# taz.de -- 19. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: "Der kommende Krieg wird har… | |
> Als Ruandas Armee 2009 im Kongo die FDLR bekämpfte, erörterte Präsident | |
> Murwanashyaka, direkt aus Deutschland mit seinen Einheiten im Busch zu | |
> kommunizieren. | |
Bild: Kongolesische Soldaten im Einsatz gemeinsam mit Ruanda gegen die FDLR im … | |
STUTTGART taz | Als Ende Januar 2009 die gemeinsame ruandisch-kongolesische | |
Armeeoffensive "Umoja Wetu" gegen Stellungen der ruandischen Hutu-Miliz | |
FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Osten der | |
Demokratischen Republik Kongo ihren Höhepunkt erreichte, berieten | |
FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und sein Erster Vizepräsident Straton | |
Musoni in Deutschland intensiv über die Konsequenzen. | |
Diese abgehörten Telefonate zwischen den beiden Angeklagten im | |
Kriegsverbrecherprozess vor dem OLG Stuttgart standen im Mittelpunkt des | |
Verhandlungstages 27. Juli 2011. Es soll belegt werden, dass die beiden | |
Angeklagten intensiv miteinander über die politische Entwicklung sprachen - | |
und dass FDLR-Präsident Murwanashyaka direkt mit FDLR-Einheiten im Feld | |
kommunizierte. | |
Aufschlussreich ist, dass die FDLR-Führung sofort nach Beginn von "Umoja | |
Wetu" darauf setzte, in Reaktion auf Ruandas Einmarsch im Kongo zur | |
Unterstützung der kongolesischen Armee würden sich für die FDLR Chancen in | |
Ruanda öffnen. "Der kommende Krieg wird hart" sagte Murwanashyaka am 25. | |
Januar 2009, dem ersten Sonntag nach Einrücken der ruandischen | |
Regierungssoldaten im Kongo, Musoni am Telefon. | |
"Sie werden viele Soldaten schicken. Aber warte mal, du wirst hören, was | |
die nächsten Monate in Ruanda passiert." Musoni berichtet Murwanashyaka von | |
Gesprächen mit Kontakten vor Ort, wonach "fast alle Soldaten die Region von | |
Kigali (Ruandas Hauptstadt) verlassen haben (...) Da sind keine Soldaten | |
mehr". | |
Musoni geht davon aus, dass Ruanda 25.000 bis 30.000 Mann - den Großteil | |
seiner Armee - in den Kongo schicken will; dazu kam es allerdings nie. | |
Musonis Kontaktmann habe gesagt, "das Ziel sei, dass sie nicht wollen, dass | |
Krieg auf ruandischem Boden stattfindet. Deshalb schicken sie fast die | |
ganze Armee. Das müssen wir wissen." | |
Ruanda habe auch nicht nur in Nord-Kivu eingeifen wollen, sondern auch in | |
Süd-Kivu, das habe aber unter anderem die UN-Mission Monuc verhindert, so | |
Musoni: "Es gibt welche, die von Süden überqueren wollen nach Bukavu in | |
Süd-Kivu. Sie haben ein kleines Problem gehabt. Sie hatten keine Erlaubnis, | |
zu überqueren. Man sagt auch, dass Monuc sich eingemischt hat." | |
Murwanashyaka und Musoni sprechen in dem Gespräch auch über dringend | |
benötigtes Geld, um Gebühren für Gespräche per Thuraya-Satellitentelefon | |
bezahlen zu können - das einzige Kontaktmittel mit FDLR-Truppen im | |
kongolesischen Busch. Musoni mahnt zur Vorsicht: "Man muss sehen, wie man | |
diese Kommunikationsmittel benutzt. Es muss bestimmte Zeiten geben, wo sie | |
anmachen sollen. Nicht jede Minute. Man muss ihnen sagen, die müssen nicht | |
die ganze Zeit anbleiben." | |
Murwanashyaka stimmt zu: "Ich werde nicht mehr mit dem Oberkommando der | |
FOCA (Forces Combattantes Abacunguzi - bewaffneter Arm der FDLR) reden, | |
sondern direkt mit den Einheiten. Es wäre sonst zu gefährlich." Musoni ist | |
derselben Meinung: "FOCA-Kommandeure dürfen nicht mehr Telefon anmachen. | |
Sie sollen woanders hingehen und das Telefon für zwei Wochen ausmachen. Wir | |
