# taz.de -- Debatte zur Parteienfinanzierung: Eine steile Gehaltskurve | |
> Die schwarz-gelbe Regierung hat es nicht eilig, das Wahlrecht | |
> verfassungskonform zu machen. Bei der Erhöhung der Diäten aber ist sie | |
> ziemlich fix. | |
Bild: Entscheidung zur Parteienfinanzierung: In der letzten Sitzung vor der Som… | |
Derzeit gibt die politische Klasse den Bürgern gleich in drei Bereichen | |
Anschauungsunterricht, wie leichthändig sie ihren Machterhalt über | |
demokratische Belange stellt. Bei der Diätenerhöhung kann es ihr nicht | |
schnell genug gehen, die will sie jetzt noch vor der Sommerpause | |
durchpeitschen. | |
Hingegen hat die Regierung keinerlei Eile, die verfassungswidrigen | |
Regelungen im Wahlrecht - Stichwort Überhangmandate - zu überarbeiten. | |
Gleichzeitig soll den kleinen Parteien die staatliche Finanzierung gekürzt | |
werden. | |
Drei Jahre hatte der Bundestag Zeit, das "negative Stimmgewicht" bei | |
Bundestagswahlen zu beseitigen. Doch er hat auch die äußerste vom | |
Verfassungsgericht gesetzte Frist (Ende Juni 2011) verstreichen lassen. Die | |
Union will an den Überhangmandaten unbedingt festhalten. Sie verdankt ihr | |
24 zusätzliche Sitze im Bundestag und 2013 könnten sie sogar | |
wahlentscheidend sein. Die Opposition will sie ebenso unbedingt beseitigen. | |
Zudem hat die Korruptionsbekämpfungsgruppe des Europarats (GRECO) | |
Kontrolldefizite bei der deutschen Parteienfinanzierung festgestellt. Die | |
zehn GRECO-Empfehlungen datieren von 2009. Über ihre Umsetzung hätte | |
Deutschland bis zum 30. Juni 2011 berichten sollen. Nichts ist bis dahin | |
passiert. | |
Dagegen fand die erste Lesung zur Erhöhung der Diäten und der | |
Parteienfinanzierung im Bundestag überstürzt am 30. Juni statt, nach 21 | |
Uhr. Das war just der Tag, an dem der Atomausstieg beschlossen wurde - und | |
diese Entscheidung stellte natürlich alles andere in den Schatten. Nur eine | |
Woche später, der letzten vor der Sommerpause, ist die endgültige | |
Verabschiedung der Erhöhung geplant - diesmal im Windschatten der | |
anstehenden Abstimmung über PID. Soviel Eile macht misstrauisch. Gewiss, | |
Diäten und Parteienfinanzierung wurden mehrere Jahre nicht erhöht. Doch das | |
hat gute Gründe. | |
## Bei Bedarf verfassungswidrig | |
Wer die Parteienfinanzierung berurteilen möchte, muss die verschwiegenen | |
finanziellen Zusatz-Quellen berücksichtigen. So haben Bundes- und | |
Landtagsabgeordnete inzwischen rund 10.000 persönliche Mitarbeiter, die | |
natürlich auch Parteiarbeit machen. Dasselbe gilt für die "Parteien in den | |
Parlamenten", die Fraktionen. Auch von ihren Aktionen, etwa ihrer | |
Öffentlichkeitsarbeit, profitieren die Mutterparteien. | |
Beides kostet den Steuerzahler jährlich unglaubliche 411 Millionen Euro. | |
Diese verdeckte Staatsfinanzierung muss also zu den 133 Millionen Euro, die | |
die Parteien offen aus der Staatskasse bekommen, addiert werden. Dann aber | |
erscheint die geplante Erhöhung der offenen Zuschüsse auf 151 Millionen | |
Euro in neuem Licht. | |
Der Entwurf enthält, gut versteckt, auch noch ein Kukucksei für kleine | |
Parteien. Auch das gehört auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand. | |
Außerparlamentarischen Konkurrenten der Etablierten wie den "Piraten" und | |
den "Freien Wählern", soll nämlich die staatliche Finanzierung von bisher | |
50 Prozent auf rund 40 Prozent ihrer Einnahmen gekürzt werden. Diese | |
