# taz.de -- Museumsschiff fährt nach Helgoland: Der Charme der Langsamkeit | |
> Viele Jahre lag die "Elbe 1" an einer 250 Meter langen Ankerkette in der | |
> Elbmündung fest. Als Feuerschiff musste sie stur auf Position bleiben. | |
> Nun darf sie einmal im Monat nach Helgoland fahren - auch wenn das | |
> dauert. | |
Bild: Tuckern Richtung Helgoland: An Bord der "Elbe 1". | |
CUXHAVEN taz | Ganz Eilige erreichen Helgoland in etwa 25 Minuten - mit dem | |
Flugzeug. Wer von Cuxhaven aus den Katamaran nimmt, schafft es in etwas | |
mehr als einer Stunde. Die reguläre Fähre braucht immerhin schon | |
zweieinhalb Stunden. Bei einer Fahrt mit der "Elbe1" hingegen ist "der Weg | |
das Ziel", so die Eigenwerbung: Fünf Stunden hin und fünf Stunden zurück | |
dauert die Überfahrt mit dem außer Dienst gestellten Feuerschiff. Helgoland | |
selbst wird dabei fast zur Nebensache. | |
Pünktlich um 8.00 Uhr morgens legt die "Elbe 1" mit sechzig urlaubenden | |
Gästen vom Bollwerk "Alte Liebe" in Cuxhaven ab. Fast zwanzig Minuten | |
dauert das etwas mühselige Manöver, dann nimmt die wegen ihres knallroten | |
Anstriches sogenannte "Rote Lady" langsam Fahrt auf. | |
"Schneller" ruft ein Fünfjähriger vorn auf dem Peildeck, "schneller, | |
schneller!" Doch das Schiff fährt nicht schneller, warum auch? Vier lange | |
Jahrzehnte durfte sich das schwimmende Seezeichen überhaupt nicht bewegen, | |
sondern hatte unter allen Umständen exakt auf Position zu bleiben, nämlich | |
auf 54°0'00'' Nord, 8°10'40'' Ost. Dort wies es als schwimmender Leuchtturm | |
den Weg durch die Sandbänke der Elbmündung, wurde dabei so oft gerammt wie | |
kein anderes Feuerschiff von Schiffen, die den Begriff "Ansteuerungspunkt" | |
zu wörtlich genommen hatten, nämlich 50 Mal. Und schließlich am 22. April | |
1988 außer Dienst gestellt. | |
Die Ära der bemannten Feuerschiffe vor Deutschlands Küsten war damit zu | |
Ende, doch die "Elbe 1" hatte Glück. Sie kam nicht wie viele andere zum | |
Abwracker, sondern wurde von der Stadt Cuxhaven übernommen - mit der | |
Auflage, sie als nautisch-technisches Denkmal "in betriebsbereitem Zustand" | |
zu erhalten. Seit zehn Jahren kümmert sich darum ein Förderverein, der auch | |
die Tagesfahrten nach Helgoland ausrichtet. | |
Die Passagiere sitzen auf den Holzbänken, die zwischen den Aufbauten und | |
seitlich an der Gangbord angebrachte sind, auf herbeigeschafften | |
Plastikstühlen, auf Pollern und Holzkisten mit Rettungswesten. Bücher | |
werden hervorgeholt, Ferngläser ausgepackt. Camcorder und Fotoapparate | |
baumeln aufnahmebereit vor Männerbrüsten. Die "Bord- und Verzehrkarte" in | |
der Hand, verschwinden die Passagiere auf das Hinterdeck, um halbe Brötchen | |
und Kaffee oder das erste Bierchen zu holen. | |
Die "Elbe 1", 51 Meter lang, ist ein wirklich schönes, Aufsehen erregendes | |
Schiff. Außenhaut, Rettungsboote und Laternenmast sind rot, Lüftungsköpfe, | |
Spills und Nebelhornmast ockergelb, Ankerspill, Kette und Anker schwarz, | |
Aufbauten in weiß und der Rest grün gestrichen. | |
Mit sechs Knoten schaukelt sie über die Nordsee gen Helgoland, dicke Pötte | |
tauchen auf, denn die "Elbe 1" läuft bei Hochwasser aus, das die | |
Container-Giganten nutzen müssen, um überhaupt die Elbe nach Hamburg hinauf | |
zu kommen. Staunen bei den Passagieren, schnell noch ein Foto. | |
Es geht vorbei an der Küstenwache, einer Lotsenstation und Krabbenkuttern | |
mit ausgefahrenem Fanggeschirr, bis das Schiff seine einstige weit in die | |
Elbmündung vorgeschobene Position passiert. Hier wurde es am 9. November | |
1948 mit 18 Mann Besatzung erstmals ausgelegt, festgehalten von einem drei | |
Tonnen schweren Pilzanker an einer 250 Meter langen Ankerkette. | |
Es ist sommerlich warm und es riecht nach Farbe, Sonnencreme, | |
Schiffsdiesel. Und nach gebratenem Speck. Crewmitglied Detlef Hoya steht | |
schwitzend in der Kombüse und bereitet das Mittagessen vor: Eine deftige | |
Schnippelbohnensuppe mit Bockwürstchen, rechtzeitig vorm Einlaufen in | |
Helgoland wird sie fertig sein. Acht Jahre war Detlef bei der Marine, | |
seitdem kann er "von der Seefahrerei nicht lassen", sagt er. Wie die | |
anderen Crewmitglieder trägt er ein rotes "Feuerschiff"-Dress. | |
Auch einige Kapitäne gehören dem Förderverein an, gerade heute steuert | |
Holger Bullmann aus Helgoland das Schiff und bugsiert es sicher auch ohne | |
Seitenstrahlruder an die Ostmole des Inselhafens. Das mitunter zweifelhafte | |
Vergnügen des Ausbootens mit Helgolands Börtebooten unterbleibt bei einer | |
Anreise mit dem Feuerschiff, vier Stunden lang macht die "Elbe 1" nahe der | |
bunten Hummerbuden fest. | |
Das Ablegen am späten Nachmittag bedarf einiger Schlepper-Unterstützung | |
durch ein hier liegendes Schiff der "Deutschen Gesellschaft zur Rettung | |
Schiffbrüchiger", dann tuckert die "Elbe 1" in der Abendsonne zurück nach | |
Cuxhaven. Für diejenigen, die vom vielen Treppensteigen und Tütentragen auf | |
der "Roten Insel" noch nicht müde sind, gibt es jetzt einen Rundgang durch | |
die maritime Welt der 50er Jahre: Funkraum, Offiziersmesse, Unterkünfte. | |
Wochenlang musste es die Crew des Feuerschiffs in dieser schaukelnden Enge | |
aushalten. | |
Als die letzten Nackensteaks und Bratwürste vom Grill verkauft, die | |
Strichlisten der Verzehrkarten abgerechnet sind, taucht Cuxhaven wieder | |
auf. "Achtung", ruft jemand von der Brücke, die ersten halten sich die | |
Ohren zu. Das gewaltige Nebelhorn der "Elbe 1" dröhnt, es kündigt die | |
Rückkehr zum Liegeplatz an. Ein ebenfalls heimkehrendes Ausflugsschiff | |
antwortet etwas kläglich. "Lächerlich" entfährt es Crewmitglied Kuddel, | |
"lächerlich". | |
Bei Dunkelheit liegt das Schiff fest verzurrt an der Pier. 14 Stunden hat | |
die Helgolandfahrt gedauert. In vier Wochen darf es wieder los. | |
20 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Bernd Ellerbrock | |
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