# taz.de -- Porno im französischen Mainstream-Kino: Frauen, grob und schmutzig | |
> Emilie Jouvet dreht Pornos für Lesben. Mit ihrem Film "Too Much Pussy!" | |
> hat die homosexuelle Künstlerin nun auch kommerziellen Erfolg. | |
Bild: Performerin Wendy Delorme lässt tief blicken: Frauen der "Queer X-Show" … | |
PARIS taz | Die Frau liegt auf dem Rücken auf einer Freilichtbühne in | |
Berlin, ihr Unterkörper ist nackt. Die Beine sind gespreizt, ein Spekulum | |
steckt in ihrer Scheide und dann darf jeder der will, sich mit einer | |
Taschenlampe ihren Muttermund anschauen. Manch anatomisch Interessierte - | |
es sind überwiegend Frauen - kichert, während sie in den Unterleib | |
reinleuchtet. Andere ziehen ernste Mienen. | |
Ganz anders die US-Amerikanerin Sadie Lune, deren Uterus gerade angeglotzt | |
wird: sie liegt total entspannt da und redet mit ihren Freundinnen übers | |
Fisten. Was an die aufklärerische Praxis der feministischen | |
Performancekünstlerin Annie Sprinkle erinnert, ist Teil der "Queer X Show" | |
und seit vergangener Woche in einem Dokumentarfilm in den französischen | |
Mainstream-Kinos zu sehen. | |
"Too Much Pussy! Feminist Sluts In The Queer X Show" dokumentiert die | |
Europatournee von sieben Aktivistinnen, Künstlerinnen, Schriftstellerinnen, | |
Musikerinnen und Pornostars - allesamt lesbisch oder bisexuell. Sie haben | |
Sex auf der Bühne und masturbieren vor Publikum. Sie fesseln sich | |
gegenseitig, um zum Höhepunkt zu kommen, und das alles für den Feminismus. | |
Zwischen den Bühnenperformances haben die Darstellerinnen ständig Sex, | |
scheinbar immer und überall. | |
## Offen gelebte Sexualität | |
Der 90-minütige Streifen sei politisch zu verstehen, erklärt die | |
Regisseurin Emilie Jouvet. "Es geht um offen gelebte Sexualität von Lesben. | |
Die weibliche Ejakulation soll raus aus der Schmuddelecke". Was diesen Film | |
und diese Show von anderen Werken rund um die weibliche Erotik | |
unterscheidet, ist die Regisseurin. Denn anders als meist ist die | |
Filmemacherin selbst lesbisch. Eine Lesbe dreht also für Lesben, das ist in | |
einer Heterowelt immer noch die Ausnahme. Das Pornogeschäft ist ein | |
Geschäft von Männern mit Frauen für Männer. | |
Diese Hierarchie wollte die Künstlerin Emilie Jouvet durchbrechen. Die | |
attraktive Frau mit blonden, langen Haaren, einem sinnlichen Mund und einer | |
kurvigen Figur hat Fotografie und Bildhauerei studiert. Bei ihrer Arbeit | |
sei sie schon an der Hochschule in Paris angeeckt, erzählt sie in einem | |
Pariser Café. Die Dozenten, meist männlich, hätten für ihre erotischen | |
Fotografien lesbischer Frauen wenig Sinn gehabt. "Zu speziell" sei die | |
übliche Reaktion auf ihre Bilder gewesen. Von den Stereotypen des | |
Mainstreams wollte sie in der Tat weg. Weg von den Heterofrauen mit | |
Plastiknägeln und Silikonbrüsten die anderen Heterofrauen ihre kahlrasierte | |
Scham aufs Gesicht drücken. "Immer zeigen uns Heteros, wie wir angeblich | |
Sex haben", sagt sie. "Es nervte mich irgendwann." | |
Das war 2005. Ein Jahr später präsentierte sie mit "One Night Stand" den | |
ersten französischen Porno, der von einer Lesbe gedreht und für ein | |
lesbisches Publikum gedacht war und mit dem ihr in der internationalen | |
Queer-Szene der Durchbruch gelang. | |
## Bunte Umschnalldildos | |
In "One Night Stand" geht es um schnellen Sex zwischen Frauen, die sich | |
scheinbar zufällig irgendwo treffen. Die Szenen sind mit Elektro-Punk-Musik | |
unterlegt, es ist eine grelle, flott montierte Mischung. Wer nicht auf | |
Latexhandschuhe oder bunte Umschnalldildos steht, wer es nicht grob und | |
schmutzig mag, braucht sich den Porno erst gar nicht anschauen. "Emilie | |
Jouvet hat mit diesem Film eine neue Ästehtik gefunden, Sex als Kunst | |
darzustellen", befand damals der Kultursender Arte über "One Night Stand". | |
Übers Internet suchte sie ihre Darstellerinnen. Einziges Kriterium, um | |
mitmachen zu dürfen: sie mussten lesbisch oder bisexuell sein. Das sah man | |
dem Film auch an. Die Teilnehmerinnen haben Lust an dem, was sie vor der | |
Kamera machen. Es waren keine aufgetunten Schauspielerinnen, sondern Frauen | |
mit durchschnittlichen Körpern. Für diese erotische Authentizität wurde | |
eine Episode des Films beim 1. Berliner Pornofestival als bester Kurzfilm | |
ausgezeichnet, es folgten weitere internationale Preise wie der Feminist | |
Porn Award für den "Sexiest Dyke Movie" in Toronto. | |
Anders als die lesbischen Pornomacherinmnen Madison Young und Courtney | |
Trouble tritt Emilie Jouvet in ihren Filmen selbst nicht auf. "Ich würde | |
schon mitmachen, aber irgendwer muss ja die Kamera bedienen", sagt sie | |
lächelnd. | |
Feminismus und Pornografie, wie passt das zusammen? Dass die Entblößung von | |
Haut und Scham ein Zeichen für weibliche Unterdrückung sein könnte, findet | |
Emilie Jouvet "altfeministisch" und "körper- und lustfeindlich". Sie lacht | |
leise, während sie das sagt und zieht an einer Zigarette. Die 34-Jährige | |
hat neben den zwei Porno-Langfilmen schon mehrere Kurzfilme gedreht und | |
fotografiert ständig für Magazine. Momentan schreibt sie an ihrem ersten | |
Buch. Natürlich geht es auch dabei um Lesben. | |
Ihre homosexuellen Phantasien und ihre Kunst sind jetzt im Mainstream | |
angekommen. Nach der Premiere von "Too much pussy" im Pariser MK2 Beaubourg | |
Kino gab es Standing Ovations. | |
16 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Cigdem Akyol | |
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