# taz.de -- Pedro Páez über Krise und Kapitalismus: "Mehr Kriege zu befürcht… | |
> Die Finanzkrise verstärkt die Ausbeutung der Armen – und das weltweit, so | |
> Ecuadors Exwirtschaftsminister Pedro Páez. Der Spekulations-Kapitalismus | |
> sei jedoch "nicht aufrechtzuerhalten". | |
Bild: Es wird die Armen treffen, überall – sagt Pedro Páez. | |
taz: Herr Páez, wie wird sich die Finanzkrise auf unsere Zivilisation | |
auswirken? | |
Pedro Páez: Wenn wir nicht gemeinsam handeln, wird uns dieses oligarchische | |
Netzwerk von Spekulanten in mehr Kriege und mehr Spekulation verwickeln. Es | |
wurde eine Situation geschaffen, wo die grundlegenden Mechanismen der | |
Wirtschaft verzerrt worden sind. Dafür gibt es Beispiele noch und noch, | |
etwa die Preisbildung auf internationaler Ebene. Sie korrespondiert nicht | |
länger mit der Entwicklung der Produktionskosten, noch nicht einmal mit | |
saisonbedingter Knappheit, weil sie Gegenstand von Spekulation geworden | |
sind, einschließlich der Lebensmittel. Selbst bei reichlichen Ernten | |
steigen die Preise. | |
Sie warnen vor der Gefahr, dass die Finanzoligarchen Europa und die USA | |
lateinamerikanisieren und Lateinamerika afrikanisieren. Was meinen Sie | |
damit? | |
Die afrikanischen Staaten wurden nach der Dekolonisierung durch den Abbau | |
von Institutionen sowie des sozialen und demokratischen Gefüges beschädigt, | |
das hat transnationalen Unternehmen die Ausbeutung nationaler Rohstoffe zu | |
sehr günstigen Bedingungen ermöglicht. Dazu gehören niedrige Löhne, kaum | |
Steuern und wenig Umweltschutzauflagen. Politik dieser Art versuchen sie | |
jetzt auch in ihren eigenen Ländern umzusetzen. Anstelle der früheren | |
Teilung zwischen Metropolen und Kolonien kolonisieren sie jetzt in ihren | |
eigenen Ländern. | |
Wie wirkt sich das aus? | |
Seit Beginn des Neoliberalismus ist eine Erosion des Wohlfahrtsstaates | |
festzustellen. Sie befinden sich jetzt am Rande eines sehr schnellen | |
Prozesses von Anpassungs- und Sparmaßnahmen, und das wird chronische | |
Steuerdefizite zur Folge haben. Die Sparmaßnahmen sind eine Spirale mit | |
einer Art eigenem Leben, zivilisatorische Errungenschaften der europäischen | |
Völker sind in Gefahr. Alle Errungenschaften der Nachkriegszeit seit dem | |
Sieg über den Faschismus stehen zur Disposition, einschließlich des Abbaus | |
produktiver und technologischer Kapazitäten. Dies geschieht jetzt in | |
Lateinamerika. | |
Welche Rolle spielen die Freihandelsabkommen, die Europa jetzt mit | |
verschiedenen Entwicklungsländern abzuschließen versucht? | |
Wenn die Menschen in Europa die Texte kennen würden, die die Europäische | |
Kommission jetzt verhandelt, wären sie empört, gleichgültig ob links oder | |
rechts. Nehmen wir zum Beispiel das öffentliche Beschaffungswesen, also die | |
Anschaffungen der Städte, Gemeinden und Regierungen, im Falle | |
Lateinamerikas würde die Marktöffnung die bedingungslose Unterwerfung | |
gegenüber transnationalen Unternehmen bedeuten. | |
Wie stabil ist der Kapitalismus? | |
Es ist unmöglich, den vom Finanzmarkt getriebenen Kapitalismus der | |
Spekulation aufrechtzuerhalten. Sogar Großunternehmen sind durch die Logik | |
der Spekulation versklavt. Wir müssten umgekehrt alle Formen der | |
Kreativität freisetzen, neue Räume für Unternehmen und auch für mittlere | |
und Kleinunternehmen und Kooperativen, wir müssten Quellen sozialer Energie | |
schaffen. | |
29 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Rolf-Henning Hintze | |
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