# taz.de -- Kommentar Niedrigeinkommen: Unsere Gesellschaft spaltet sich | |
> Die Reallöhne sind seit 2000 um 2,5 Prozent gesunken - obwohl die | |
> Wirtschaft um rund 16,3 Prozent wuchs. Die größten Verlierer sind die | |
> Geringverdiener. Das ist alarmierend. | |
Deutschland ist eine Klassengesellschaft, in der Vermögende und | |
Arbeitnehmer auseinanderdriften. Dies belegen einmal mehr neue Zahlen vom | |
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). | |
Die Reallöhne sind seit 2000 um 2,5 Prozent gesunken - obwohl die | |
Wirtschaft real um rund 16,3 Prozent wuchs. Da bedarf es keiner großen | |
Rechenkünste, um zu erkennen, dass allein die Unternehmer und | |
Kapitalbesitzer profitiert haben. | |
Die größten Verlierer sind die Geringverdiener, die sogar ein Minus von bis | |
zu 22 Prozent hinnehmen mussten. Doch genauso alarmierend ist, dass die | |
gesamte untere Hälfte der Lohnabhängigen drastische Einbußen erlitten hat. | |
Diese Spaltung ist gefährlich, denn es kann eine Demokratie zerstören, wenn | |
die Mehrheit ihre Interessen nicht gewahrt sieht. Die Politik muss also | |
handeln - und an Vorschlägen mangelt es nicht. Vor allem zwei Varianten | |
bestimmen die Diskussion: Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und | |
Berufsforschung fordert, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Andere | |
wie der Wirtschaftsweise Peter Bofinger wollen die Sozialbeiträge für die | |
Arbeitnehmer senken, damit deren Nettolöhne steigen. | |
Beide Vorschläge ließen sich gleichzeitig verwirklichen, insofern muss man | |
sie nicht gegeneinander ausspielen. Aber absolute Priorität sollte ein | |
gesetzlicher Mindestlohn haben, der bei wenigstens 8 Euro liegt. Nur er | |
kann verhindern, dass die Geringverdiener weiter absteigen. | |
Veränderte Sozialbeiträge hingegen könnten tückisch wirken. Angenommen, die | |
Arbeitnehmer müssten weniger in die Krankenkasse einzahlen - wahrscheinlich | |
wären viele dann bereit, einen geringeren Bruttolohn zu akzeptieren. | |
Letztlich wären also die Betriebe die Gewinner. Die Reallöhne sinken, weil | |
die Arbeitnehmer kaum noch Verhandlungsmacht besitzen. Ihre Position wird | |
nur gestärkt, wenn es eine absolute Untergrenze gibt - eben den | |
Mindestlohn. | |
19 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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