# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Emanzipation vom Drogengeld | |
> Kolumbiens Profifußball wird oft von Drogenbaronen finanziert. Nun geht | |
> ein Traditionsklub an die Börse. Der Kapitalismus soll den Fußball | |
> demokratisieren. | |
Millonarios, auch wenn das Wort im Deutschen mit einem Buchstaben mehr | |
geschrieben wird, ist ein Begriff, den man in Fußballstadien oft hört. Am | |
häufigsten gerufen wird "Millonarios" freilich im El Campin im | |
kolumbianischen Bogotá, dem Stadion des CD Los Millonarios. Nur steht das | |
Wort in Deutschland für eine nicht wirklich sympathische Kritik an | |
angeblich verwöhnten und neureichen Jungprofis; in Kolumbien hingegen ist | |
es der Name eines bankrotten Fußballvereins. | |
Ausgerechnet mit diesem Klub soll nun der pure Kapitalismus in den | |
kolumbianischen Fußball einziehen: Aus dem Verein, der einst dem 1989 | |
erschossenen Drogenkartellboss Gonzalo Rodriguez Gacha gehörte, seinerzeit | |
immerhin ein Milliardär auf der Forbes-Liste, wird ein an der Börse | |
notiertes, durch Aktienverkauf finanziertes Fußballunternehmen. Nachdem | |
Gacha, den man wegen seiner Vorliebe für große Hüte "der Mexikaner" rief, | |
1989 von der Polizei getötet worden war, ging auch seinem Fußballverein das | |
Geld aus; der Staat hatte Gachas Vermögen beschlagnahmt. | |
Noch in den fünfziger Jahren hatte Millonarios zu den besten Klubs des | |
Kontinents gezählt, Alfredo di Stefano hatte eine Weile dort gespielt, und | |
sogar gegen Real Madrid hatte das Team mal gewonnen. Um den Klub zu retten, | |
ging die kolumbianische Regierung eine 27-Prozent-Beteiligung ein. Nun | |
bestellte sie mit José Roberto Arango einen in Harvard ausgebildeten | |
Ökonomen, der Investoren suchen soll. Zuvor hatte das Parlament ein Gesetz | |
verabschiedet, dass es Fußballvereinen erleichtert, sich in | |
Aktiengesellschaften umzuwandeln. | |
## Fast alle Vereine stehen vor dem Bankrott | |
Bislang leben die kolumbianischen Profiklubs überwiegend vom Geld aus dem | |
Drogenhandel. Doch der Einstieg in die Börse soll es ihnen leichter machen, | |
sich davon zu lösen. "Mittlerweile ist sehr klar, wie Klubs mit ihrem Geld | |
umgehen", sagt Ivan Novelo, der Chef des kolumbianischen Fußballverbandes. | |
"Sie stehen fast alle vor dem Bankrott, und ihre Talente wandern ab." | |
Das dreckige Geld aus den Drogengeschäften nutzt den Vereinen nichts, weil | |
es nicht sinnvoll in den Aufbau von Mannschaften, Trainingsstätten oder | |
Nachwuchsförderung investiert wird. Hinzu kommt, dass der kolumbianische | |
Vereinsfußball sich kaum aus dem Land trauen darf. Im Jahr 2003 beschloss | |
das US-Finanzministerium beispielsweise, das Vermögen des Vereins America | |
de Cali, das sich in den USA befindet, wegen dessen Abhängigkeit vom | |
Drogenkartell zu beschlagnahmen. | |
Doch nun soll ja der Kapitalismus helfen. Nach Chile wird Kolumbien das | |
zweite lateinamerikanische Land sein, in dem Fußballklubs an der Börse | |
gehandelt werden. "Das Modell einer breiteren Partizipation ist besser für | |
den kolumbianischen Fußball, weil es die Bedeutung des Drogengeldes | |
verringert", sagt Eduardo Silva, Präsident der Firma Azul y Blanco, die | |
dabei ist, den größten Anteil an den Millonarios zu erwerben. | |
## Kapitalismus = fußballerische Bedeutung | |
"Millonarios große Idee ist es, die Besitzverhältnisse völlig zu | |
demokratisieren." Wie gesagt: Chile und Kolumbien sind die Länder, die sich | |
von einem Mehr an Kapitalismus auch ein Mehr an fußballerischer Bedeutung | |
erhoffen - beides Länder mit großer Fußballgeschichte und weniger | |
ruhmreicher Fußballgegenwart. Schon der Blick auf Chile zeigt, dass nichts | |
dafür spricht, dass eine Öffnung der Börsenmärkte für die Fußballklubs | |
Kolumbiens zu größeren Erfolgen führt. | |
Geradezu putzig ist der feste Glaube daran, Drogenbosse und Börsianer | |
stünden für absolut getrennte Welten. Und noch doofer ist die Hoffnung, | |
dass das, was als Demokratisierung verkauft wird, etwas mit größerem | |
Einfluss der Fans auf die jeweilige Vereinspolitik zu tun haben könnte. | |
Alles Mumpitz also. Doch wenn passiert, was passieren muss, nämlich dass | |
die völlige Durchkapitalisierung den kolumbianischen Fußball nicht | |
demokratischer macht, wird man zumindest zu wissen glauben, an wem es | |
gelegen hat: an den Drogenbossen. So gehts zu in Kolumbien. Doch bei uns | |
ist ja bekanntlich alles ganz anders. Wir pflegen bloß, wenn der Fußball | |
schlecht ist, auf die Millionarios zu schimpfen - die mit "i". | |
10 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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