wissen dann, dass wir sie nicht erreichen können. Die Einheiten wissen | |
dann, wie sie mit ihnen kommunizieren können." Murwanashyaka sagt: "Ich | |
berate mich direkt mit den kämpfenden Einheiten. Es ist nicht nötig, mit | |
dem Oberkommando zu sprechen." | |
Angst haben die beiden vor möglichen Attentaten gegen FDLR-Militärführer | |
vor Ort. Bezug wird genommen auf Versuche, den im Kongo kämpfenden | |
ugandischen Rebellenführer Joseph Kony umzubringen. "Wir müssen aufpassen, | |
sonst werden wir viele Leute verlieren", sagt Murwanashyaka. Musoni: "Sag | |
ihnen, sie sollen ihre Geräte ausschalten." Besprochen wird auch die | |
Umsiedlung der von Deutschland aus betriebenen FDLR-Homepage für den Fall, | |
dass sie "in Saarbrücken gesperrt wird", so Musoni. | |
Drei Tage später, am 28. Januar 2009, sprechen die beiden nochmal. Der | |
Krieg im Ostkongo ist in vollem Gange. "Die Sachen sind auf dem Terrain | |
schlimmer geworden. Wir müssen härtere Kämpfe in den nächsten Tagen | |
erwarten", berichtet Murwanashyaka. "Kibua (FDLR-Hauptquartier in | |
Nord-Kivu) wurde heute morgen evakuiert. (...) Ich warte auf eine | |
Nachricht, die bestätigt, ob der Vizekommandeur der Reservebrigade, die | |
normalerweise in der Nähe von Kibua arbeitet, dass er vielleicht in den | |
Kämpfen gestorben ist." Der Tod von FDLR-Vizebrigadekommandeur Oberst | |
Anaclet Hitimana wurde später bestätigt. | |
Musoni berichtet, er habe gehört, Hubschrauber und sogar ein MiG-Kampfjet | |
mit russischen Piloten seien unterwegs. "Einige werden auch Hunde bringen, | |
damit sie aufspüren können, wo Menschen sich verstecken", meint er. | |
Als Propagandamittel setzen die FDLR-Führer weiter auf die ruandische | |
Heimatfront: wenn Ruandas Armee Soldaten im Kampf verliert, könnte die FDLR | |
dies ausschlachten. "Wenn wir nur eine Person von ihnen kennen, die | |
gestorben ist, müssen wir es sofort veröffentlichen", fordert Musoni. Wenn | |
es eine sichere Identifikation eines Gefallenen gebe, "damit können wir die | |
anderen demotivieren", so Musoni, "die, die gegen ihren Willen in den Krieg | |
gebracht wurden". Murwanashyaka ist einverstanden: "Die muss man anrufen | |
oder ihnen schreiben. Man soll ihnen sagen: Verlasst die Seite unseres | |
Feindes. Wir empfangen euch." Musoni bestätigt: "Wir müssen alles machen, | |
damit die Leute, die gekommen sind, um gegen uns zu kämpfen, zu uns | |
kommen". | |
Tatsächlich geschieht das Gegenteil: Nicht ruandische Soldaten desertieren | |
zur FDLR, sondern FDLR-Kämpfer gehen massenweise nach Ruanda zurück. | |
Darüber sind Murwanashyaka und Musoni in einem dritten Gespräch am 5. | |
Februar 2009 verblüfft. "Ich wollte dich auch fragen, was ich in den | |
Nachrichten höre, dass 300 Flüchtilnge nach Hause zurückkehren. Hast du das | |
bekommen?" fragt Musoni. "Das habe ich nicht bekommen", antwortet | |
Murwanashyaka. "Es geht um die Rückkehr von Flüchtlingen und Soldaten", | |
präzisiert Musoni. "Wie sieht die Rückkehr der Soldaten und Flüchtlinge | |
aus? Ich habe keine Idee von unserer Position." Murwanashyaka auch nicht: | |
"Ich habe keine Nachricht darüber, dass es 300 Personen sind, die | |
zurückkehren". | |
Dieses Gespräch wurde nur zum Teil verlesen und soll am nächsten | |
Verhandlungstag komplett eingebracht werden. Der Prozess wird am 2. August | |
fortgesetzt. | |
Redaktion: Dominic Johnson | |
28 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Bianca Schmolze | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
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