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# taz.de -- Gewalt gegen Journalistinnen: Im Fadenkreuz der Drogenkartelle
> Schon wieder wurden in Mexiko zwei Journalistinnen ermordet. In keinem
> anderen westlichen Land leben Reporter derzeit so gefährlich.
Bild: Gefährlicher Job: ermordeter Journalist in Mexiko.
Die beiden Leichen lagen auf einer Wiese gleich hinter einem Friedhof im
Osten von Mexiko-Stadt, versteckt unter einer blauen Stoffdecke. Sie waren
nackt und an Händen und Füßen gefesselt. Offenbar sind sie erwürgt worden.
Ein Anwohner hatte am Donnerstag früh die Polizei angerufen und erzählt, da
liege ein "seltsames Paket" auf der Wiese. Am Abend waren die beiden Toten
identifiziert: Es handelt sich um die Journalistinnen Ana María Marcela
Yarce und Rocío González.
Vor ihnen sind in diesem Jahr in Mexiko schon sechs weitere Journalisten
ermordet worden. Erst in der vergangenen Woche war in Culiacán, der
Hauptstadt des Bundesstaats Sinaloa, Humberto Millán ermordet aufgefunden
worden. Millán war Chefredakteur der Internetzeitung "A Discusión".
Die beiden Frauen arbeiteten für das Nachrichtenmagazin Contralínea, das
oft und ausführlich über Korruption und über die Machenschaften und
Verbindungen der Drogenkartelle berichtet. Yarce gehörte zu den
Gründerinnen des Blatts und war lange verantwortliche Redakteurin. Zuletzt
widmete sie sich vor allem den Geschäftskontakten des Verlags. González,
ehemals Reporterin von Televisa, der größten privaten Fernsehkette Mexikos,
arbeitete freiberuflich für Contralínea und war eng mit Yarce befreundet.
Die beiden Frauen hatten am Mittwochabend gegen 22 Uhr gemeinsam die
Redaktion verlassen, um etwas trinken zu gehen.
Die Staatsanwaltschaft sagt, man ermittle "in alle Richtungen". Auch einen
Raubüberfall will sei nicht ausschließen. Die Reporterin González sei zudem
Besitzerin einer Geldwechselstube gewesen. Es sei möglich, dass die beiden
Frauen mit viel Barem unterwegs waren. Die grausame Art des Mordes jedoch
spricht eher für den Racheakt eines Drogenkartells. Denn es sind in der
Regel Drogenbosse, die Journalisten ermorden lassen.
Besonders gefährlich leben Reporter, die über die Massaker, Erpressungen
und Entführungen der Kartelle berichten. Zuletzt war Ende Juli in Veracruz
an der Atlantikküste Yolanda Ordaz de la Cruz, die Polizeireporterin der
Lokalzeitung Notiver, mit durchschnittener Kehle aufgefunden worden.
## "Wir möchten wissen, was wir nicht veröffentlichen sollen"
Einen Monat zuvor wurde bereits Miguel Ángel López, der für Polizeiberichte
verantwortliche Redakteur des Blattes, zusammen mit seiner Frau und seinem
21-jährigen Sohn erschossen. Auch der Sohn hatte nebenbei für Notiver
gearbeitet: als Fotograf, der die Leichen aufnahm, die die Drogenkartelle
hinterließen.
Aufnahmen vom Schlachtfeld des Drogenkriegs sind heikel. Die Banden
hinterlassen bei ihren Opfern oft Zettel mit Botschaften, die sie gern
veröffentlicht hätten. Werden sie abgedruckt, machen sich die Fotografen zu
Handlangern der Kartelle. Wird die Botschaft ausgeblendet, zieht das den
Zorn der Drogenbosse auf sich. Wo genau die Linie zwischen Todesurteil und
Überleben verläuft, ist nie ganz klar.
Die Tageszeitung Diario in Ciudad Juárez, der gefährlichsten Stadt in
Mexiko, wandte sich deshalb im September 2010 nach dem Mord an zweien ihrer
Reporter in einem offenen Brief direkt an die Kartelle. Die Journalisten
wollten klare Regeln haben, damit es nicht weitere Tote gibt: "Wir möchten
wissen, was wir Ihrer Meinung nach veröffentlichen oder nicht
veröffentlichen sollen." Das sei keine "Kapitulation" vor dem organisierten
Verbrechen, sondern die Bitte um einen "Waffenstillstand". Geschossen
freilich haben immer nur die Kartelle, und die haben auf den Brief nie
geantwortet.
74 Journalistinnen und Journalisten wurden seit dem Jahr 2000 in Mexiko
ermordet, fast ausschließlich im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung
über Drogenkartelle und Korruption. Es sei das gefährlichste Land für
Pressevertreter auf dem amerikanischen Kontinent, so der
UNO-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit. Die Organisation Reporter
ohne Grenzen stellt Mexiko gleich mit von Krieg und Terror geplagten
Ländern wie dem Irak und Pakistan und spricht von einer "Kultur der Gewalt
gegen die Presse".
2 Sep 2011
## AUTOREN
Toni Keppeler
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