeit 12 Prozent wäre | |
keineswegs gesichert. Auch konkrete Pläne zur Finanzierung der Maßnahmen | |
aus dem mageren Berliner Haushalt stehen noch aus. Umschichten und | |
Neuverteilen der Gelder sei hier notwendig, erklärte das Grünen-Duo. | |
Die Reaktion der regierenden Koalition war erwartungsgemäß gedämpft: | |
SPD-Landeschef Michael Müller monierte, der jetzige Senat habe "in der | |
vergangenen Legislaturperiode bereits 118.000 sozialversicherungspflichtige | |
Arbeitsplätze geschaffen". Auch seien die im Programm aufgezählten Branchen | |
bereits durch den Senat als Entwicklungsräume erkannt und würden | |
entsprechend gefördert. | |
Diese Zukunftsbranchen verzeichneten inzwischen Zuwachsraten weit über dem | |
Bundesdurchschnitt, erklärte die Linke, die in ihrem Wahlprogramm die | |
Schaffung von 150.000 Arbeitsplätzen bis 2016 ankündigt. "Wir werten die | |
vorgestellten Pläne als positive Resonanz und Fortschreibung unserer | |
eigenen Wirtschaftspolitk", bekräftigte SPD-Chef Müller und übte sich in | |
Ironie: Man habe eigentlich mit einem eigenständigen wirtschaftspolitischen | |
Entwurf der Grünen gerechnet. | |
1 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Werner Krause | |
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