# taz.de -- Comics fürs Internet: Tragisch verliebt in Natalie Portman | |
> Er lässt sympathisch unausgeführte Figuren ganz große und ganz kleine | |
> Fragen erörtern und findet eigentlich alle deutschen Kollegen | |
> "furchtbar": ein Nachmittag mit dem Hamburger Comiczeichner Robin Vehrs. | |
Bild: Findet immer wieder sehr kluge Antworten auf Tag-für-Tag-Geschmacksfrage… | |
HAMBURG taz | Robin Vehrs entschuldigt sich für die Verspätung: Er musste | |
noch eine Wohnung besichtigen. Dann schlägt er vor, zum Afrikaner am | |
Altonaer Bahnhof zu gehen. Am Tresen des Lokals empfiehlt er den gemischten | |
Teller: "Da sind lauter so Wurzeln und Sachen drauf, die man alle nicht | |
kennt und die total komisch schmecken." Wir setzen uns nach draußen. | |
Es war 2009, als Vehrs mit seinem Comic-Blog "Enjambements" anfing. Warum | |
dieser Titel? Er weiß es nicht mehr so ganz genau, aber es hatte irgendwas | |
mit einer Deutsch-Hausaufgabe zu tun, nichts mit Ambition oder Anspruch. Im | |
Sommer ist der Neunzehnjährige im Vorort Halstenbek mit der Schule fertig | |
geworden und wartet auf die Zusage für sein Freiwilliges Soziales Jahr. Er | |
hat eindrucksvolle, dunkelbraune Locken auf dem Kopf, eine noch | |
eindrucksvollere Nase und eine angenehme, ruhige Stimme. | |
Comics im Allgemeinen - und im Speziellen die von Vehrs - mit Worten zu | |
beschreiben, ist eigentlich für die Katz und wahrscheinlich für alle | |
anderen Tiere gleich mit. Dennoch ein Versuch: Enjambements, mit dem | |
Programm "Paint" und einem einfachen Tablett am Computer gezeichnet, sind | |
Bildabfolgen, in denen offensiv hässlich dargestellte und grimmige Figuren | |
mal nachdenkliche Monologe in Supermärkten, mal absurde Dialoge führen. | |
Bevor er mit dem Web-Comic anfing, hatte Vehrs vorwiegend geschrieben. "Bei | |
Comics hat man eben eine Zeit-Ebene mehr", sagt er. "Man kann einfach zwei | |
Personen sich gegenüberstehen lassen, die nichts sagen und man hat eine | |
Pause. Man kann also quasi timen." Und das funktioniert: Wenn sich ein Bild | |
vom vorherigen nur in der schludrigen Kopie der Gesichter unterscheidet und | |
im nächsten einer Gedankenwolke nur "Hände abtrocknen" steht, dann ist das | |
bei Robin Vehrs ziemlich komisch. | |
## "Zeichnen ist einfach" | |
Mittlerweile sitzen wir in einem einigermaßen willkürlich ausgewählten Café | |
im Schanzenviertel. Vehrs testet beiläufig seinen Cappuccino. Ich soll | |
schreiben: "Souverän, als täte er es jeden Tag!" Mit Ausrufezeichen, der | |
Radikalität wegen. Mit seinen Strips zieht der Zeichner nicht zuletzt auch | |
gegen das spießbürgerliche Diktat der Virtuosität in die Schlacht. "Ich | |
wollte irgendwie auch beweisen, dass Comic-Zeichnen einfach ist." | |
Bei vielen Comics, auch bei vielen Witz-Comics, sagt er, gehe es den | |
Zeichnern mehr um die Technik als um die Wirkung. Er beschränkt sich | |
deshalb auf schlichte Software und souveräne Faulheit im Zeichenstil. Das | |
hat er ein bisschen bei den "ragetoons" abgeschaut, einer Spielart | |
amerikanischer Webcomics, die immer mit einem Bild einer horrorschreienden | |
Fratze enden. Ragetoons sind überhaupt nicht witzig, und Vehrs kann mit | |
ihnen auch nichts anfangen, außer eben mit ihrer Hässlichkeit und | |
Einfachheit. "Etwas, das unfreiwillig komisch wirkt, aber eigentlich | |
