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# taz.de -- Perry-Rhodan-Chefredakteur zum Jubiläum: "Zu gut für einen echten…
> Die Science-Fiction-Serie um den Weltraumhelden "Perry Rhodan" wird 50.
> Chefredakteur Klaus N. Frick über Unsterblichkeit, Frauenklischees und
> bürgerliche Kritik.
Bild: Kaum ein Produkt der deutschen Nachkriegsliteratur wurde so viel gelesen:…
taz: Herr Frick, "Perry Rhodan" ist mit über einer Milliarde verkaufter
Hefte die erfolgreichste Science-Fiction-Serie der Welt. Wie ist die Figur
entstanden?
Klaus N. Frick: Perry Rhodan wurde von zwei Autoren geschaffen, die damals
in den 60er-Jahren mit die ersten Science-Fiction-Autoren Deutschlands
waren. Der eine, Walter Ernsting, musste schon 1940 in den Krieg an die
Ostfront. Er war ein ausgemachter Träumer. Im Kriegsgefangenenlager in
Karaganda in Sibirien wurde er sehr krank. Er hat mir erzählt: "Ich lag
dann da mit irrsinnig hohem Fieber, ich war kurz vorm Sterben und habe
davon geträumt, wie es wäre, hoch zu den Sternen zu fliegen."
Der andere, Karl-Herbert Scheer, wollte sich freiwillig melden, um Soldat
zu werden. Aber zum Glück für ihn war der Krieg aus, bevor er überhaupt
eingezogen wurde. Er hatte diese Faszination für Waffen, die sich dann auch
in die Romane übertragen hat. Ernsting hat also davon geträumt, wie es
wäre, zu den Sternen zu fliegen, Scheer hingegen hat sich ausgerechnet, wie
es möglich wäre, dorthin zu reisen. Und diese zwei Seiten gibt es bei Perry
Rhodan heute noch: Einerseits die wissenschaftliche und technisch korrekte
Linie, bei der es aber auch kracht und scheppert, mit Action, Raumschiffen
und Weltraumschlachten - das ist die Scheer-Linie. Und die träumerische
Linie, wo es darum geht, wie es wäre, in fremden Welten leben zu können,
oder wie es wäre, unsterblich zu sein oder wenn man Gedanken lesen könnte -
das waren so die typischen Ernsting-Ideen. Die beiden haben dann 1961 ihre
Ideen zusammen geschmissen - und das ist die Mischung, die noch bis heute
die Serie so erfolgreich macht.
Wie würden Sie Perry Rhodan eigentlich äußerlich und charakterlich jemandem
beschreiben, der noch nie von ihm gehört hat?
Ich stelle mir vor, dass er aussieht, wie der junge Harrison Ford aus den
Indiana Jones-Filmen, nicht mehr ganz jung aber auch noch nicht alt.
Eigentlich ist Perry eine Projektionsfläche, er ist zu gut für einen echten
Menschen. Daher hat er auch Charaktere an seiner Seite, die etwas
exponierter sind. Sein Freund Atlan zum Beispiel ist einer, der im
Zweifelsfall auch mal zuerst schießt, bevor er fragt - so was dürfte Perry
Rhodan natürlich niemals passieren. Er ist politisch sehr korrekt, hat aber
auch Humor, er ist ein großer Menschenfreund - ein richtig klassischer
Held.
Was hat es mit seiner Unsterblichkeit auf sich?
Perry trifft mit 39 Jahren auf ES, eine Superintelligenz, die quasi aus
purem Geist besteht. ES schenkt ihm und seinen engsten Getreuen
Zellaktivatoren, das sind eigroße Geräte, die ihren Trägern relative
Unsterblichkeit verleihen. Relativ deshalb, weil ein Zellaktivatorträger
zwar nicht mehr altert, aber jederzeit durch einen Unfall oder einen
Mordanschlag sterben kann. Wenn ihm einer durch den Kopf schießt, dann ist
er tot, und wenn er zehn Schnäpse trinkt ist er betrunken, aber er altert
halt nicht und wird nicht krank.
Es gibt die Kritik an der Perry Rhodan-Reihe, dass eine begrenzte Gruppe
elitärer, unsterblicher Auserwählter über Jahrhunderte die Geschicke eines
Volkes lenkt, ohne jemals abgewählt zu werden. Zuweilen wurde die Serie gar
in eine rechtsradikale Ecke gestellt.
Perry Rhodan war anfangs natürlich ein ganz normaler Fall von
Unterhaltungskultur der 60er-Jahre. Da waren gewisse Führungsgeschichten
logisch. Perry ist in diesen Romanen über 1000 Jahren lang der
Großadministrator des Interstellaren Imperiums. Er wurde mit 95 Prozent
Mehrheit immer wieder gewählt. Heute ist er quasi Angestellter der Liga
Freier Terraner und bekleidet kein politisches Amt. Aber wir machen
natürlich keine Wahlkampfromane, das wäre ja langweilig. Ich könnte Ihnen
jetzt auch einen Abriss geben, über das parlamentarische System der Liga
der Terraner, aber das interessiert die Leser nicht. Das ist ein grauenvoll
langweiliges, parlamentarisches, demokratisches System, in dem Abgeordnete
der einzelnen Planeten ihre Vertreter in die solaren Parlamente entsenden.
