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# taz.de -- Schwules Paar über das Gelingen einer Ehe: "Ätsch, wir können es…
> Heute jährt sich das Lebenspartnerschaftsgesetz zum zehnten Mal: Fred und
> Thomas Rikkers gehören zu den ersten homosexuellen Paaren, die am 1.
> August 2001 in Hamburg geheiratet haben.
Bild: Gleicher Name, gleiches Geschlecht: Thomas (links) und Fred Rikkers sind …
taz: Heute vor zehn Jahren haben Sie als eines der deutschlandweit ersten
homosexuellen Paare in Hamburg-Altona geheiratet. In welchen Klamotten?
Fred Rikkers: Wir trugen beide schwarze Lederhosen. Wir wollten heiraten,
wie wir uns wohlfühlen. Im Anzug zu heiraten, wäre für uns nicht in Frage
gekommen.
Thomas Rikkers: Im Anzug? Eine richtige Horrorvorstellung. Das machen ja
alle so. Sicherlich war auch eine Portion Rebellion dabei. Aber wir tragen
nun mal gerne Lederfetisch-Klamotten, das wollten wir nicht verheimlichen.
Aber Ringe haben Sie schon getauscht?
Fred: Ja, abgesehen von unserer Kleidung war die Prozedur eigentlich ganz
klassisch.
Thomas: Mit Ringen, mit dem Hochzeitskuss - so, wie es sich gehört.
An diesem Tag schwebten Sie sicherlich im siebten Himmel.
Thomas: Schon, aber es gab dann auch einen bedauerlichen Zwischenfall, der
uns knallhart auf den Boden zurückgeholt hat.
Was ist passiert?
Thomas: Auf dem Rathausplatz, wir waren auf dem Weg zum Senatsempfang, trat
ein älterer Herr auf uns zu. Einer, der aus der Kriegszeit übrig geblieben
ist. Fadengerade sagte er uns ins Gesicht: "So was wie euch hätte man
früher vergast." Da bleibt einem erst einmal die Spucke weg, eine passende
Reaktion fällt einem nicht ein. Das hat mich tief getroffen, das war ein
richtiger Schlag unter die Gürtellinie.
Das war vor zehn Jahren. Hat sich denn die Akzeptanz für Homosexuelle
mittlerweile gebessert?
Thomas: Noch sind wir weit davon entfernt, von Normalität sprechen zu
können. Immer wieder passiert es, dass wir angepöbelt werden, wenn wir
abends durch die Stadt spazieren oder mit der U-Bahn fahren.
Fred: Ich reagiere da gar nicht drauf, das geht bei mir beim einen Ohr rein
und beim anderen wieder raus.
Thomas: Mir fällt es schwerer, in solchen Situationen ruhig zu bleiben. Ich
habe das Gefühl, dass diese anti-schwule Gewalt in letzter Zeit sogar eher
wieder zugenommen hat.
Welche Sprüche müssen Sie sich anhören?
Thomas: "Schwule Sau" ist Standard. Die Jugendlichen sind ja die großen
Macker, wenn sie ein bisschen alkoholisiert sind. Dann halten sie sich für
die Größten. In St. Georg ist es besonders schlimm.
Wie fielen denn die Reaktionen auf Ihre Heirat aus?
Thomas: Insgesamt erfreulich positiv, vor allem auch in den Medien.
Plötzlich aber hatten wir Post im Briefkasten, von jemandem, der uns im
Fernsehen gesehen haben muss: eine Morddrohung, natürlich anonym. Das war
ein erneuter Tritt gegen das Schienbein.
Von "Ehe" zu sprechen ist ja eigentlich nicht ganz korrekt. Offiziell wird
Ihre Beziehung "Eingetragene Lebenspartnerschaft" genannt. Weshalb
eigentlich?
Thomas: Schuld daran trägt die Kirche, deshalb bin ich dann auch
ausgetreten. Die Kirche hat festgelegt: Ehe nur zwischen Mann und Frau.
Weil wir biologisch keine Nachkommen zeugen können, müsse unser Ding anders
heißen. Da hat man sich dieses Wortungetüm ausgedacht: "Eingetragene
Lebenspartnerschaft". Ein völlig inakzeptabler Kompromiss, denn wir leben
ja genau gleich wie in einer "normalen" Ehe zwischen Mann und Frau.
Vermissen Sie den Rückhalt aus der Politik?
Fred: Die ganze Gesellschaft muss sich wandeln. Aber es stimmt, auch die
Politiker müssten ihren Hintern in Bewegung setzen. In der CDU zum Beispiel
ist in den letzten zehn Jahren kaum etwas passiert, auch wenn es in dieser
Partei homosexuelle Politiker gibt. Aber Schwule gibt es ja sogar in der
NPD.
Seit einiger Zeit hat Deutschland einen schwulen Außenminister. Hat der den
Rechten von Homosexuellen etwas gebracht?
Thomas: Definitiv nicht. Guido Westerwelle hat unseren Interessen sogar
eher geschadet. Wenn man ihn als Gradmesser nimmt, könnte man ja meinen,
Schwule und Lesben nicht ernst nehmen zu müssen. Genauso schlecht verkauft
hat sich übrigens der Hamburger Alt-Bürgermeister Ole von Beust. Für eine
so offene Stadt wie Hamburg ist es ein Trauerspiel, dass er nie öffentlich
Position bezogen hat. Der hätte seinen Arsch in der Hose haben und
klarstellen müssen: Ja, ich bin schwul, und es ist gut so. Stattdessen ließ
er sich von seinem Vater outen. Das war nur noch peinlich.
