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# taz.de -- Korruptionsskandal im türkischen Fußball: "Uns kriegt niemand kle…
> Die Fenerbahce-Fans sehen ihren Klub zunehmend in der Opferrolle.
> Staatspräsident Erdogan, bekennender Fener-Fan, inszeniert sich in dem
> Skandal als Saubermann.
Bild: Fenerbahce-Fans sind einiges gewöhnt. Bei dieser Demo im Juli 2011 wurde…
"Was auch passiert, wir stehen wie ein Mann hinter dir!", heißt es in
Sprechchören und auf Plakaten in der beachtlichen Menschenmenge, die immer
wieder vor dem Metris-Staatsgefängnis in Istanbul protestiert.
Auf einem Banner wird gedichtet: "Wenn unsere Köpfe schon in den Schlingen
wären und wir würden nach unseren letzten Worten gefragt - es wäre nur
,Fenerbahce'."
Der mit so viel Herzblut Unterstützte ist Aziz Yildirim, Präsident des
aktuellen türkischen Meisters. Der 58-Jährige steht im Mittelpunkt des
Manipulationsskandals, der die "Süper Lig" in diesen Tagen in Atem hält und
auch andere Vereine betrifft: Vizemeister Trabzonspor, Pokalsieger Besiktas
Istanbul, Eskisehirspor, Istanbul BB, Sivasspor und Ankaragücü. Erst vor
wenigen Tagen hat der türkische Verband den Start der kommenden Spielzeit
auf den 9. September verschoben. Die jüngst gewährte Einsicht in das
Beweismaterial der Justiz soll die Urteilsfindung durch das Sportgericht
vorantreiben.
## Gekaufter Titel?
Yildirim, seit 1998 an der Spitze von Fenerbahce, soll seinem Verein durch
Spielabsprachen und Bestechung zur 18. Meisterschaft in diesem Jahr
verholfen haben. Seit dem 3. Juli sitzt der Bauunternehmer in
Untersuchungshaft, unterbrochen von ein paar medienwirksamen
Krankenhausaufenthalten zur Behandlung von Diabetes und Herzbeschwerden.
Ausschlaggebend für seine Verhaftung war Kommissar Zufall: Im Zuge
abgehörter Unterhaltungen von Mitgliedern der türkischen Mafia schnappten
die Ermittler unabsichtlich auch ein Telefongespräch des Klubchefs auf.
Viele Fans der "Kanarienvögel" ergehen sich seitdem in abstrusen
Verschwörungstheorien. Die Presse führe eine Kampagne, und überhaupt sei
alles und jeder gegen den in den letzten Jahren erfolgreichsten Klub des
Landes. Vergangenen Donnerstag entlud sich die Wut der "Fener"-Fans erneut:
Das Testspiel ihres Lieblingsklubs gegen Schachtjor Donezk nutzen sich zu
einem Platzsturm. Sie liefen nach einer knappen Stunde in Massen auf das
Spielfeld im Sükrü-Saracoglu-Stadion und erzwangen den Abbruch der Partie.
"Uns kriegt niemand klein", sangen die Anhänger. Sie rollten monströse
Banner aus, trugen Masken mit dem Konterfei ihres Helden. Das alles geschah
aus Solidarität mit Yildirim.
## Kritiker des Präsidenten: "Rücktritt jetzt!"
Im Gegenzug haben Kritiker ihres inhaftierten Präsidenten eine
Internetseite aufgebaut, die fordert: "Genug ist genug! Rücktritt jetzt!"
Knapp 22.000 Mitstreiter haben sich online bereits registriert. In der
medialen Öffentlichkeit indes ist keine Uneinigkeit im Urteil über die
Enthüllungen ersichtlich: "Ich ziehe meinen Hut vor denen, die hier so
großartig ermittelt haben", sagt TV-Experte und Kolumnist Erman Toroglu,
früher selbst aktiver Spieler. "Ich bin seit 50 Jahren im Geschäft, und
dies ist das erste Mal, dass so vehement aufgeräumt wird. Dieser
Reinigungsprozess ist das Beste, was unserem Sport passieren kann." Auch
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich eingeschaltet: "Es liegt
mir am Herzen, dass dieses Problem so schnell und vehement wie möglich
gelöst wird."
Für Erdogan, den bekennenden "Fener"-Fan, ist es eine Möglichkeit, sich als
Saubermann zu stilisieren: gradlinig, korrekt, transparent - gewissermaßen
europäisch. Ohne die Zustimmung des Regierungschefs wäre es nicht zu den
Verhaftungen gekommen, heißt es. Keine schützende Hand mehr, die über das
ungezogene Kind Fußball gehalten wird. Erdogan liebt das große Wort, weiß
populäre Sätze zu sprechen. "Wir sind noch lange nicht an der Wurzel des
Skandals angekommen", befürchtet der 57-Jährige. "Ich hoffe nur, dass die
Türkei durch diese Enthüllungen international keinen Schaden nimmt. Es ist
ein Fleck auf unserer Weste, und es wird Jahre dauern, ihn zu entfernen. Es
geht um unsere Glaubwürdigkeit, wir müssen zusammenhalten", sagt er.
Die meisten Fenerbahce-Fans sehen das ein bisschen anders.
27 Jul 2011
## AUTOREN
David-Emanuel Digili
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