# taz.de -- Opfervertreterin Djurovic zu Missbrauch: "Nicht auf geschlossene He… | |
> Investitionen vor allem in die Missbrauchs-Aufklärung von ErzieherInnen | |
> tun not, sagt das frühere Heimkind Djurovic. Heimkinder kommen häufig aus | |
> einfachen Verhältnissen. | |
Bild: Früher war nicht alles besser. | |
taz: Frau Djurovic, Sie waren eine der OpfervertreterInnen beim runden | |
Tisch Heimerziehung, bei dem es um Misshandlungen von Heimkindern vor allem | |
der frühen Bundesrepublik ging. Eine neue Studie des Deutschen | |
Jugendinstituts zeigt, dass es auch heute noch viele Misshandlungen in | |
Heimen gibt. Liegt das an der Institution Heim? | |
Sonja Djuvoric: Es ist immer noch das Problem, dass Heime auch heute zum | |
Teil geschlossene Institutionen ohne ausreichende Kontrolle sind. Hinzu | |
kommt, dass Kinder und Jugendliche über ihre Misshandlungen oft schweigen, | |
weil sie nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen - oder gar weil sie | |
sich irrigerweise vielleicht selbst die Schuld geben für die Verbrechen. | |
Denn auch die heutigen Erzieher sind eben Autoritätspersonen. | |
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, damit sich das Ausmaß des | |
Missbrauchs in Heimen verringert? | |
Der Staat müsste mehr investieren in die Aufklärung der Erzieher über | |
Missbrauch, aber nicht in geschlossene Heime! Auch die Kontrolle der Heime | |
müsste intensiviert werden. Wahrscheinlich ist auch mehr geschultes | |
Personal nötig. Es ist auch ganz schrecklich, dass es in den vergangenen | |
Jahren wieder Tendenzen gibt, häufiger geschlossene Heime aufzubauen. | |
Hat man da nichts gelernt? | |
Natürlich haben Heime heute nicht mehr diesen Gefängnischarakter wie noch | |
zu meiner Zeit. Zwar sind die Erzieher heute besser ausgebildet und müssen | |
weniger Kinder betreuen, also vielleicht fünf pro Erzieherin, während es | |
früher 30 oder auch mehr waren. Das Problem aber bleibt, dass Menschen mit | |
pädophilen Neigungen weiter in der Versuchung sind, in Schulen, in | |
Sportvereinen oder eben Heimen Unterschlupf zu finden. | |
Hat die Auseinandersetzung über Misshandlung von Kindern in den vergangenen | |
Jahren etwas gebracht? | |
Eine Entstigmatisierung für uns, die ehemaligen Heimkinder, hat bis heute | |
nicht stattgefunden. Es ist immer noch eine enorme Scham vorhanden – und | |
unsere Forderung nach einer fairen Entschädigung fand im Bundestag auch | |
kein Echo. | |
Haben es Heimkinder in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht auch deshalb | |
schwerer, weil sie überproportional häufig aus einfachen Verhältnissen | |
kommen und die Gesellschaft da gern wegschaut? | |
Es ist bezeichnend, dass der runde Tisch für die Heimkinder viel weniger | |
Geld zur Verfügung hatte als der runde Tisch zum sexuellen Missbrauch, wo | |
es eben sehr viel häufiger um Mittel- oder Oberschichtkinder ging. | |
Heimkinder kommen auch heute oft aus armen oder migrantischen Familien. Und | |
die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander. Auch deshalb muss der | |
Staat da viel mehr machen. | |
14 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
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