# taz.de -- Streit um Bildung: Was galt vor, was gilt nach den Wahlen?: Reale K… | |
> Nach den zu Ferienbeginn angekündigten Kürzungen im Bildungsbereich regt | |
> sich Widerstand - mancher argwöhnt "Wahlbetrug". Doch das Ressort | |
> widerspricht | |
Bild: Frisch vereidigt von manchen des "Wahlbetrugs" bezichtigt: Renate Jürgen… | |
Bremen "Wahlbetrug". Der Vorwurf des scheidenden Schulleiters und | |
langjährigen Grünen-Parlamentariers Helmut Zachau an seine frühere Partei | |
ist hart. | |
Schließlich sei vor der Wahl - in grünen wie roten Programmen, aber auch | |
auf Diskussionspodien immer wieder von "frei werdenden Mitteln" im | |
Bildungsetat die Rede gewesen. Indes wurde im Koalitionsvertrag eine | |
jährliche Einsparquote von 1,2 Prozent für Bildung beschlossen. Und zudem | |
soeben vom Ressort verkündet, dass den Schulen Stunden im Umfang von 53 | |
Lehrerstellen gestrichen werden. | |
"Das eine hat mit dem anderen gar nicht zu tun", sagt jedoch | |
Ressortsprecherin Karla Götz. Versprochen habe Bildungssenatorin Renate | |
Jürgens-Pieper nur, dass jede frei werdende Lehrerstelle auch wieder | |
besetzt werde. "Und das halten wir auch", sagt Götz: In diesem Jahr sind es | |
126, dazu kämen 30 Lehrkräfte im neuen Vertretungspool. Insgesamt arbeiten | |
in Bremens allgemeinbildenden Schulen etwa 5.200 LehrerInnen. | |
Und die Kürzungen - laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) | |
zwischen 30 und 150 Stunden pro Schule? Fallen zunächst in den Grundschulen | |
weg, wo laut GEW primär soziale Brennpunkte betroffen seien, vor allem aber | |
an gymnasialen Oberstufen, sagt Götz - weil es dort weniger SchülerInnen | |
gebe. Das Ressort habe alle Schulen - allerdings erst kürzlich - genauer | |
analysiert und festgestellt: Die prognostizierte Schülerzahl weiche von der | |
tatsächlichen im Mittel um zehn Prozent ab, so Götz. Diese gingen andere | |
Wege als den zum klassischen Abi. Deswegen habe man jetzt die | |
Stundenkontingente korrigieren müssen, sagt Götz. Dafür werde kein Lehrer | |
versetzt, Referendare aber nicht übernommen. | |
"Die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Schulen sind katastrophal", sagt | |
die GEW und fordert die Rücknahme der Kürzungen. Zum Opfer fallen nicht | |
zuletzt Stunden, die Fördermaßnahmen, Schulversuchen und der | |
Qualitätsentwicklung dienen. "Zentrale Reformprojekte gehen kaputt", sagt | |
Zachau und spricht von einer "Krise". An seiner Schule beispielsweise | |
stünden ohnehin nur fünf Prozent der Lehrerstunden für "Leitung und | |
Entwicklung" zur Verfügung. | |
Im Wahlkampf und in den Wahlprogrammen von SPD und Grünen indes war immer | |
wieder von der so genannten "demografischen Rendite" die Rede, die | |
angesichts sinkender Schülerzahlen Gelder "für die Verbesserung der | |
Qualität" der Schulen erwirtschafte, wie es bei den Grünen heißt. Ein | |
Widerspruch also? "Nein", sagt Götz: Die demographische Rendite "greift | |
noch nicht". Sie ist "ein Märchen", sagt gar die bildungspolitische | |
Sprecherin der Linkspartei Kristina Vogt. Zachau nennt sie immerhin eine | |
"Hypothese". Zwar ist die Zahl der Unter-15-Jährigen in Bremen seit 2001 | |
von 74.000 kontinuierlich auf zuletzt 67.661 gefallen. Allerdings hat sich | |
der Rückgang zuletzt verlangsamt, während die Zahl der Geburten seit 2004 | |
tendenziell steigt - und die Zuwanderung nach Bremen, auch aus dem Ausland, | |
ebenfalls. Mehr SchülerInnen mit Migrationshintergrund, mehr | |
Ganztagsschulen und die Inklusion erforderten mehr Personal, so Vogt. "Die | |
Unterfinanzierung der vollmundigen Reformprojekte im Bildungsbereich spitzt | |
sich zu", sagt Zachau - auch dank der Grünen, deren Bildungspolitikerin | |
Anja Stahmann gerade Sozialsenatorin wurde. Die Grünen haben "ein | |
Schlüsselressort grüner und nachhaltiger Politik aufgegeben", sagt Zachau, | |
und sich "aus der bremischen Bildungspolitik verabschiedet". | |
Noch an einer anderen Stelle wirft der 2001 bei den Grünen ausgetretene | |
Direktor aus dem Bremer Westen der Partei "Wahlbetrug" vor: dort, wo es um | |
die von den Grünen als Erfolg der Koalitionsverhandlungen verbuchte dezente | |
Öffnung hin zu Privatschulen geht. Im grünen Wahlprogramm nämlich kämen sie | |
gar nicht vor. Zachau spricht von einem "Paradigmenwechsel", einem | |
"faktischen Privatisierungsprozess", der gesellschaftliche Segregation | |
verschärfe. Seine Bilanz: Die Grünen sind "satt und selbstgefällig" | |
geworden. | |
7 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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