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# taz.de -- Kriegsberichterstatterin Gellhorns Reisen: Auf Superschreckensreise
> Martha Gellhorn berichtet von katastrophalen Reisen an Kriegsschauplätze
> des 20. Jahrhunderts und hält sich dabei mit Kritik an fremden Sitten
> nicht zurück.
Bild: Martha Gellhorn und Ehemann Ernest Hemingway nach einem Jagdausflug 1953.
Martha Gellhorn war die Grande Dame der Kriegsberichterstattung im letzten
Jahrhundert. Sie trieb sich auf so ziemlich allen Kriegsschauplätzen herum,
oder zumindest an deren Peripherie. Sie war zusammen mit Hemingway in
Madrid, als der Spanische Bürgerkrieg tobte, sie folgte den amerikanischen
GIs durch das besetzte Deutschland und war erschüttert über die
unerschütterlichen Gemüter der Deutschen, die sich erstaunlich schnell zu
Widerstandskämpfern gegen Hitler stilisierten. Sie berichtete über die
Kriege in Finnland, auf Java, in Vietnam und vom Sechstagekrieg. Es gab auf
der Welt kaum einen Ort, den sie nicht bereist hat.
1978 schrieb sie einige ihrer Erlebnisse nieder, in denen nicht irgendein
Krieg im Vordergrund stand. Weil sie sich aber bewusst war, dass reine
Reiseerzählungen in der Regel öde sind, schreibt sie über katastrophale
Reisen. Erst das erlittene Unglück macht die Geschichte interessant. 1990
ist das Buch aus unerfindlichen Gründen in der rororo-Reihe "neue frau"
erschienen, wo es unterging. Es dauerte 20 Jahre, bis es nun in der
gleichen kongenialen Übersetzung von Herwart Rosemann unter dem Titel
"Reisen mit mir und einem anderen" in schöner Aufmachung erschienen ist.
Der "andere" im Titel ist niemand anderes als Ernest Hemingway, mit dem
Martha Gellhorn eine Zeit lang verheiratet war, was sich aber schnell als
Irrtum für beide Seiten herausstellte. Geduld und Höflichkeit gehörten
nicht zu seinen "bekanntesten Qualitäten", wie Gellhorn über den in der
Reise nach China "UB" (Unwilliger Begleiter) genannten Hemingway schreibt.
Sie hatte ihn so lang beschwatzt, bis er diese "Superschreckensreise"
mitmachte.
## Chinas Schleimhusten
1941 dauerte der japanisch-chinesische Krieg schon eine kleine Ewigkeit,
seit Neuestem gehörten die Japaner zu den Achsenmächten. Von den Japanern
sah man nur ab und zu oben am Himmel ein paar Flugzeuge. Auf der Erde aber
herrschte Dauerregen und chinesisches Dauergeschwätz, "ein näselnder,
rauher Singsang". Was Martha Gellhorn wirklich schaffte, war der
"Schleimhusten", die chinesische Eigenart, überall auszuspucken. Bei
Gellhorn, die aus gutbürgerlichem Hause kam, rief solches Benehmen
Brechreiz hervor. Überhaupt könnte der Kontrast kaum größer sein, wenn sie
als gut erzogenes amerikanisches Kind mit einer Welt konfrontiert wird, in
der höfliche Umgangsformen nichts gelten oder auf Unverständnis stoßen.
Da aber Martha Gellhorn nicht bereit war, auf gewisse zivilisatorische
Standards zu verzichten, scheute sie sich auch nicht, ihrem Ärger Luft zu
machen. Dann schimpfte sie auf wunderbare Weise auf die Unfähigkeit der
Leute, die Zustände, die Beschwernisse und auf sich selbst, weil sie sich
immer wieder ohne Not in solche Situationen begab. Und wenn man jetzt
glaubt, dass ihr ganz recht geschehe, weil diese Haltung borniert sei und
man sich in anderen Kulturkreisen eben anpassen müsse, der ist schief
gewickelt. Denn erst durch diese Spannung wird aus einem gewöhnlichen
Reisebericht Literatur, aus einer zähen Erzählung ein lustiges Stück Prosa.
"Wir lachen nicht über die gleichen Witze. Wir langweilen uns gegenseitig
zu Tode. Wann immer ich die Chinesen zusammen lachen sah, sagte ich: ,Bitte
übersetzen, schnell, schnell, damit ich den Witz verstehe.' Wenn ich dann
die Übersetzung hörte, versteckte ich mich hinter einem verwunderten
Lächeln. Was um Himmels willen gab es denn da zu lachen?" Von General
Tschiang und seiner Frau waren die beiden zum Essen eingeladen, und als sie
später einem Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft darüber berichtet,
"war der ganz außer sich ob der Ehre, die uns zuteil geworden war, denn es
war das höchste Kompliment, vom Generalissimo ohne sein Gebiß empfangen
worden zu sein". Während für andere ein solches Treffen ein Meilenstein
ihrer Biografie darstellen würde, spöttelte Gellhorn jedoch über das Essen:
"Je mächtiger, desto langweiliger."
## Hirnlose Hammel
Aber auch sich selbst spart sie in ihren sarkastischen Kommentaren nicht
aus, denn als sich die Möglichkeit bot, den kommunistischen Widersacher
Tschou En-lai in einem Versteck zu treffen, hatte Gellhorn keine Ahnung, um
wen es sich da handelte. Deshalb kommt sie zum Schluss, dass Tschou En-lai
sie "für hirnlose Hammel ersten Ranges gehalten haben" muss.
Andere katastrophale Reisen führten sie 1942 in die Karibik, wo sie hoffte,
etwas vom U-Boot-Krieg mitzubekommen, der damals in aller Munde war. Eine
weitere Reise ging nach Afrika, wo ein wenig Seife bereits für eine
"bessere Welt" gesorgt hätte, und sie war zu Besuch bei Nadeschda
Mandelstam, die mit ihrem Erinnerungsbuch an ihren Mann "Generation ohne
Tränen" im Westen sehr erfolgreich war. Russland weckte in Gellhorn nur
einen Wunsch. Schnell weg hier: "Im allgemeinen beschwingt es mich nicht,
nach Hause zu kommen, wo immer ich auch gerade zu Hause bin. Zu Hause ist
da, wo der alte Trott wieder anfängt. Diesmal war ich in Ekstase."
Das alles sind keine Ressentiments, wie der auf bestimmte Reflexe
trainierte Leser schnell glauben mag, sondern vorbehaltlose Schilderungen
ihrer Wahrnehmung, in denen Gellhorn die gesellschaftlichen Mechanismen
nicht ausblendet, was sie aber nicht daran hindert, einfach zu sagen, was
sie denkt. Sie nimmt dabei keine Rücksicht auf sich und andere, aber genau
das macht das Faszinierende ihres Schreibens aus. Hemingway hat auf der
gemeinsamen Reise durch China sehr schnell erkannt, was "das Problem" mit
Martha Gellhorn war: "Martha liebt die Menschheit, aber sie kann Menschen
nicht ertragen."
## Martha Gellhorn: "Reisen mit mir und einem anderen. Fünf Höllenfahrten".
Aus dem Englischen von Herwart Rosemann. Dörlemann Verlag, Zürich 2011, 544
Seiten, 24,90 Euro
15 Aug 2011
## AUTOREN
Klaus Bittermann
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