# taz.de -- "Mein eigen Fleisch und Blut" auf Arte: Mit dem Holzhammer drauf | |
> Veronica Ferres zeigt als verzweifelte Businessfrau einmal mehr ihr | |
> überzogenes Spiel. In "Mein eigen Fleisch und Blut" ist nichts subtil. | |
Bild: Oli? Ein Junkie? So hat sich Vroni alias Franzi das Wiedersehen mit dem v… | |
"Mein eigen Fleisch und Blut" - das kommt als marktüblicher Titel sowohl | |
für eine überzogene Komödie wie auch für ein rührseliges Melodram in | |
Betracht. Das gilt auch für den Namen der Regisseurin, Vivian Naefe ("Eine | |
ungehorsame Frau"). Das gilt auch für den Namen der Hauptdarstellerin, | |
Veronica Ferres ("Eine ungehorsame Frau"). | |
In den ersten Minuten deutet noch alles in Richtung Komödie. Überzogener | |
Auftritt der Ferres als Karikatur der erfolgreichen Karrierefrau im | |
Frankfurter Hochhausturm. Überzogener Auftritt von Herbert Knaup und | |
Katharina Müller-Elmau als befreundetes Pärchen im Adoptionsfieber, das | |
sich von "da unten" in der Ukraine gerade ein Kind mitgebracht hat: "Da | |
unten warten noch sooo viele auf neue Eltern, und wir wollen möglichst bald | |
ein Geschwisterchen für Aljoscha! Mensch, das wär doch auch was für euch!" | |
Fortan ist die Ferres alias Franziska total neben der Spur, erst als sich | |
August Zirner als ihr Robert von ihr trennen will, rückt sie damit raus, wo | |
der Schuh sie drückt: "Die Geschichte handelt von einem Mädchen. Sie ist | |
gerade 15 geworden. Sie hat seit einiger Zeit so ein komisches Ziehen im | |
Bauch." Teenagerschwangerschaft in der Kleinstadt, trinkender, prügelnder | |
Vater, der die kleine Franzi zwingt, das Kind wegzugeben. Das alte Lied von | |
den Schatten der Vergangenheit und deren einholender Natur. Robert bleibt | |
knallhart, damit hätte sie früher mal rausrücken müssen: "Ich war dir | |
offensichtlich nicht wichtig genug." Replik Franzi: "Ich war mir selber | |
anscheinend nicht wichtig genug." | |
Der überzogene Film ist leider nicht Komödie, sondern Melodram. Trotzdem, | |
wie kann der Mann auf so ein anrührendes Geständnis der | |
Tränendrüsen-Spezialistin Ferres nur so was von unterkühlt reagieren? Oder | |
waren sich hier Drehbuchautorin Britta Stöckle und Schauspieler August | |
Zirner einig, dass man der Ferres ihre Show nicht länger durchgehen lassen | |
dürfe, sie damit einmal so richtig abblitzen lassen müsse? Das wäre dann | |
allerdings sehr viel Subtext für einen ansonsten nicht sehr subtilen Film. | |
## Ein großes Kissen unters T-Shirt | |
Zum Beispiel: Natürlich muss Franzi sich nun den Genreregeln gemäß ihrer | |
Vergangenheit stellen, fährt in die alte Heimat - und was tut sie zu | |
allererst? Geht ins Kinderzimmer und stopft sich ein großes Kissen unters | |
T-Shirt. Wegen der Schwangerschaft, damals. Weil es, wenn die Ferres | |
auftritt, offenbar immer gleich der aus dem Zaunpfahl geschnitzte | |
Holzhammer sein muss. Allzu leicht fiele ihre überzogene Art zu spielen | |
allzu sehr auf - wäre nicht alles andere genauso überzogen wie der Ferres | |
Schauspiel. In einer Komödie kann das gutgehen. | |
Man will aber nicht ungerecht sein, man fragt sich: Spielt die Ferres | |
wirklich sooo schlecht? Oder liegt es doch an der eigenen | |
Voreingenommenheit nach dem jahrelang betriebenen - und sich proportional | |
zu ihrer Mattscheibenpräsenz verhaltenden - Ferres-Bashing? Veronica Ferres | |
ist ja gewissermaßen der Paulo Coelho unter den deutschen Schauspielern: | |
Nie bekommt sie mal eine gute Kritik, nie ficht das sie und ihre - in | |
Einschaltquoten bemessene - Beliebtheit irgendwie an. Was den Kritikern die | |
Irrelevanz ihrer Kritiken vor Augen führt, was sie traurig und böse macht, | |
was macht, dass sie noch mehr böse Kritiken über die Ferres schreiben. | |
"Jeder Mensch verdient eine zweite Chance", lehrt Ferres-Franzis Mutter im | |
Film, in dem sich die dann natürlich auf die Suche nach dem verlorenen Sohn | |
- das Baby war nämlich ein Junge - begeben muss. Aber, oje, was muss Franzi | |
von der Adoptivmutter da erfahren: "Oli ist ein Junkie. Ich weiß nicht | |
einmal, ob er noch lebt." Überzogen? Der Film ist ein Melodram, da muss die | |
Ferres ran. Oder, wie ihre Jugendliebe, der Kindsvater, den sie natürlich | |
auch suchen, finden und noch einmal kurz lieben muss, sich äußert: "Ich | |
finde, das is kompletter, absolut kompletter Schwachsinn. Mal ganz | |
ehrlich." | |
Das trifft es ganz gut. | |
"Mein eigen Fleisch und Blut", Freitag, 8. September, 20.15 Uhr, Arte | |
9 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |