# taz.de -- Punkrockoper "David Comes to Life": Berserker mit Charme | |
> Kritikerlieblinge sind sie schon. Jetzt hat die kanadische Band Fucked Up | |
> mit "David Comes to Life" die welterste Punkrockoper komponiert und kommt | |
> auf Tournee. | |
Bild: Fucked Up stehen den Pop-Camouflagen einer Lady Gaga weit näher als dem … | |
Eigentlich dürften sich heute nur noch Schulkapellen einen derart | |
klischierten Bandnamen wie Fucked Up verpassen: Zu oft ist Punk gestorben | |
und wieder auferstanden, als dass man mit der alten Konfrontationsmasche | |
noch den Staus quo im maladen Musikgeschäft erschüttern könnte. Darum | |
klingt Fucked Up auch im Jahr 2011 zunächst nach Pubertät, allzu bemühter | |
Pose und provinziellem Aufmucken. Bis man zum ersten Mal ein Album der | |
gleichnamigen Band aus Toronto gehört hat. | |
Gegründet im Jahr 2001 und mittlerweile zum Sextett angewachsen, steht das | |
kanadische Kollektiv zugleich für die dramatische Übererfüllung und | |
gleichzeitige Widerlegung des eigenen Nom de Guerre. Zwar kommt die Band | |
tatsächlich aus dem musikalischen Untergrund und hat sich mit unzähligen | |
Konzerten - und noch viel mehr Plattenveröffentlichungen - die so wichtige | |
Kredibilität in Jugendzentren und besetzten Häusern erspielt. Doch zum | |
anderen war ihr das heimelige Dasein innerhalb einer chronisch strengen und | |
kreativ leider oft stagnierenden Subkultur stets zu wenig. | |
Und spätestens mit dem bahnbrechenden Album "Hidden World" (2007) wurde | |
deutlich, zu welchen Unberechenbarkeiten Fucked Up fähig sind. Ebenso | |
brachial wie filigran trieb die Band darauf ihre ganz eigene epische Idee | |
von Hardcore voran und schlug en passant eine wunderschöne Schneise der | |
Verwüstung durch verkrustete Szenestrukturen. Verborgen hinter klassischen | |
Punk-Pseudonymen wie 10.000 Marbles, Gulag oder Mustard Gas wagten sich die | |
Musiker mit Ansage in No-go-Areas des Genres: Kaum ein Song unter fünf | |
Minuten, kühne Anleihen beim verfemten Prog-Rock und obendrauf ein | |
verschwurbelter Symbolismus, sowohl in der visuellen Gestaltung des Albums | |
als auch in den kryptisch-apokalyptischen Texten von Sänger Pink Eyes. | |
Das Ganze zudem vorgetragen mit einer Autorität und Wucht, die keinen | |
Zweifel am genialischen Größenwahn der Band zuließ. In Folge produzierten | |
Fucked Up in hoher Frequenz Singles und EPs, bevor 2008 mit "The Chemistry | |
of Common Life" das nächste Doppelalbum erschien: Noch höher wurden da die | |
Gitarrenwände gezogen, während Songs wie "Black Albino Bones" hinter | |
schroffer Fassade ungeahntes Hitpotenzial verbargen. Mit den insgesamt elf | |
majestätisch aufgetürmten Songs, die jeder Kategorisierung spotteten, | |
arrivierte die Band endgültig zum Kritikerfavoriten. Fucked Up landeten im | |
Fernsehen, gewannen Preise im Dutzend und wurden in der Musikpresse fortan | |
an als das neue, heiße Ding gehandelt - was angesichts des langen Bestehens | |
der Band etwas putzig erschien. Auch prominente Musiker outeten sich | |
vermehrt als Anhänger, etwa die Hipster von Vampire Weekend und Arcade | |
Fire. | |
## Komplexe Vexierspiele | |
Sänger Pink Eyes, alias Damian Abraham, konterkarierte derweil als | |
charmanter Talkshow-Gast hintersinnig das Image vom entgrenzten | |
Bühnenberserker mit Höllenhundstimme. Überhaupt hat die Band über Jahre | |
eine Meisterschaft darin entwickelt, Medien und Öffentlichkeit mit | |
Selbstironie und komplexen Vexierspielen vor sich her zu treiben. Der Blog | |
"Looking for Gold" ([1][http://lookingforgold.blogspot.com]) ist eine | |
Hauptquelle der bandeigenen Mythologie, in der sich tatsächliche Ereignisse | |
und frei erfundene Begebenheiten untrennbar miteinander verschränken. Und | |
damit stehen Fucked Up den Pop-Camouflagen einer Lady Gaga weit näher als | |
dem Authentizitätsdiktat der Hardcore-Szene. | |
Selbiges gilt auch für den neuen akustischen Großangriff "David Comes to | |
Life": Nichts Geringeres als eine Punkrockockoper will dieses Werk sein, | |
das in satten 18 Stücken eine tragische Liebesgeschichte auffächert. Das | |
anspielungsreiche Libretto wartet gleich mit mehreren (unzuverlässigen) | |
Erzählern auf, und der männliche Protagonist David Eliade begleitet Fucked | |
Up schon lange. Wobei bis heute nicht ganz klar ist, ob es sich um eine | |
Kunstfigur handelt, oder ob der angebliche Manager und Spiritus Rector der | |
Band tatsächlich existiert. Schlaumeierei und Konzeptkunst könnten leicht | |
prätentiös geraten, wäre die Musik nicht so zwingend: Zurecht begeistern | |
sich Fans für die fast schon arrogante Leichtigkeit, mit der Fucked Up | |
Presslufthammer-Melodien wie die Single-Auskopplung "Queen of Hearts" | |
präsentieren. | |
Auf Konzerten weichen die kopflastigen Konstrukte dann ohnehin einer | |
euphorisierenden Unmittelbarkeit, und wer Fucked Up einmal live erlebt hat, | |
nimmt der Band den Hype keineswegs krumm. So sexy und smart war Lärm schon | |
lange nicht mehr wie hier, wo sich Kompromisslosigkeit und Cleverness die | |
schweißnassen Händchen reichen. Kurz, selten war es so schön, fucked up zu | |
sein. | |
## Fucked Up, "David Comes to Life" (Matador/Beggars/Indigo), live 15. | |
August, "Hafenklang", Hamburg, 16. August, "SO 36", Berlin, 17. August, "59 | |
to 1", München, 18. August, "Schlachthof", Wiesbaden | |
10 Aug 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://lookingforgold.blogspot.com | |
## AUTOREN | |
David Kleingers | |
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