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# taz.de -- Mehr Macht dem Parlament: Lammert rüstet nach
> Der Bundestagspräsident will der Volksvertretung mehr Macht und Gehör
> verschaffen. So ersetzt er seinen blassen Sprecher und ernennt eine
> resolute Journalistin.
Bild: Die Sorge vor der Machtverschiebung von der Legislative zur Exekutive: "W…
BERLIN taz | Norbert Lammert mag es, als unbequem zu gelten. Das Äußere des
Bundestagspräsidenten mag unscheinbar sein, und seine ersten Jahrzehnte als
CDU-Abgeordneter waren es ebenso. Aber als formell zweiter Mann im Staat
hat sich Lammert seit 2005 den Ruf eines Verteidigers des Parlaments und
seiner Rechte erarbeitet. Derzeit wappnet er sich für seine größte
Auseinandersetzung.
Die Bundesregierung will am 23. September die Neuregelungen des
Euro-Rettungsschirms im Bundestag und Bundesrat parlamentarisch absegnen
lassen. Die Regierungschefs der 17 Länder der Eurozone stimmten der
Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Mitte Juli zu.
Doch müssen die nationalen Parlamente dem Vertrag noch ihre Zustimmung
erteilen. Die Lage ist ernst, der Druck auf die Regierungschefs riesig.
Für den 62-Jährigen ist das der perfekte Moment, um der Regierung zu
zeigen, was er von ihrer Politik der Überrumpelung des Bundestags hält.
Seit Jahren wettert der Soziologe gegen die schleichende Machtverschiebung
von der Legislative zur Exekutive.
## Neue Personalie sorgt für Spekulationen
"Das Thema des europäischen Rettungsschirms ist so wichtig, dass der
Bundestag es nicht innerhalb weniger Tage mit der notwendigen Sorgfalt
beraten und beschließen kann. Es wird sicher kaum möglich sein, das vom 20.
auf den 23. September zu verabschieden", sagte Lammert am vergangenen
Wochenende. Trotzig erklärte er: "Wie viel Beratungsbedarf wir haben, das
entscheidet der Bundestag selbst." Und er erinnerte an die Kernkompetenz
des Parlaments, das Haushaltsrecht: "Die Bundesregierung kann ohne
Zustimmung des Bundestags nichts zusagen, was auch nur einen Cent kostet."
Um sich künftig noch mehr Gehör zu verschaffen, überraschte Lammert zur
selben Zeit mit der Ankündigung, den Posten des Pressesprechers des
Bundestags neu zu besetzen. Seither mutmaßen Beobachter über Motive und
Ziele. Denn ohne erkennbaren Anlass versetzt Lammert den bisherigen Chef
von Presse und Kommunikation des Bundestags, Guido Heinen. Dem ehemaligen
unscheinbar wirkenden Welt-Redakteur mit konservativ-christlichem
Selbstverständnis folgt ab Oktober eine als linksliberal geltende
Radiojournalistin nach: Sabine Adler. Sie soll eine blendend vorbereitete,
mitunter resolute Organisatorin sein.
Die Endvierzigerin, die noch zu DDR-Zeiten in Leipzig Journalistik
studierte, hat derzeit einen der angesehensten Posten im Medienbetrieb der
Hauptstadt: Sie leitet das Berlin-Büro von Deutschlandradio Kultur. Erst
Ende 2010 kürte das Medium Magazin Adler zur Politikjournalistin des
Jahres. Warum nun der Wechsel? Dazu möchte Adler nichts sagen,
Interviewanfragen zum Thema lehnt sie ab. Gegenüber der taz erklärte sie
lediglich, der Jobwechsel sei für sie ein "sehr interessantes Angebot"
gewesen.
Katrin Göring-Eckardt zählt zu den fünf Stellvertretern des
Parlamentspräsidenten. Die Grüne hat berufliche Erfahrungen mit der
Hörfunkjournalistin gesammelt: "Frau Adler hat mich nie mit Samthandschuhen
angefasst. Sie will durch ihre Fragen wirklich etwas herausfinden, nicht
einfach ihre Meinung bestätigt sehen." Könnte die Entscheidung für die
Hörfunkfrau als Versuch verstanden werden, das öffentliche Ansehen des
Bundestages zu stärken?
Vieldeutig sagt die Bundestagsvize dazu: "Ein Pressesprecher kann einen
solchen Versuch zumindest unterstützen." Zeit zur geruhsamen Einarbeitung
wird Adler nicht haben. Setzt sich ihr neuer Chef gegenüber Merkel durch,
fallen die Beratungen über den Euro-Rettungsschirm in ihre ersten
Arbeitstage.
17 Aug 2011
## AUTOREN
Matthias Lohre
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