Kürzung trifft keine der Bundestagsparteien, weil deren Staatsanteil schon | |
jetzt unter 40 Prozent liegt. Im Gegenteil, ihre Finanzierung erhöht sich | |
um eben die 10 Prozent der Kleinen. Und so bereichert sich das politische | |
Kartell auf Kosten der Kleinen. | |
## Verdeckte Nebeneinkünfte | |
Ebenso widerspricht die geplante Angleichung der Bezüge der Parlamentarier | |
an die von Bundesrichtern dem Diätenurteil des Verfassungsgerichts. | |
Richterbezüge und Abgeordnetendiäten sind zwei völlig unterschiedliche | |
Dinge. Das hat das Gericht immer wieder betont. Mitglieder des Bundestages | |
erhalten neben ihrem Gehalt noch eine steuerfreie monatliche | |
Kostenpauschale von fast 4.000 Euro, unabhängig von der Höhe ihrer | |
tatsächlichen Aufwendungen. Das läuft häufig auf ein steuerfreies | |
Zusatzeinkommen hinaus, in dessen Genuß kein Richter kommt. Und sie dürfen | |
- anders als Abgeordnete - auch keinen voll bezahlten Zweitberuf neben | |
ihrer eigentlichen Aufgabe ausüben. | |
Die vom Parlament an den Tag gelegte Eile soll offenbar auch die hohen | |
Zusatzdiäten aus der Diskussion halten, die sich die vielen | |
Parlamentarischen Geschäftsführer, stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden | |
und Arbeitsgruppenvorsitzenden bewilligen. Die Zuschläge verschaffen just | |
denjenigen, die den Gesetzentwurf ausgekungelt und bei der ersten Lesung | |
das Wort geführt haben, wie Peter Altmaier (CDU) und Thomas Oppermann (SPD) | |
steuerpflichtige Gesamtdiäten, die nach Medienangaben rund 15.000 Euro | |
betragen, weit mehr nicht nur als Bundesrichter (8.144 Euro), sondern auch | |
als Senatspräsidenten (8.990 Euro) und sogar Gerichtspräsidenten (11.670 | |
Euro) beziehen. | |
Selbst wenn man den Bundestag beim Wort und den Vergleich mit | |
Bundesrichtern ernst nähme, müssten zunächst die Zusatzdiäten massiv | |
gekürzt werden. Kein Wunder also, dass die Unions- und die SPD-Fraktion | |
über deren genaue Höhe beharrlich die Auskunft verweigern. | |
## An der Öffentlichkeit vorbei | |
Die Geheimniskrämerei geschieht aber aufgrund des schlechten Gewissens | |
gegenüber dem Verfassungsrecht. Denn Karlsruhe hat solche Zahlungen längst | |
für unzulässig erklärt. Pikanterweise wurden im Bundestag bestimmte | |
Passagen eben dieses Verbotsurteils, wo sie dem Redner in den Kram passten, | |
wörtlich zitiert und dabei aus dem Zusammenhang gerissen; der Tenor des | |
Urteils aber, dass nämlich die Diäten auch Zusatzarbeit mit abdecken und | |
Funktionszulagen deshalb verfassungswidrig sind, wurde verschwiegen. | |
Das Bundesverfassungsgericht verlangt bei Beschlüssen über Diäten und | |
Parteienfinanzierung, "dass der gesamte Willensbildungsprozess für den | |
Bürger durchschaubar ist". Denn Öffentlichkeit stelle - neben dem Gericht | |
selbst - "die einzige wirksame Kontrolle" dar, wenn "das Parlament in | |
eigener Sache entscheidet". Dem wird der Bundestag nur formal gerecht. | |
Tatsächlich versucht er, eine umfassende Information über das Pro und | |
Contra der geplanten Maßnahmen und damit eine wirksame Kontrolle durch die | |
Öffentlichkeit zu verhindern. Deshalb die Blitz-Gesetzgebung. | |
7 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Hans Herbert von Arnim | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Parteispenden-Watch | |
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