freiwillig komisch ist, das hat ja schon Max Goldt gesagt, das ist so das | |
höchste der Gefühle." | |
Inzwischen hat Enjambements 5.000 Besucher im Monat - Klicks, die | |
Relevanzwährung des Internets. Wir rätseln eine Weile, ob das viel ist. Und | |
ja, Robin Vehrs ist auch ein Kind der Blogosphäre - wenn auch ein | |
uneheliches. Er sagt, er wisse nicht, ob er überhaupt irgendwas machen | |
würde, ohne die Möglichkeit, es zu veröffentlichen. Es gibt immer mehr | |
Comic-Blogs, und alle zeichnen "Gastcomics" füreinander oder kommentieren | |
und, ahem, liken: Es sei fast wie bei den Mode-Blogs, sagt Vehrs: "Man | |
kommentiert sich, aber eigentlich nur, um selbst angeklickt und angeguckt | |
zu werden." | |
Sowieso: "Alle deutschen Comiczeichner sind ganz furchtbar. Ich war mal zum | |
Grillen eingeladen, aber als ich um neun gekommen bin, war keiner mehr da." | |
Den Hass-Zettel, den er an die Tür geklebt hat, hat keiner gefunden. Also | |
alle furchtbar. "Außer vielleicht die Neue Neue Frankfurter Schule." Bitte | |
wer? "Katz und Goldt, Rattelschneck." Die mag Vehrs, das zeigen auch seine | |
eigenen Zeichnungen. Aber er dreht das Rad noch mindestens drei Umdrehungen | |
weiter, und dem Alltag den Magen: "Man stellt sich ja oft sowas vor. Wenn | |
jemand ein kurzes Schnaps-Glas in der Hand hat, zum Beispiel, denkt man: | |
Was für ein kleines Glas. Aber was wäre, wenn alle Gläser so klein | |
hergestellt wären, dann wären normale Gläser absurd groß." | |
## Psychedelisches Fallen | |
Mit solchen Tagträumen fangen Vehrs Comics an, und am Ende sitzt man vor | |
dem Computer und lacht, weiß aber eigentlich gar nichts mehr. Vehrs hat | |
kein Skript, er fängt einfach oben an und guckt, was passiert. Aber so | |
psychedelisch die Figuren manchmal auch durch die Bilder fallen: Seine | |
Stories sind nicht nur neben der Spur und verdreht. Manchmal wirken die | |
Männchen auch weitab und verloren, wenn sie zum Beispiel frustriert vor | |
sich hinreden, als wäre noch jemand da. | |
Immer wieder gelingen Vehrs auch sehr kluge Antworten auf die | |
Tag-für-Tag-Geschmacksfragen: Zum Beispiel geißelt ein Comic, wie | |
schrecklich es ist, Filme mit dem Regisseurnachnamen zu benennen, wenn man | |
zum Beispiel sagt: "Der neue Allen-Film." Ich erbat, für solche Stilfragen, | |
Vehrs Handynummer. Im Hintergrund des Cafés wird "New Slang" gespielt, von | |
den Shins, und Vehrs muss ein bisschen lachen: Gerade erst zwei Tage zuvor | |
habe er "Garden State" gesehen, den Spielfilm zum Lied. "Solche Sachen | |
passieren mir in letzter Zeit dauernd." Zu allem Überfluss hat sich Vehrs | |
dabei auch noch sehr tragisch - und bis Redaktionsschluss sehr einseitig - | |
in Natalie Portman verliebt, die im Film tatsächlich zerreißend hinreißend | |
spielt. | |
Mit "Die tragische und einseitige Liebe zu Natalie Portman" ist auch einer | |
seiner neuen Comics untertitelt. Sind die also irgendwie auch ein Ventil, | |
eine Plattform für seine überbordenden, künstlermäßig-extremen Gefühle? | |
"Nö", sagt Vehrs, "das ist alles eher so aus Langeweile", dann reden wir | |
über Sternzeichen. Er ist Skorpion. | |
19 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Max Wallenhorst | |
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