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# taz.de -- Kolumne Die Farbe Lila: Konzerne lassen Mutti nicht arbeiten
> Wie ein Komplott aus Deutscher Bahn und VW verhinderte, dass ich zurück
> ins selbstbestimmte Leben fand.
Das Kind war zehn Wochen alt, es wurde Zeit, dass ich mal wieder länger
rauskam als nur für einen Spaziergang in den Park, eine Runde durch den
Supermarkt oder mal auf ein Grillfest. Schon seit Tagen trappelte ich mit
den Füßen, weil eine Reise anstand, verbunden mit einem Job.
Als Publizistin sitze ich immer mal wieder auf Podien und diskutiere über
die Themen, über die ich auch schreibe. Diese Reise sollte nach Köln gehen,
auf eine Diskussionsveranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung, wo ich über
Mutterschaft in unserer Gesellschaft diskutieren sollte und vor allem:
wollte.
Ein Thema, was dabei ganz sicher besprochen werden würde: Was tun deutsche
Unternehmen, um Müttern den Wiedereinstieg in den Job zu ermöglichen?
Der Mann hatte einen Tag Urlaub genommen, der alte Golf war gepackt;
Kinderwagen, Windeln und Fläschchenwärmer stapelten sich im Kofferraum. Wir
würden alle gemeinsam nach Köln fahren - "damit Mutti endlich mal wieder
was arbeitet", hatte ich dem schlafenden Kind erklärt, als ich es in seine
Autositzschale legte.
So war der Plan.
Wir waren bester Laune, hatten volle Mägen, freuten uns auf einen Tag in
Köln. Die Sonne schien durch die Autofenster, wir waren abfahrbereit.
Nur das Auto nicht.
Es sprang nicht an.
Auch weitere Anlassversuche und einige hilflose Blicke unter die Motorhaube
änderten nichts an der Tatsache: Dieses Auto würde uns nicht nach Köln
bringen. Die deutsche Volkswagen AG bemühte sich schon mal ziemlich wenig
um meinen Wiedereinstieg ins Berufsleben. Ich stieg aus, der Mann stieg
aus. Der Mann nahm das Kind mit zurück in die Wohnung, ich rannte mit
meiner Reisetasche zum Bahnhof. Ich würde allein nach Köln fahren, mit der
Deutschen Bahn.
Entspannt saß ich im Zug, las das erste Mal seit Wochen wieder in einem
Buch und sah zwischendurch fröhlich aus dem Fenster, auf eine schöne
schwäbische Landschaft.
Eine Stunde später schaute ich immer noch auf die gleiche schöne
schwäbische Landschaft, dabei hätte es längst eine hessische sein müssen.
Ich zog meine Stöpsel aus den Ohren und hörte den Schaffner, es gäbe ein
Problem mit den Bremsen, der Zugführer kümmere sich darum.
Der ICE stand eine weitere Stunde mit kaputten Bremsen im Nichts, der
Zugführer versuchte sich als Monteur, der Schaffner entschuldigte sich
weiterhin, ich schaute abwechselnd in die schöne schwäbische Landschaft und
auf meine Uhr. Der Zeitpunkt, an dem die Veranstaltung beginnen sollte, war
mittlerweile herangerückt, und ich war noch nicht einmal in Stuttgart.
Ich musste es einsehen: In dieser Runde würde ich nicht mehr sitzen, sie
würden ohne mich diskutieren, streiten, Visionen für die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf entwickeln.
Die Deutsche Bahn hat - man muss es so sagen - meinen Wiedereinstieg in den
Job gekonnt sabotiert. Als ich endlich in Stuttgart ankam, stieg ich aus
und nahm den nächsten Zug zurück nach München.
Am Abend war ich wieder zu Hause und beschwerte mich bei Mann und Kind,
dass sich die deutschen Unternehmen seit Jahren selbst loben, wie sie
Müttern den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern. Dabei hatte ich an
diesem Tag das genaue Gegenteil erlebt: wie VW und DB Hand in Hand
verhindern, dass Mutti wieder arbeiten geht.
17 Jul 2011
## AUTOREN
Susanne Klingner
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