# taz.de -- Venezuela im Halbfinale der Copa America: Hugo und der Taktiker | |
> Während Brasilien und Argentinien früh scheitern, staunt man in Venezuela | |
> über die sensationelle Qualifikation für das Halbfinale. Ein | |
> bemerkenswertes Turnier. | |
Bild: Venezuela jubelt, nachdem sie Geheimfavorit Chile aus dem Turnier geworfe… | |
PORTO ALEGRE taz | Das furiose Finale der Frauen-WM war gerade entschieden, | |
da folgte - zapp! - im argentinischen La Plata ein weiterer Elfmeterkrimi. | |
Viertelfinale der Copa América, Brasilien gegen Paraguay: Nach einem | |
torlosen und wenig anregenden Gekicke über 120 Minuten brachten die | |
Brasilianer das Kunststück fertig, vier Strafstöße hintereinander zu | |
verschießen. 2:0 für Paraguay! | |
"Ehrlich, so etwas hab ich noch nie gesehen", sagte Robinho, der als | |
fünfter Schütze vorgesehen war. Nationaltrainer Mano Menezes gab dem Rasen | |
die Schuld. In der Vorrunde war die Seleção aber auch nur auf zwei arg | |
gequälte Unentschieden und ein 4:2 gegen Ecuador gekommen, doch Menezes | |
darf bis zur WM 2014 weitermachen. Sein halbherzig angegangener | |
Generationenumbruch um die enttäuschenden Santos-Jungstars Neymar und Ganso | |
soll weitergehen. | |
Die brasilianischen Fans dürfen sich damit trösten, dass es den Gastgebern | |
trotz eines brillierenden Lionel Messi kaum besser erging: Nach einem | |
packenden 1:1 nach Verlängerung gewann am Samstag die alt-neue | |
Fußballgroßmacht Uruguay das Elfmeterschießen. Als Einziger vergab | |
ausgerechnet "Carlitos" Tévez, das derzeit größte Idol in Argentinien. | |
Montevideo tanzte - zudem war es noch der 61. Jahrestag des "Maracanazo", | |
des legendären Weltmeisterschaftsgewinns in Rio de Janeiro. | |
Noch nie gab es eine so ausgeglichene Copa América. Mittwochnacht treffen | |
die Paraguayer auf Venezuela, die Überraschungsmannschaft schlechthin. | |
Beide bewährten sich bisher vor allem in der Defensive. Dienstagnacht | |
werden Uruguay und Peru den zweiten Finalisten unter sich ausmachen. | |
## Venezuela erstmals im Halbfinale | |
Das Baseball-Land Venezuela, das noch nie an einer Fußball-WM teilgenommen | |
hat, steht dank dem straffen Regiment von Trainer César Farías nun zum | |
ersten Mal überhaupt im Copa-América-Halbfinale. In der Vorrunde gab es | |
zwei torlose Unentschieden gegen Brasilien und Paraguay und ein mühsames | |
1:0 gegen Ecuador, im Viertelfinale wurde Geheimfavorit Chile mit 2:1 | |
ausgekontert. | |
Seit 2008 setzt Farías die geduldige Aufbauarbeit von Richard Páez in der | |
Nationalelf fort, die wegen der dunkelroten Trikots "Vinotinto" genannt | |
wird. Manch einer feiert den in seiner Heimat durchaus umstrittenen Coach | |
gar als den "neuen Mourinho des südamerikanischen Fußballs". Ähnlich wie | |
der portugiesische Unsympath legt sich der 38-Jährige gerne mit der Presse | |
an. Nach dem Auftaktspiel gegen Brasilien provozierte er eine Rangelei mit | |
der halben Seleção. | |
Den Segen des krebskranken Hugo Chávez, der jedes Spiel der Venezolaner per | |
Twitter kommentiert, hat der gewiefte Taktiker: "César weiß, was er tut, | |
einen Applaus für César Farías und die Vinotinto". Gleich fünfmal meldete | |
sich der Präsident am Sonntag aus Kuba: "Fidel ist gekommen und hat der | |
Vinotinto Glück gebracht", und schließlich: "Wir werden leben und siegen!" | |
## Wenig attraktiver Fußball | |
Einige unken bereits, die Venezolaner könnten die Copa América so ähnlich | |
gewinnen wie Griechenland 2004 die EM. Damit ist über die Attraktivität des | |
diesjährigen Turniers schon fast alles gesagt, einen größeren Kontrast zur | |
Frauen-WM kann man sich kaum vorstellen. Doch die wurde dank der Fußball- | |
und Medienmafia um den brasilianischen Verbandschef Ricardo Teixeira und TV | |
Globo in Lateinamerika kaum wahrgenommen. | |
Wären Marta & Co. ins Finale gekommen, hätten sie sogar mit der | |
Männer-Seleção um die Gunst des Fernsehpublikums buhlen müssen. Der | |
Titelgewinn der Japanerinnen wurde zwar voller Bewunderung registriert - | |
das wars dann aber schon. Auch die Copa América, Venezuela hin oder her, | |
interessiert in Brasilien nur noch am Rande. Die Fans flüchteten sich in | |
Galgenhumor: "Dem zum Erschießungstod verurteilten Paraguayer wurde ein | |
letzter Wunsch gewährt. Ohne zu überlegen, sagte er: ,Ich will, dass ein | |
Brasilianer schießt.'" | |
Thema des Tages war am Montag bereits der tränenreiche Abschied von Trainer | |
Paulo Roberto Falcão beim Libertadores-Champion Internacional Porto Alegre. | |
Gerade 99 Tage hatte es der frühere "König von Rom" auf dem Schleudersitz | |
ausgehalten. | |
19 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |