# taz.de -- Houellebecq verfilmt seinen Roman: Das Ende ist nah | |
> 500 Seiten in weniger als 90 Minuten: Michel Houellebecq verfilmt seinen | |
> Endzeitroman "Die Möglichkeit einer Insel" und scheitert an sich selbst. | |
Bild: Wir werden Zeuge von Maries (Ramata Koite) Auferstehung. | |
Ein ganz in Weiß gewandeter älterer Herr (Patrick Bauchau) steht in einer | |
Lagerhalle vor wenigen Reihen spärlich besetzter Klappstühle und hält eine | |
Ansprache: "Ich komme, um euch das ewige Leben anzubieten!" Die Botschaft | |
haut keinen der Zuhörer - unter ihnen Houellebecq, der Schriftsteller, mit | |
Plastiktüte - vom Hocker. - Irgendwo im Niemandsland der französischen | |
Peripherie tritt "Der Prophet" an einen Campingtisch: "Die Geschichte wird | |
uns Recht geben!" "67, 40 Euro", antwortet lakonisch sein Begleiter, er | |
meint die Tageseinnahmen. | |
Viele derer, die Michel Houellebecq einst ablehnten, wollten seinen - | |
seltsamen - Humor nicht sehen. Dabei ist der eigentlich nicht zu übersehen. | |
Die beschriebenen Szenen stehen am Anfang des Films "Die Möglichkeit einer | |
Insel". Der ehemalige Student der Cinématographie, Michel Houellebecq, | |
verfilmt den Erfolgsautor Michel Houellebecq - nach einem Drehbuch von | |
Michel Houellebecq. | |
Es ist nicht die erste Houellebecq-Verfilmung, zuvor hatten sich bereits | |
Philippe Harel an "Ausweitung der Kampfzone" und Oskar Roehler an | |
"Elementarteilchen" versucht. Das war so eine ambitionierte | |
Bernd-Eichinger-Produktion, mit viel deutscher Schauspielerprominenz, | |
Moritz Bleibtreu & Co., sie hat 2006 weder Kritiker noch Publikum vom | |
Hocker gehauen. Und offenbar Houellebecq auch nicht - er hat immer | |
bestritten, den Film überhaupt gesehen zu haben -, sodass er es beim | |
dritten Mal dann wohl gern selber in die Hand nehmen wollte. Nur hatte er | |
sein Filmstudium nicht abgeschlossen und nie zuvor einen Kinofilm gedreht. | |
Da gibt man ihm nicht gleich die finanziellen Mittel in die Hand, wie sie | |
ein Eichinger in seine Prestigeprojekte zu stecken pflegte. | |
Dem Film ist das in jeder Einstellung anzusehen. Oder sollte es der | |
verhuschte Parkaträger Houellebecq gar darauf angelegt haben, die | |
Billigästhetik seiner persönlichen Erscheinung in die Bildsprache des Films | |
zu übersetzen? Immerhin das wäre ihm gelungen. | |
## Die Sexszenen sind komplett gestrichen | |
Die Filmkritik hat an dem Film, der 2008 in den französischen Kinos lief, | |
nicht ein gutes Haar gelassen. Das gibt dem Zuschauer der heutigen | |
Fernseherstausstrahlung nun die Möglichkeit, ihn sich ohne jede Erwartung | |
anzusehen - und ihm dann vielleicht doch etwas abzugewinnen. Beträfe es | |
auch nur die Pappmaché-Science-Fiction-Kulissen und spärlichen CGI-Effekte, | |
an deren Design die Bildhauerin Rosemarie Trockel und der Architekt Rem | |
Koolhaas irgendwie beteiligt waren. Sie vermögen nostalgische Erinnerungen | |
an das tschechoslowakische Kinderfernsehen der achtziger Jahre ("Die | |
Besucher") zu wecken. | |
Houellebecq hat die 500 Seiten seines Romans auf weniger als 90 Filmminuten | |
komprimiert. Vom Komikerdasein des Protagonisten Daniel (Benoît Magimel), | |
von seinen Frauengeschichten erfährt man im Film nichts. Die Sexszenen à la | |
Houellebecq - komplett gestrichen! | |
Daniel ist der Sohn des Propheten und soll dessen Nachfolge als Anführer | |
einer an die Raelianer angelehnten Hightech-Sekte antreten. Tausende Jahre | |
später hat sich das Versprechen des Propheten erfüllt, genetisch optimierte | |
Neomenschen haben die Sterblichkeit überwunden, ihre Umwelt ist gleichwohl | |
unbewohnbare Endzeitkulisse. Ein Daniel-Klon begibt sich auf die Suche | |
danach, was die Menschen früher "Liebe" nannten, denn: "Es gibt in der | |
Mitte der Zeit / Die Möglichkeit einer Insel." | |
Schon der Roman war ein offensichtliches Sample zahlreicher Versatzstücke | |
des Science-Fiction-Film-Genres. Das letzte Drittel des Films "Die | |
Möglichkeit einer Insel" hat ästhetisch nichts mit der ersten Stunde gemein | |
und zeigt Houellebecq als gelehrigen Schüler Tarkowskijs ("Solaris"). In | |
dessen Filmen war für Humor tatsächlich kein Platz. | |
6 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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