Dass sich die Kritik so sehr auf Perry Rhodan eingeschossen hat, das liegt
wohl daran, dass das damals die erfolgreichste deutsche Serie war und
deshalb die meisten Angriffspunkte lieferte. Das war der Kampf der Bürger
gegen die verdummende "Schundliteratur" der Jugendlichen, Heranwachsenden
und Lehrlinge, also ein Kampf der gehobenen Stände gegen die einfachen
Leute, die sich oft nur Groschenhefte - also Heftromane, die damals nur
wenige Groschen kosteten, leisten konnten. Dieser Kampf gegen Groschenhefte
wurde bis in die 50er Jahre eher von der konservativen Seite her geführt.
Das kippte in den 60er Jahren: Da ging der Kampf gegen die
"Schundliteratur" plötzlich von den linken Studenten aus.
Warum das denn?
Die waren der Meinung, dass die Arbeiter endlich Revolution machen würden,
wenn sie nicht von der Unterhaltungsliteratur eingelullt würden. Der Kampf
gegen die Groschenhefte wurde also wieder aufgegriffen - aber jetzt von der
linken Seite, weil die "Schundliteratur" die Arbeiter davon abhielt, für
ihre Rechte einzutreten, sich gegen ihre Unterdrückung zu wehren. Die
Perry-Rhodan-Autoren waren in den späten 60er Jahren alle schon über
vierzig, und das fanden die Studenten natürlich doof.
Und die Autoren reagierten: wenn es dann in Perry-Rhodan-Romanen mal
politisch zuging, dann waren die Widersacher von Perry Rhodan immer
irgendwelche studentenähnlichen Langhaarigen, die auf der Straße standen
und Parolen brüllten - man hat sich da also auch gegenseitig etwas beharkt.
Ich muss allerdings zugeben: wenn man einige der Romane von damals heute
liest, dann fasst man sich schon an den Kopf, da war einiges wirklich
einfach bescheuert.
Frauen spielen in den Romanen eine eher untergeordnete Rolle. Woran liegt
das?
Ich gebe zu, ich winde mich bei dieser Frage wie ein Aal, denn wir sind
eindeutig ein männerbesetztes Team. Unsere Autoren kriegen es nicht
gescheit hin, Frauen glaubwürdig zu beschreiben. Sie können es einfach
nicht. Das ist schon ein Problem.
Dennoch kommen ja einige Frauenfiguren vor. Welche halten Sie für die
wichtigste?
Mondra Diamond, das ist Perrys Gefährtin, die Frau an seiner Seite. Aber
wir merken immer wieder, dass sie von den Lesern teilweise sehr gehasst
wird. Das liegt wohl daran, dass wir sie auch mal zickig handeln lassen.
Sie ist diejenige, die im Zweifelsfall einem anderen auch mal etwas aufs
Maul haut, wo Perry noch diskutieren würde. Ich glaube, sie ist vielen
Lesern einfach zu spontan. Eine andere Figur war eigentlich nur als
Nebenfigur angelegt, es war gar nicht absehbar, dass sie so wichtig werden
würde: Eine Raumschiffkommandantin namens Eritrea Kush ist ungeplant zu
einer der beliebtesten Figuren geworden - nur weil der Autor sie so gut
beschrieben hat. So was passiert natürlich, dass Figuren sich im Verlaufe
der Handlung auch entwickeln. Wir versuchen immer wieder, auch
Frauenfiguren gut einzuführen, aber es klappt halt meistens nicht, wir sind
da nicht so erfolgreich.
Wie kann man das erklären?
Männerfiguren sind viel einfacher. Wenn man bei Männern Klischees benutzt,
dann stören die nicht. Wenn man einen Mann beschreibt, der hart ist oder
stark und richtig durchgreift, dann stört niemanden das Klischee.
Beschreibt man eine starke Frau, die richtig durchgreift, dann ist das
gleich ein Mannweib. Beschreibt man eine Frau als Tusse, dann stöhnen
gleich alle: "Bäh, Scheiß-Tusse". Beschreibt man eine Frau als gefühlvoll,
dann schreien gleich alle: "Bäh, Frauenklischee."
Glauben Sie selbst eigentlich an außerirdisches Leben und daran, dass es zu
einer Kontaktaufnahme kommen könnte?
Ich bin überzeugt davon, dass wir nicht die einzigen Lebewesen im ganzen
Universum sind. Für mich ist das nur logisch bei dieser unfassbaren,
unvorstellbaren Menge an Planeten- und Sternkonstellationen, Sonnensystemen
und Galaxien. Aber ich kann mir keine Technologie vorstellen - auch in
ferner Zukunft nicht - die jemals imstande sein könnte, diese
unermesslichen Entfernungen zwischen eventuell existierenden Zivilisationen
im Weltall zu überwinden.
31 Aug 2011
## AUTOREN
Corinna Stegemann
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