# taz.de -- Polnische Fußball-Nationalmannschaft: Aktives Stammbaumscouting | |
> Nationaltrainer Smuda findet in Polen zu wenig gute Kicker – und sucht | |
> nun im Ausland nach Spielern mit polnischen Wurzeln. | |
Bild: Noch nicht fertiges Stadion für die Fußball-WM in Polen. Und die Mannsc… | |
WARSCHAU taz | Die beiden Abwehrspieler Tomasz Jodlowiec und Jakub | |
Wawrzyniak sind etwas ganz Besonderes in der polnischen Nationalelf: sie | |
sind in Polen geboren, aufgewachsen und verdienen bei polnischen Vereinen | |
ihr Geld. Die anderen neun Kameraden aus der Startelf hingegen, die am | |
letzten Freitag in Freundschaft gegen Mexiko 1:1 spielte, haben entweder in | |
Polen das Kicken gelernt und spielen heute im Ausland oder sind im Ausland | |
aufgewachsen und haben sich für das Mitwirken bei den Weiß-Roten auf ihre | |
polnischen Wurzeln besonnen. | |
Zum einen verlassen also die guten Spieler früh die polnische Liga, zum | |
anderen bringt der polnische Fußball offensichtlich nicht genügend eigene | |
Talente hervor. Der Verband betreibt ein immer aktiveres Scouting nach | |
polnischstämmigen Spielern in anderen Verbänden. Eine Situation, die | |
angesichts der Größe des Landes und des Stellenwertes des Fußballs in der | |
Öffentlichkeit als völlig unbefriedigend angesehen wird. | |
Als die Uefa am 8. November 2005 die EM 2012 überraschend an Polen und die | |
Ukraine vergab, war der Fußballverband PZPN ein Sumpf aus Misswirtschaft | |
und Korruption, nicht in der Lage, notwendige innovative Maßnahmen für den | |
Profibereich und die Nachwuchsförderung zu treffen. Erst einmal musste die | |
bis heute andauernde strafrechtliche Aufarbeitung einer ganzen | |
Korruptionskultur eingeleitet werden, was viel Substanz kostete. Die | |
Nationalelf wurstelte sich derweil so durch, qualifizierte sich für die WM | |
2006 und die EM 2008, schied aber jeweils schon der Vorrunde aus. | |
Erst heute, da die Vorbereitungen für die EM 2012 auf die Zielgerade | |
einbiegen, lassen sich Tendenzen wie Silberstreife am Horizont erkennen: | |
die ersten Vereine haben Fußballakademien errichtet oder planen es. | |
Parallel zum Bau der repräsentativen EM-Stadien sind durch ein | |
Regierungsprogramm eine Vielzahl von einfachen Fußballplätzen für die | |
Jugendarbeit entstanden. Und polnische Spitzenklubs werden ganz allmählich | |
wieder erfolgreicher in den europäischen Wettbewerben; mit Wisla Krakau und | |
Legia Warschau haben gerade zwei die Gruppenphase der Europa-League | |
erreicht, was es seit Einführung dieses Modus noch nie gab. | |
## Rekrutierungsterrain Bundesliga | |
"Balleroberung - und dann pach pach pach", ruft Nationalcoach Franciszek | |
Smuda, seit 2009 im Amt, der seiner Mannschaft modernen Fußball mit hohem | |
Pressing und schnellem Umschalten von Abwehr auf Angriff vermitteln will. | |
Doch in den eher müden Testspielen der letzten zwölf Monate - | |
Qualifikationsspiele hat man als Gastgeber ja nicht - war wenig davon zu | |
sehen. In der Defensive nicht immer sattelfest, vorn wenig kreativ. Man | |
vermisst noch den Spirit in diesem Team. Es fehlen die ganz großen | |
Spielerpersönlichkeiten, und so ist Smuda ein großer Promotor der | |
Rekrutierung polnischstämmiger Spieler im Ausland geworden, um seinem Kader | |
wenigstens eine höhere Leistungsdichte zu verleihen: etwa mit Sebastian | |
Boenisch und Eugen Polanski aus der Bundesliga, oder Ludovic Obraniak und | |
Damian Perquis - der heute Abend Deutschland sein Nationalmannschaftsdebüt | |
geben wird - aus der französischen Ligue 1. Jüngster Coup ist die Anwerbung | |
von Ivo Pekalski, einem schwedischen U21-Auswahlspieler mit polnischen | |
Wurzeln. | |
Zusammen mit diesen, von der Presse kritisch "Obcokrajowcy" (Ausländer) | |
genannten, Repatrianten bilden durchaus renommierte Spieler wie das | |
Dortmunder Trio Blaszczykowski, Lewandowski und Pisczek (z. Zt. für die | |
Nationalelf gesperrt), die Kölner Matuszczyk und Peszko, der Torwart des FC | |
Arsenal, Wojcech Szczesny oder der schnelle und trickreiche Adrian | |
Mierzejewski von Trabzonspor ein gut besetztes Team. Das Spiel gegen den | |
großen Nachbarn, der noch nie bezwungen werden konnte, wurde in Polen zum | |
Höhepunkt des Jahres hochgejazzt. Sollte die soeben glanzvoll qualifizierte | |
Elf von Jogi Löw meinen, nur 90 Prozent geben zu müssen, könnte es ein | |
spannender Abend werden in Danzig. | |
5 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Uli Räther | |
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