# taz.de -- Märchen zum Verlegerkongress: Es war einmal ein böses Google | |
> Ein tapferer Ritter und sein schwerer Kampf gegen das böse Monster | |
> Google. Doch welche Rolle spielt die schwarze Fee Angela?. Ein Märchen | |
> zum Verlegerkongress. | |
Bild: Die schwarze Fee Angela. | |
BERLIN taz | Es war einmal ein mutiger, tapferer Ritter. Dem hatte vor ein | |
paar Jahren ein ungnädiger König das eigene kleine Reich genommen und | |
unseren mutigen, tapferen, leicht überengagierten Ritter an seinen Hofstaat | |
geholt. Dort musste sich der Ritter jetzt um die Geschäftsinteressen und | |
die "Public Affairs" des Königreichs kümmern. Und weil er ein mutiger und | |
tapferer Ritter war, tat er auch das wieder mit dem ihm eigenen großen | |
Engagement. | |
Im Königreich lebten aber viele sich verarmt fühlende Landgrafen, die ihr | |
Dasein mit dem Verkauf von täglich neu bedrucktem Papier bestritten. Über | |
lange Zeiten hatten sie damit ein gutes Auskommen gehabt, doch seit ein | |
paar Jahren machte ihnen ein ungeheures Ungeheuer das Leben sauer. Denn das | |
ungeheure Ungeheuer klaute immer die schönsten Stücke aus dem bedruckten | |
Papier der Landgrafen und blies sie einfach frech und kostenlos in alle | |
Welt. | |
Und die Landgrafen guckten in die Röhre und fühlten sich gleich noch ein | |
bisschen ärmer, weil immer weniger Menschen ihr bedrucktes Papier kaufen | |
wollten. Schon oft hatten sie deshalb Ritter aus dem ganzen Königreich über | |
viele Meilen durch tiefe Wälder und endlose Schluchten bis an das große | |
Meer geschickt, an dessen anderem Ufer, ganz im Westen, wo die Sonne | |
untergeht, die Höhle des Google lag. Hier hütete es seinen unermesslich | |
großen, funkelnden Schatz, der über und über mit Algorithmen und | |
Edelsteinen besetzt war. Doch niemand war je von dort zurückgekehrt. | |
Eines Tages rief nun der König unserem mutigen, tapferen Ritter zu sich: | |
"Wenn wir das Ungeheuer schon nicht töten können, müssen wir es anders | |
anstellen, sonst werden die Landgrafen am Ende noch völlig rammdösig", | |
sprach der König zum Ritter. "Es muss doch irgendwie möglich sein, Google | |
zu überlisten und unschädlich zu machen." | |
## Ein Zauber von Angela | |
"Zu Befehl, mein König", antwortete da unser mutiger, tapferer Ritter, "ich | |
habe eine Idee: Wenn wir diesem ungeheuren Ungeheuer Google nicht anders | |
beikommen, müssen wir uns bei der guten Fee, der schwarzen Angela, einen | |
Zauber wünschen. Einen so starken Zauber, dass das Google nicht mehr | |
einfach so vom Papier unser Landgrafen fressen und es in alle Welt blasen | |
kann, sondern uns sogar noch von seinem Schatz etwas abgeben muss." | |
Schon am nächsten Tag sattelte unser mutiger, tapferer Ritter sein kleines | |
Pferd und brach Richtung Bundesberge auf, wo in einem prachtvollen Schloss, | |
das von weitem an eine Waschmaschine erinnerte, die gute Fee, die schwarze | |
Angela, wohnte. Die schwarze Angela aber hatte andere Sorgen, weil es in | |
ihrem von schwarzen und gelben Höflingen bewohnten Hofstaat drunter und | |
drüber ging und sie sich nun wirklich nicht um alles kümmern konnte. Aber | |
weil sie eine gute und gnädige Fee war und überdies gern auf gutem Fuß mit | |
dem König und seinen Papier bedruckenden Landgrafen stand, ließ sie unserem | |
mutigen, tapferen Ritter mitteilen, sie habe sich seinen Wunsch | |
aufgeschrieben und werde sich beizeiten darum kümmern. | |
Froh trabte unser Ritter von dannen und überbrachte die Kunde seinem König | |
und den Landgrafen. Da hob ein großes Geklatsche und Gejubel an, weil sich | |
die Landgrafen nun auf alle Zeit ihrer Sorgen mit dem bedruckten Papier | |
entledigt glaubten. Einen ganzen Sommer lang feierten sie und malten sich | |
aus, welche Reichtümer aus dem unermesslichen Schatz des bösen Google bald | |
ihnen gehören würden. Doch der Herbst kam und ging ins Land, und die | |
schwarze Angela rührte sich nicht. Der Winter zog heran und vor Kälte starr | |
starrten die Landgrafen Richtung Bundesberge, dass doch endlich der | |
ersehnte Bote mit dem ersehnten Zauberspruch erschiene. | |
Doch nichts erschien. Rein gar nichts. Einfach - nichts. | |
Die Landgrafen weinten bitterlich, weil immer weniger Menschen ihr täglich | |
neu bedrucktes Papier haben wollten und alle nur noch das lasen, was das | |
böse Google kostenlos in die Welt blies. Und so schickte der König unseren | |
mutigen, tapferen Ritter ein zweites Mal zur schwarzen Angela. Dieses Mal | |
hatte er den Landgrafen schon erklären müssen, dass es mit den Edelsteinen | |
und Reichtümern aus dem Schatz des Google wohl noch etwas dauern würde. | |
"Aber der Zauberspruch ist auch so ein halbes Königreich wert", behauptete | |
der mutige Ritter tapfer. Und weil er dabei immer so aussah, als ob er sich | |
das auch selbst glaubte, glaubten es ihm die Landgrafen schließlich auch. | |
Als unserer mutiger, tapferer Ritter nun zum zweiten Mal am Hof der | |
schwarzen Angela in den Bundesbergen ankam, ging es dort noch stärker | |
drüber und drunter als beim ersten Mal. Aber weil sie eine gute und gnädige | |
Fee war, zeigte die schwarze Angela unserem Ritter eine lange Liste, wo | |
unter dem Zauberwort "Koalitionsvertrag" tatsächlich unter Punkt 256 auch | |
"Leistungsschutzrecht für Presseverlage" stand. | |
Weil nun aber die gute Fee Angela so arg mit dem Getöse in ihrem | |
schwarz-gelben Hofstaat beschäftigt war, hatte sie ihrer ebenfalls mit | |
magischen Kräften beseelten Stiefschwester befohlen, einen Entwurf für den | |
Zauberspruch zu dichten. Doch die gelbe Sabine war unmärchenhaft cool drauf | |
und durchschaute die Sorgen und Nöte der Papier bedruckenden Landgrafen: | |
"Ha", sprach sie, "einen Zauberspruch könnt ihr haben. Aber wenn ihr | |
glaubt, dass ich darin euer überkommenes Geschäftsmodell rette und für euch | |
die Kastanien aus dem Feuer hole, habt ihr euch geschnitten." | |
Und so geschahs: | |
Die gelbe Sabine brachte den Zauberspruch zu Papier - und legte ihn in eine | |
tiefe Schublade im Märchenschloss in den Bundesbergen. Und so sehr der | |
mutige, tapfere, leicht überengagierte Ritter auch tobte und schmeichelte - | |
da liegt er noch heute. | |
16 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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