# taz.de -- Tour de France: Ferner radelten | |
> Der beste Deutsche beendet die Tour de France auf Platz 44: Tony Martin, | |
> Zeitfahrsieger vom Samstag. Ein besserer Platz im Gesamtklassement wäre | |
> ihm lieber gewesen. | |
Bild: Schneller Alleinfahrer: Tony Martin. | |
PARIS taz | Tony Martin liegt am Boden. Der deutsche Profi hat sich beim | |
Zeitfahren in Grenoble total verausgabt und kauert keuchend auf dem | |
Asphalt. Er hat zwar gerade eine Etappe gewonnen, aber in der Gesamtwertung | |
ist er nur auf Platz 44 gelandet, mit 1:30:20 Stunde Rückstand auf | |
Tour-Sieger Cadel Evans aus Australien. Die Bilanz der Tour fällt | |
zwiespältig aus deutscher Sicht aus. "Mit diesem Zeitfahrsieg habe ich | |
meine Tour gerettet", stößt Martin hervor. Bemerkenswert ist seine | |
Selbstkritik im nächsten Satz. "Ein achter Platz im Gesamtklassement wäre | |
mir lieber als der Sieg im Zeitfahren hier. Denn dass ich gut Zeitfahren | |
kann, das weiß ich. Ich habe an meinen Fähigkeiten als Rundfahrer | |
gearbeitet. Warum ich das hier nicht zeigen konnte, müssen wir später | |
analysieren", sagt Martin der taz. | |
Der 26-Jährige war mit großen Ambitionen in die Tour de France gestartet. | |
"Wir peilen einen Platz in den Top Ten an", tönte sein Sportdirektor Rolf | |
Aldag vor der großen Schleife. Als er vor den Pyrenäen nur eine Sekunde | |
hinter dem Fünften, dem späteren Tour-Zweiten Andy Schleck, lag, strahlte | |
Aldag noch: "Gut ist, wenn man so früh schon auf dem Platz liegt, den man | |
haben will." Doch dann kam der Einbruch in den Pyrenäen. "Er war von einer | |
Erkältung behindert, aber das allein erklärt es auch nicht. Wir wissen | |
nicht, woran es lag", sagt Aldag ratlos. | |
Wie seinem Schützling Martin erging es auch dem Sprintspezialisten André | |
Greipel. Der Mann von der Waterkant konnte sich zwar seinen Knabentraum | |
erfüllen und einen Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt holen. Doch zu | |
einem echten Zweikampf mit seinem Kontrahenten Cavendish reichte es nicht. | |
Einmal gewann er das direkte Duell, zwei Mal zog er knapp den Kürzeren. | |
Zwei weitere Male kam er gar nicht in den Endkampf. Das 1:4 aus seiner | |
Sicht - der noch ausstehende Sprint auf den Champs-Élysées wird die Bilanz | |
nicht groß ändern - belegt, dass Cavendish zumindest im HTC-Gesamtpaket | |
noch immer eine Klasse besser ist als Greipel bei Omega und dass der | |
gebürtige Rostocker sich nur zum dahinter kurbelnden Kreis der fünf, sechs | |
Sprinter zählen darf, die "Cav" an einem Tag zusetzen können. Zahlenmäßig | |
lief es für den deutschen Radsport eigentlich nicht schlecht. | |
## Magere 2011er-Bilanz | |
Mehr als einen Etappensieg gab es seit 2008 nicht mehr. Angesichts der | |
nachgewiesenen Dopingbilanz von Stefan Schumacher sind die allerdings kein | |
Anlass zu übergroßem Stolz. Dass die 2011er-Bilanz dennoch mager wirkt, | |
liegt daran, dass man im Gesamtklassement bis zu Tony Martins 44. Platz | |
blättern muss, um auf den ersten Deutschen zu treffen. | |
"Damit Radsport in Deutschland wahrgenommen wird, muss es schon einer unter | |
die besten 10 schaffen. Er muss in den Bergen in der ersten Gruppe und | |
damit lange im Fernsehen sein. Dann erwacht auch in Deutschland wieder das | |
Interesse an der Tour und am Radsport selbst", sagt Christian Henn. Der | |
frühere sportliche Leiter von Gerolsteiner und Milram war als VIP-Betreuer | |
für Skoda zwei Tage bei der Tour de France. Gute Chancen für einen | |
deutschen Sponsoreneinstieg sieht er erst bei einem Fahrer mit | |
Klassementchancen. Und da sieht es zurzeit eben mau aus. | |
Neben Martin durfte sich nur Andreas Klöden begründete Aussichten auf die | |
Top Ten machen. Doch Stürze auf der neunten und zwölften Etappe zwangen ihn | |
zur Aufgabe. Mit Linus Gerdemann hat ein früheres Großtalent jetzt seine | |
Bestimmung als Helfer für die Schlecks gefunden - und konnte dort bei | |
Weitem nicht so überzeugen wie der alte Recke Jens Voigt. Eine engagierte, | |
aber nicht von Ergebnissen gekrönte Tour fuhr Petacchi-Anfahrer Danilo | |
Hondo. Einen gelben Streifen ans Trikot kann sich immerhin Evans-Helfer | |
Marcus Burghardt nähen lassen. | |
Dass die Deutschen trotz einer vermeintlichen Tendenz zu mehr Sauberkeit im | |
Peloton im Klassement nicht vorn platziert sind, liegt daran, dass aus dem | |
dafür geeigneten Trio der eine taktisch eine andere Rolle zugewiesen bekam | |
(Gerdemann), der zweite stürzte (Klöden) und der dritte (Martin) selbst | |
nicht weiß, wie ihm geschah. | |
Dass die gute Performance der anderen - Voigt, Hondo, Burghardt, der famose | |
Greipel-Helfer Sieberg - kaum wahrgenommen wird, liegt an der Fixierung | |
aufs Gesamtklassement. Wer sauberen Radsport will, muss sich davon lösen | |
und Leistungen differenzieren lernen. | |
24 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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