# taz.de -- Oldenburg trotzt HSV im DFB-Pokal: Feiertag in der Aushilfshölle | |
> Die große Fußballwelt machte Station in Oldenburg. Es galt, diesen Tag zu | |
> zelebrieren, auch wenn der VfB Oldenburg damit rechnete, vom HSV heftig | |
> abgeklatscht zu werden. | |
Bild: Freuten sich im vollen Marschwegstadion: Mladen Petric, Heiko Westermann … | |
OLDENBURG taz | Zumindest für einen Tag würde die große weite Fußballwelt | |
Station in Oldenburg machen - diese Grundhaltung war in der | |
160.000-Einwohner-Stadt seit Wochen spürbar. Fußballerisch hat sie schon | |
bessere, ruhmreichere, ach was: glorreiche Zeiten erlebt - auch das ist in | |
Oldenburg spürbar, und zwar nahezu ständig. | |
Dass es vielleicht in wenigen Wochen zu einem zweiten solchen | |
Fußballfeiertag - der zweiten Runde im DFB-Pokal - kommen könnte, damit | |
rechnete niemand: Gegner war immerhin der Hamburger SV, und so groß die | |
Freude über das Los auch war - kein anderes hätte schöner sein können, mit | |
Ausnahme vielleicht von Werder Bremen -, nahezu jeder Oldenburger erwartete | |
eine mittelschwere bis deftige Klatsche. Es galt also, diesen einen Tag so | |
weit wie möglich zu zelebrieren. Wer weiß, wann der nächste kommt. | |
Die Kapazität des städtischen Marschwegstadions, das zurzeit saniert wird, | |
wurde mit einer Zusatztribüne um rund 500 Plätze auf 15.552 erhöht, die | |
Bauarbeiten eigens für das Spiel unterbrochen, die Tickets waren innerhalb | |
von 48 Stunden ausverkauft. Ein Wurstfabrikant wurde als Sponsor für dieses | |
eine Spiel der Spiele gewonnen, der Verein lobte eine Prämie von 30.000 | |
Euro für den nicht erwarteten Sieg aus, die Faninitiative ließ extra | |
DFB-Pokal-Schals und -Trikots herstellen. Tage vor dem Anpfiff beschallte | |
der Soundcheck im Stadion das gesamte Viertel mit "The Final Countdown", | |
vor den Eingängen siedelten sich Bier- und Imbisswagen in ungewohnter Zahl | |
an. Es war "fast wie früher" - ein Satz, den man an diesem Tag häufiger | |
hörte. | |
Der VfB Oldenburg ist ein Verein, der arm an Titeln, aber reich an Tragik | |
ist. Und die Grundstimmung eines Gesprächs mit alteingesessenen Fans ist | |
Wehmut. Beinahe, so wird jeder Neu-Oldenburger sogleich instruiert, wenn es | |
um das Thema Fußball geht, beinahe wäre der VfB einmal in die Bundesliga | |
aufgestiegen. 1992 war das, St. Pauli hätte dafür am letzten Spieltag gegen | |
Uerdingen gewinnen müssen, ein Törchen hätte gereicht, aber es hat nicht | |
sollen sein. In der nächsten Saison stieg der VfB ab, am Wiederaufstieg | |
scheiterte er mehrfach nur knapp. Später folgte ein Insolvenzverfahren, und | |
2004, als die Oberligen Niedersachsen/Bremen und Hamburg/Schleswig-Holstein | |
zusammengelegt wurden, fehlten dem Club nur zwei Punkte, um wenigstens die | |
Viertklassigkeit zu halten. | |
Seither dümpelt der Verein in Liga Fünf herum, zwar nicht erfolglos - vor | |
allem die Jugendarbeit kann sich sehen lassen -, aber mit dem Aufstieg will | |
es seit Jahren nicht klappen. Die Kulisse im Marschwegstadion wirkt oft | |
trostlos, nur selten verlaufen sich mehr als 2.000 Fans in die ungeliebte, | |
auf einer ehemaligen Müllkippe errichtete Leichtathletikarena. Auch in | |
diesem Punkt war, fragt man Fans, die sich noch daran erinnern können, | |
früher alles besser: als der Verein noch in seinem eigenen Donnerschweer | |
Stadion antrat, einer klassischen Backstein-Kampfbahn, der "Hölle des | |
Nordens". Dort wurden die großen Fußballfeste gefeiert, dort gab es keine | |
Tartanbahn, dort schlug der VfB einmal den HSV mit 1:0. 1990 musste der | |
Verein das Stadion verkaufen, es lag brach, diente als Bolzplatz für die | |
Bunte Liga und als Unterkunft für Punks. Heute stehen an seiner Stelle zwei | |
Supermärkte. Ein weiteres tragisches Moment der Oldenburger | |
Fußballgeschichte. Es dürfte nicht viele Fußballstadien geben, denen ein | |
eigenes Theaterstück gewidmet ist - die "Hölle des Nordens" hat eines. | |
An diesem besonderen Tag im Jahr 2011 aber, dem Pokaltag, ist das | |
Marschwegstadion voll und die Stimmung gut. Die Zusatztribüne schließt | |
optisch das Stadionoval, normalerweise gibt es an der Nordkurve nur | |
Erdwälle. Zwar kommt die Lautstärke vor allem aus der HSV-Kurve, wo sich | |
scheinbar auch die einzige Trommel befindet, und das Oldenburger Publikum | |
kommt trotz der großartigen Leistung ihres Teams nur zögerlich aus der | |
Reserve. Es wirkt, als könnten sie nicht richtig fassen, was da auf dem | |
Rasen vor sich geht, wo ihre Elf dem großen HSV ein knappes 1:2 abtrotzt, | |
es wirkt, als hätten sie verlernt, wie man Fußball feiert. Es ist eben | |
schon lange her. | |
31 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Maik Nolte | |
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