# taz.de -- "I'm still here" mit Joaquin Phoenix: Eine Rampensau sehnt sich nac… | |
> In "Im Still Here" von Casey Affleck macht sich der Schauspieler Joaquín | |
> Phoenix als untalentierter Rapper zum Affen. Man weiß nicht, was ihn | |
> treibt. | |
Bild: Ist Joaquin Phoenix ein schlechter Rapper oder tut er nur so? | |
Wer in der Internetdatenbank [1][imdb.com] den Namen Joaquín Phoenix | |
eingibt, stößt in der Filmografie des amerikanischen Schauspielers auf eine | |
fünfjährige Lücke. Sein letzter Film ist nach derzeitigem Stand das 2008 | |
abgedrehte Beziehungsdrama "Two Lovers". Der folgende Eintrag weist bereits | |
in die Zukunft: Der Scientology-Film "The Master" von Paul Thomas Anderson | |
ist für 2013 veranschlagt. | |
Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet der Film in der Auflistung des | |
Branchendienstes fehlt, der eine Erklärung für die Abwesenheit von Joaquín | |
Phoenix liefern könnte. "I'm Still Here", der diese Woche in den deutschen | |
Kinos anläuft, ist kein Film im klassischen Sinne. Denn genau genommen | |
steht er der Celebrity-Berichterstattung in den Mainstream-Medien näher als | |
den Produkten der Filmindustrie. | |
Hier wird es nun verwirrend, denn Regie führte Phoenix' Schwager Casey | |
Affleck. "I'm Still Here" geht also nicht ohne Weiteres als | |
Paparazzo-Machwerk durch, auch wenn er sich in Sound und Stil allen | |
Anschein gibt (bis hin zu Nachrichten-Einblendungen des Gossip-Senders E! | |
Entertainment). Der Film erfüllt im Grunde alle Voraussetzungen für ein | |
sehr persönliches, einfühlsames Porträt eines Hollywoodstars, der sich von | |
heute auf morgen aus dem Unterhaltungsgeschäft zurückzieht. | |
Damit könnte er anstandslos in die zivilisierten Bahnen der (realen wie | |
fiktiven) Hollywood-Biografie münden, die für die Zuschauer am Ende stets | |
noch eine Läuterung oder gar Erkenntnis bereithält. Affleck und Phoenix | |
allerdings haben einen anderen Weg eingeschlagen: Sie inszenieren den | |
(vermeintlichen) Breakdown von Joaquín Phoenix und lassen sich dabei auf | |
die Bedingungen der hysterischen Medienöffentlichkeit ein. | |
Charlie Sheen exerzierte dies vor einigen Monaten zur Begeisterung der | |
fassungslosen Internet-Gemeinde schon einmal erfolgreich durch. Solche | |
medienwirksamen Selbstdemontagen werfen unweigerlich die Frage auf, | |
inwieweit hier die Grenzen von Inszenierung und wahnhafter Realität | |
überhaupt noch zu ziehen sind. "I'm still here" treibt diese Spekulationen | |
auf die Spitze. | |
Ende 2008 erklärte Joaquín Phoenix, dass er sich von der Schauspielerei | |
zurückziehen werde, um sich fortan auf seine neue Karriere als Musiker zu | |
konzentrieren. Kurz darauf kursierten auf YouTube erste Videos, in denen | |
Phoenix sich als Rapper versuchte. Im Januar 2009 kam es dann zu einem | |
inzwischen legendären Auftritt in der Talkshow bei David Letterman, bei dem | |
er sich, versteckt hinter einem Bartgestrüpp und einer riesigen | |
Sonnenbrille, zu keiner kohärenten Aussage mehr bewegen ließ. Phoenix | |
machte sich, nicht nur dank seiner talentfreien HipHop-Einlagen, zum | |
Gespött der Nation. | |
Im letzten Herbst gab er schließlich zu, dass die bizarren Auftritte der | |
vergangenen zwei Jahre zur Arbeit an seinem neuen Film "I'm Still Here" | |
gehörten. Dieser Film lässt die Zuschauer nun aber trotzdem einigermaßen | |
ratlos zurück. Vor dem Hintergrund der restriktiven und stramm | |
durchorganisierten Pressemaschinerie, die Schauspieler zu braven Aufsagern | |
von vorgestanzten Gemeinplätzen degradiert, ist der Ausbruch von Phoenix | |
natürlich ein willkommenes Störmanöver. Der Gesichtsausdruck seiner | |
Publizistin Susan Patricola während des Letterman-Auftritts spricht Bände. | |
Man kann sich allerdings des Gedankens nicht erwehren, dass "I'm Still | |
Here" vor allem das Ego-Projekt eines erfolgreichen Hollywood-Stars ist, | |
der sich in der Rolle des unangepassten Rebellen gefällt. | |
## Der in die Ecke kotzt | |
So wird man in "I'm Still Here" Zeuge, wie ein verfetteter Phoenix sich im | |
Internet Callgirls bestellt, an jedem zweiten Beistelltischchen, das sich | |
anbietet, eine Line zieht, in die Ecke kotzt oder seine Vertrauten in einem | |
Anflug von Größenwahn vor laufender Kamera grundlos zusammenscheißt. Einer | |
revanchiert sich später, indem er dem schlafenden Phoenix ins Gesicht | |
kackt. | |
Das alles ist natürlich als drastische Provokation zu verstehen: Phoenix | |
geriert sich als Zumutung bar jeden Anstands. Doch besteht seine größte | |
Schwäche letztlich darin, dass er im Grunde seines Herzens - und das | |
unterscheidet ihn von einem Vincent Gallo -, geliebt werden möchte. So | |
bekommt der Zuschauer zwischendurch immer wieder bekenntnishafte Monologe | |
zu hören, in denen Phoenix mit verzagter Stimme über seine Selbstzweifel | |
spricht. | |
Sofia Coppola erzählte in ihrem letzten Film "Somewhere" eine ganz ähnliche | |
Geschichte, doch fand sie in der Einsamkeit ihrer Hauptfigur Johnny Marco | |
eine gebrochene Melancholie, wo Phoenix permanent zur Rampensau mutiert. | |
Während Coppolas Protagonist sich seiner Verortung in der Welt erst noch | |
bewusst werden muss, ist Phoenix immer schon oder noch da: intensiv und | |
selbstverliebt. I'm still here. | |
Wenn Phoenix hinter der Inszenierung hervortritt, verliert der Film an | |
Impetus und Schockwert. Der denkwürdigste Moment des Films gehört Ben | |
Stiller, der Phoenix in seinem Haus besucht, um ihm eine Rolle in seinem | |
Film "Greenberg" anzubieten. Nach einigen Missverständnissen wird schnell | |
klar, dass er nicht für die Hauptrolle vorgesehen ist (die gehört Stiller), | |
sondern die von Greenbergs Loser-Freund Ivan (die letztlich Rhys Ifans | |
übernimmt). Phoenix reagiert beleidigt, beschimpft den sichtlich perplexen | |
Stiller und verschwindet einfach. Den Loser, den spielt er schließlich | |
schon. In seinem eigenen Film. | |
## "Im Still Here". Regie: Casey Affleck. Mit Joaquín Phoenix, Antony | |
Langdon u. a., USA 2010, 107 Min. | |
11 Aug 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://imdb.com | |
## AUTOREN | |
Andreas Busche | |
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