Im Lebenspartnerschaftsgesetz, das vor zehn Jahren in Kraft trat, heißt es:
"Sie tragen füreinander Verantwortung." Wie kommen Sie dieser Verantwortung
nach?
Fred: Einerseits bedeutet das, für den anderen finanzielle Verantwortung zu
übernehmen. Thomas ist vor kurzem gekündigt worden, jetzt ist er
krankgeschrieben. Da muss man zusammenhalten.
Thomas: Dazu kommt natürlich das Zwischenmenschliche, dass man sich
gegenseitig trägt. Im vergangenen Jahr hatte ich psychische Probleme; ich
weiß nicht, was geschehen wäre, wenn ich Fred nicht gehabt hätte. Seine
emotionale Bindung hat mich möglicherweise vor einer Kurzschlusshandlung
bewahrt.
Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?
Thomas: Das war auf einer Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes vor
13 Jahren, am 17. Januar 1998. Fred ist als Letzter gekommen, viel zu spät,
wie er es gerne tut. Er ist mir zwar schon aufgefallen, aber ich hab mich
mit einem anderen Mann verabredet, um am nächsten Abend in ein Szenelokal
zu gehen. Fred hat das gehört - und ist dann ebenfalls aufgekreuzt.
Und dann hat es gleich zwischen Ihnen gefunkt?
Thomas: Eigentlich war ich zu dieser Zeit nicht bereit, mich zu verlieben.
Ich hatte mich gerade erst von meinem damaligen Partner getrennt und wollte
erst einmal die Freiheit genießen. Aber Fred hat es einfach geschickt
angestellt: Ich habe bei ihm übernachtet, er musste aber früh zur Arbeit.
Er hat mir seinen Wohnungsschlüssel in die Hand gedrückt und mich ermutigt,
mich umzudrehen und weiterzuschlafen. So hat er mir signalisiert: Bleib mal
hier, du bist erwünscht!
Und bald waren Sie ein Herz und eine Seele?
Thomas: Fred hat ein Problem, er ist HIV-positiv. Das hat er mir drei
Wochen, nachdem wir uns kennengelernt haben, erzählt - ganz vorsichtig, mit
fragendem Blick: Na, stehst du jetzt auf und gehst? Ich bin geblieben. Dass
er mich so rasch in sein Geheimnis eingeweiht hat, zeigte mir, dass schon
ein tiefes Vertrauen da war. Unsere Beziehung hat das weitergebracht.
Nach drei Jahren haben Sie geheiratet. Aber warum eigentlich gleich am
erstmöglichen Tag?
Fred: Alles war enorm kurzfristig. 13 Tage zuvor wies das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Beschwerden der Bundesländer
Bayern und Sachsen ab und gab grünes Licht.
Thomas: Drei Minuten nach der Urteilsverkündung klingelte bei uns das
Telefon, und Politiker, die sich für Schwulen-Rechte eingesetzt hatten,
sagten: "So Mädels, ihr habt 13 Tage Zeit - am 1. August seid ihr fällig!"
Fred: Es war für uns klar, dass wir am ersten Tag heiraten wollten. Es war
wichtig, ein für die Öffentlichkeit möglichst starkes Zeichen zu setzen.
Mit der Massentrauung in Altona ist uns dies gelungen.
Gibt es keine logistischen Probleme, wenn man eine Hochzeit in nicht einmal
zwei Wochen zu organisieren hat?
Thomas: Doch, und zwar vor allem, weil wir unsere Mütter als Trauzeugen
gewinnen wollten. Die hatten Jahre zuvor aber schon enorme Schwierigkeiten,
unsere Homosexualität zu akzeptieren. Beide hatten wir jahrelang keinen
Kontakt mit unseren Eltern. Und so brauchte es eine gehörige Portion
Überredungskunst.
Fred: Meine Großmutter zwang meine Mutter, überhaupt nach Hamburg zu
reisen. Dass sie sogar Trauzeugin sein würde, habe ich ihr nicht gesagt.
Die Standesbeamtin hat ihr einfach den Trauschein hingestreckt, und sie war
so überrumpelt, dass sie widerstandslos unterschrieb.
Thomas: Mittlerweile stehen beide Mütter zu uns. Im Bekanntenkreis spricht
meine Mutter von ihrem Schwiegersohn, als ob nichts wäre.
Die Scheidungsraten von heterosexuellen Paaren liegen bedeutend höher als
jene von Homosexuellen. Was ist das Erfolgsgeheimnis Ihrer Ehe?
Thomas: Wichtig ist, dass wir uns Freiheiten geben, auf allen Ebenen. Denn
wir wissen, was wir aneinander haben. Wir sind im Umgang bestimmt offener
als "normale" heterosexuelle Paare. Fred hat seine Interessen, die von
meinen teilweise erheblich abweichen.
Fred: Zum Beispiel stehe ich auf andere sexuelle Spielarten. Trotz Ehe kann
ich diese ausleben. Aber auch unsere Freizeitgestaltung ist verschieden:
Während ich gerne in Szenelokalen unterwegs bin, sitzt Thomas gerne zuhause
vor dem Computer und kümmert sich um seinen Imkerverband.
Sind Sie auch ein bisschen stolz, nun seit zehn Jahren verheiratet zu sein?
Thomas: Der ehemalige bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat ja mal
gesagt, Homo-Ehen würden eh nur ein halbes Jahr halten. Wenn ich das nun
aber mit Heterosexuellen vergleiche, kann ich nur sagen: Ätsch, wir können
es genauso gut - wenn nicht sogar viel besser.
31 Jul 2011
## AUTOREN
Dennis Bühler
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