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# taz.de -- Justizreform in Rheinland-Pfalz: Aus zwei mach eins
> Die Regierung in Rheinland-Pfalz will zwei Oberlandesgerichte
> fusionieren. Die Juristen laufen dagegen Sturm. Nun soll eine
> Expertenkommission vermitteln.
Bild: Kurt Beck hat es offenbar nicht so mit der Justiz in seinem Land.
MAINZ taz | Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bild' ich einen Arbeitskreis.
An genau dieser kommunalpolitischen Binsenweisheit hat sich nun auch die
rot-grüne Landesregierung in Rheinland-Pfalz unter Ministerpräsident Kurt
Beck (SPD) orientiert.
Ein Expertengremium soll jetzt die umstrittenen Vorschläge der Koalition
für eine umfassende Justizreform im Lande "ergebnisoffen" prüfen und
gegebenenfalls auch eigene Vorstellungen dazu entwickeln, hieß es nach
einer Kabinettsitzung in Mainz am Dienstagnachmittag.
Die Landesregierung hat sich damit erst einmal Luft verschafft. Denn seit
die Pläne für eine Fusion der Oberlandesgerichte (OLG) in Koblenz und
Zweibrücken Ende April im rot-grünen Koalitionsvertrag manifest wurden, ist
die Justiz des Landes auf den Barrikaden.
Rund 3.000 Richter, Staatsanwälte und auch Advokaten gingen in Koblenz
schon im Mai auf die Straße, um gegen die Fusionspläne, die den
Gerichtsstandort Koblenz schwächen und den in Zweibrücken in der
strukturschwachen Westpfalz stärken, zu protestieren. Von dem schon vor der
Demo gegründeten Verein "Pro Justiz Rheinland" wurden fleißig
Unterschriften "für den Gerichtserhalt in Koblenz" gesammelt. 40.000
Bürgerinnen und Bürger haben bis jetzt die Listen unterzeichnet.
## Kein "Recht nach Kassenlage"
Auch der Deutsche Richterbund und die Bundesrechtsanwaltskammer sprachen
sich gegen die Zusammenlegung der Gerichte aus, die von der Landesregierung
mit dem Verweis auf "Sparzwänge" begründet wird. 2,7 Millionen Euro pro
Jahr könnten bei einer Fusion der Gerichte und der
Generalstaatsanwaltschaften eingespart werden, hatte Landesjustizminister
Jochen Hartloff (SPD) erst zu Wochenbeginn vorgerechnet.
Doch "ein Recht nach Kassenlage darf es in einem Rechtsstaat nicht geben",
so Anwaltskammerpräsident Axel Filges in einem Schreiben an die
Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtags. Die Fronten sind
verhärtet. Die Sache sei von der Landesregierung eben auch "schlecht
kommuniziert" worden, räumte der Fraktionschef der Grünen, Daniel Köbler,
nach einem Besuch des OLG Koblenz und Gesprächen mit Vertretern der
Richterschaft dort ein. Es habe "Versäumnisse" gegeben.
Eine Ohrfeige für Beck und seinen Justizminister ausgerechnet vom grünen
Koalitionspartner. Denn "Sprachlosigkeit" hatten zuvor schon die empörten
Richter in Koblenz Beck und Hartloff vorgeworfen. Doch Köbler sagte mit
Verweis auf die Schuldenbremse auch, dass es "unfair" wäre, nicht in allen
Bereichen – also auch bei der Justiz – nach Einsparpotentialen zu suchen.
Die Spareffekte müssten allerdings "deutlich sein".
## Beck hat mit der Justiz in Koblenz ohnehin ein Problem
Jetzt also soll die Expertenkommission der Landesregierung Auswege aus dem
Dilemma aufzeigen. Der alte Politfuchs Kurt Beck ernannte ausgerechnet den
christdemokratischen Verwaltungsrechtler Hermann Hill aus Speyer, der
einmal Europaminister des Landes war, zum Vorsitzenden des Gremiums. Die
Kritik der stets angriffslustigen Unionschefin und
Landtagsfraktionsvorsitzenden Julia Klöckner fiel denn auch eher moderat
aus. Man werde "jeden vernünftigen Weg mitgehen, der die Landesregierung
von ihrem Irrweg abbringt", sagte Klöckner. Dass Beck überhaupt dazu bereit
gewesen sei, die Kommission einzuberufen, führt sie auf die
"kontinuierliche Arbeit von Opposition, Betroffenen und Bürgern vor Ort"
zurück.
Mit der Justiz in Koblenz aber hat Beck gleich noch ein Problem. Denn
nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die mit einem "Geschmäckle"
einhergehende "Blitzbesetzung" der Präsidentenstelle am OLG dort 2010 durch
den damaligen Justizminister [1][Heinz Georg Bamberger] (SPD) für
verfassungswidrig erachtete, ist der Job vakant.
Das hängt direkt mit den Fusionsplänen der neuen Landesregierung zusammen,
die sich nämlich die Präsidentenstelle – Kosten: 400.000 Euro per annum –
gleich ganz sparen wollte. Das Verwaltungsgericht in Koblenz sah das jetzt
anders. Unter Androhung eines Zwangsgeldes wurde die Landesregierung
aufgefordert, die Stelle umgehend neu zu besetzen. Justizminister Hartloff
knickte denn auch gleich ein und verzichtet auf eine Berufung. "Ich werde
die Stelle neu besetzen, da kann sich jetzt jeder bewerben", sagte er nach
der Kabinettsitzung.
10 Aug 2011
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## AUTOREN
K.-P. Klingelschmitt
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