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# taz.de -- Fashion Week ohne Experimente: Die Mitte hats lieber neu
> Secondhand in Berlin, das ist Edeldesign oder Kreuzberger Vintage. Das
> ganz normale Gebrauchte und die Kunden dafür fehlen weitgehend - noch,
> sagen Experten.
Bild: Gibts im Laden, aber nicht auf der Fashion Week: Second Hand
Das Hermès-Tuch gibt es für 180 Euro, die Abendschuhe von Marc Jacobs für
149 Euro: Beim Secondhand-Laden Secondo in der Mommsenstraße gibt es
Markenware nahezu zum Schnäppchenpreis. Jedenfalls verglichen mit den
Originalpreisen. "Wir sind eine Alternative für Menschen mit
Labelbewusstsein, die es nicht einsehen, ganz so viel Geld zu zahlen", sagt
Inhaberin Sabine Kadgien. Sie gehört mit ihrem Laden zum festen Inventar
rund um den Savignyplatz: Die Mommsenstraße steht für gebrauchte
Edelklamotten. Das Gegenstück zu den freakigen Vintage-Läden in Kreuzberg
und Neukölln, in denen sich die alternative Szene einkleidet. Nur wer auf
der Suche nach etwas ganz Normalem ist, muss in Berlin lange suchen. Anders
als in Metropolen wie London oder Stockholm konnten sich
Gebrauchtkleiderläden für herkömmliche Bürgerinnen und Bürger auf der Suche
nach Alltagsware bisher nicht durchsetzen.
Auch wer etwa bei Sylva Tomaskova kauft, hat einen gut gefüllten Geldbeutel
- trotz Secondhand. Die elegant gekleidete Frau betreibt ihre Boutique
ebenfalls nahe dem Savignyplatz, in der Bleibtreustraße. Ihre Kundinnen
gehörten zur "gehobenen Mittelschicht", sagt die Inhaberin von Chiara -
Seconda Mano. "Die ganz Armen können sich nicht einmal das leisten. Die
ganz Reichen kommen erst recht nicht." Bei Chiara kosten Abendgarderobe,
Kostüme und Zubehör wie Handtaschen und Schuhe noch etwa ein Viertel des
Neupreises. Die Inhaberin hat seit Jahren einen festen Stamm an
Käuferinnen. Das Geschäft ist geräumig, mit großzügigen Umkleiden, jeder
wird persönlich beraten: eine Boutique, kein Massenwarengeschäft.
Auch bei Sabine Kadgien legen die KäuferInnen Wert auf den exklusiven
Charakter. Die Marke zählt, und es soll aussehen wie neu. Ihre Kundinnen
handelten rationaler als noch vor ein paar Jahren, sagt die Inhaberin.
"Früher waren die Leute individueller, da konnte ich nahezu einen
Kostümfundus im Angebot haben."
Eine ganz andere Art von Secondhand-Laden liegt an der stark befahrenen
Schmiljanstraße in Friedenau: ein Kilo-Shop des Deutschen Roten Kreuzes
(DRK). Das Geschäft sei ursprünglich als Alternative zur "Kleiderkammer"
für die wohlhabenderen Gegenden geplant gewesen, erzählt DRK-Sprecher
Rüdiger Kunz. "Die Menschen müssen sich nicht so offenbaren wie in der
Kleiderkammer, wo sie ihre Bedürftigkeit nachweisen." Auf engem Raum stehen
prall gefüllte Ständer mit Alltagsklamotten; bezahlt wird nach Gewicht. Die
Klientel sei grundsätzlich durchmischter als in den Kleiderkammern, sagt
Kunz. Allerdings steige der Anteil älterer Kunden. "Die Altersarmut macht
sich bemerkbar."
Warum aber tut sich Secondhand in Berlin so schwer, zum normalen,
unaufgeregten Bestandteil der Einkaufsszene zu werden? "Es gilt bei der
Mittelschicht noch nicht als so schick, gebrauchte Kleidung zu kaufen",
sagt Tanja Mühlhans, Modeexpertin der Senatsverwaltung für Wirtschaft. Erst
mit der kommenden Generation wachse die Verbindung von Secondhand mit
Umweltbewusstsein und sozialem Verhalten. "Man sieht zum Beispiel an den
Kleidertauschpartys, dass sich solche Gedanken nach und nach durchsetzen",
sagt Mühlhans.
"Recycling ist tatsächlich ein Thema", sagt ein Sprecher von H&M. Die
schwedische Bekleidungskette hatte zeitweise einen Secondhand-Verkauf in
eine Filiale am Tauentzien integriert; wer wollte, konnte dort getragene
Mode der Kette abgeben oder sich neu einkleiden. "Obwohl wir ganz zufrieden
waren, bieten wir das momentan nicht an", so der Sprecher, ohne Gründe zu
nennen. Indes ist leicht vorstellbar, dass das Konzept eine nette
Umwelt-Werbekampagne ist - dauerhaft aber den eigenen Verkauf von Neuwaren
schmälert.
Eine andere Erklärung für das Fehlen entsprechender Geschäfte in
herkömmlichen Einkaufszentren hat Daniela Kaminski. Sie berät seit Jahren
Secondhand-Läden mit ihrem Verein "Secondhand vernetzt". "Es scheitert an
den Gewinnspannen, die Ladenmieten sind einfach zu hoch", sagt Kaminski.
In Münster etwa sei Oxfam zwar in der Innenstadt vertreten - die meisten
Verkäufer arbeiteten jedoch ehrenamtlich für das Unternehmen. "Die Mieten
sind in der Regel zu hoch, als dass es sich rentieren würde", so die
Beraterin. Wie Mühlhans beobachtet aber auch sie einen langfristigen Trend
zu mehr Normalität. "Die Geschäfte kommen aus den Hinterhöfen raus in die
zweite Reihe, die Verkaufsflächen werden größer." Die Zielgruppen würden
auch durchmischter. "Wir sind auf einem guten Weg."
7 Jul 2011
## AUTOREN
Kristina Pezzei
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