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# taz.de -- Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche: "Zu kriminalistisch, …
> Die Katholische Kirche will sexuelle Gewalt nun wissenschaftlich
> aufarbeiten lassen. Der innerkirchlichen Reformbewegung mangelt es an
> Systemkritik.
Bild: Die katholische Kirche will sexuellen Missbrauch wissenschaftlich aufarbe…
BERLIN taz | Nun also der wissenschaftliche Weg. Die Katholische Kirche
will sich mit der Hilfe von unabhängigen Experten auf die Suche nach den
Ursachen der zahlreichen [1][Missbrauchsfälle] in ihren eigenen Reihen
machen. Das Ziel: Die Umstände aufklären, die Täter-Motive offenbaren, die
Opfer zu Wort kommen lassen. "Wir wollen besser verstehen, wie es zu den
Ungeheuerlichkeiten kommen konnte", sagte der Trierer Bischof Stephan
Ackermann am Mittwoch in Bonn.
Zwei neue Forschungsprojekte, auf drei Jahre angelegt, sollen am Ende
gegebenenfalls dazu führen, das Präventionskonzept der Katholischen Kirche
zu überarbeiten. Diese Projekte stellte die Deutsche Bischofskonferenz
(DBK) am Mittwoch in Bonn vor. Das erste Forschungsprojekt wird von dem
Kriminologen Christian Pfeiffer geleitet. Er soll zusammen mit
pensionierten Richtern und Staatsanwälten die [2][Personalakten] der
insgesamt 27 Diözesen nach Fällen von Missbrauch durchforsten.
In neun ausgewählten Bistümern soll dies stichprobenartig für die Jahre
1945 bis 2010 erfolgen, in den anderen 18 Bistümern nur für die Jahre 2000
bis 2010. Eine Komplettanalyse bis zum Jahr 1945 in allen 27 Diözesen
durchzuführen, hält die Bischofskonferenz dagegen nicht für nötig.
Das zweite Projekt befasst sich mit den Tätern. Der Direktor des Instituts
für Forensische Psychiatrie der Universität Essen-Duisburg, Norbert
Leygraf, soll hierzu zusammen mit anderen Experten die psychiatrischen
Gutachten von rund 50 Tätern analysieren, die wegen sexuellen Übergriffen
vor Gericht standen. Hieraus sollen die Forscher Präventionsmöglichkeiten
für die Zukunft ableiten. So viel zur Theorie.
## Kritik: Zu sehr an Einzelschicksalen orientiert
Doch die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. "Es muss auch um die
tieferen Zusammenhänge von Macht, Sexualität und Missbrauch in der Kirche
gehen", sagte Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung "Wir sind
Kirche", der taz.
Es sei ein komplexes System, das zu sexualisierter Gewalt und der oft
jahrzehntelangen systematischen Vertuschung führe. Die Betrachtung der
strukturellen Ursachen sieht Weisner durch die beiden Forschungsaufträge
jedoch nicht ausreichend berücksichtigt. "Die Wissenschaftler sind honorige
Experten, keine Frage", so der Initiator der Kirchenvolksbewegung. Doch sei
der Ansatz zu kriminalistisch, zu technokratisch, zu sehr an den einzelnen
Fällen orientiert, um der wahren Problemlage gerecht zu werden.
Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hofft auf die Aufdeckung
der Ursachen. Es sei zu hoffen, so ZdK-Präsident Alois Glück, dass auch
eventuelle tiefer liegende Gründe für die Missbräuche ans Tageslicht kommen
würden, damit auch hieraus die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen
werden könnten.
Christian Weisner stört sich zudem an der Art der Untersuchung. "Wenn die
[3][Betroffnen] Fragebögen ausfüllen sollen, um die Statistiken zu
erstellen, dann frage ich mich, ob man sie damit nicht erneut
traumatisiert", so Weisner. Er hält eine persönliche Auseinandersetzung mit
den Opfern für unumgänglich.
Die Bischofskonferenz rühmt sich derweil mit der Unabhängigkeit der
beauftragten Forscher. Doch Norbert Leygraf arbeitet bereits seit 2004 als
Wissenschaftler für die Katholische Kirche. Nicht unbedingt ein Zeichen der
Transparenz, wie Weisner findet. "In Irland etwa ist der Forschungsauftrag
von der Regierung gekommen, das wäre wirkliche Unabhängigkeit", sagt
Christian Weisner.
Für die deutschen Bischöfe ist die wissenschaftliche Aufarbeitung
allerdings ein großer Schritt. Nur mühsam haben sie sich nach monatelangem
Ringen dazu entschieden. Die Bischofskonferenz rechtfertigt den Zeitpunkt
der Untersuchung damit, dass die Zahl der Opfermeldungen zurückgegangen sei
und man den Zeitpunkt für gekommen sehe, das Material nun wissenschaftlich
aufzuarbeiten.
13 Jul 2011
## LINKS
[1] /1/politik/deutschland/artikel/1/erstmals-reden-betroffene/
[2] /1/leben/alltag/artikel/1/bistuemer-oeffnen-personalakten/
[3] /1/leben/alltag/artikel/1/das-treffen-mit-dem-peiniger/
## AUTOREN
Steffi Dobmeier
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