# taz.de -- Debatte Steuern: Der Pakt mit den Reichen | |
> SPD und Grüne wollen den Spitzensteuersatz anheben. Doch ein Blick auf | |
> ihre Arbeit im Bundesrat lässt die Versprechen zweifelhaft erscheinen. | |
Die Koalition wackelt mehr denn je, und SPD und Grüne gewinnen eine | |
Landtagswahl nach der anderen. Aber hat die Opposition aus ih ren | |
Regierungsfehlern wirklich gelernt? Wie in keinem anderen Feld versprechen | |
Rot-Grün einen Kurswechsel in Sachen Steuerpolitik. | |
Zur Erinnerung: Steuersätze runter hieß das Mantra in | |
Regierungsverantwortung. Globalisierung und internationaler | |
Steuerwettbewerb ließen angeblich nichts anderes zu. So senkte Rot-Grün den | |
Spitzensteuersatz der Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer massiv. | |
Eine Steuerentlastung für Gutverdiener und Unternehmen, auch wenn immerhin | |
etliche Steuervergünstigungen für sie gestrichen wurden. | |
Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften wurden gleich ganz | |
freigestellt. In der großen Koalition war es dann die SPD, die eine | |
geringere Besteuerung von Kapitaleinkünften in Form einer Abgeltungssteuer | |
und eine weitere Senkung der Körperschaftsteuer mittrug. Initiativen für | |
eine Wiedereinführung der Vermögensteuer bremste sie aus. | |
Dann kam die Krise. Die soziale Ungleichheit verstärkte sich rasant, die | |
Schulden stiegen. Ein Umdenkprozess setzte ein. "Steuern hoch" hieß die | |
neue Devise bei SPD und Grünen: Wohlhabende und Gutverdiener sollen wieder | |
mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens und zu den Kosten der Krise in die | |
Verantwortung genommen werden. Beide Parteien wollen Einkommen-, Abgeltung- | |
und Erbschaftsteuer wieder erhöhen und mit der Bekämpfung von Steuerflucht | |
ernst machen. Vermögensteuer und/oder Vermögensabgabe gehörten auf einmal | |
wie selbstverständlich ins Tableau. | |
## Greifbar werdender Regierungswechsel | |
Doch werden diese Pläne auch wirklich umgesetzt, wenn SPD und/oder Grüne | |
wieder in Regierungsverantwortung zurückkehren? Angesichts eines greifbar | |
werdenden Regierungswechsels setzt bei beiden Parteien die Debatte ein, wie | |
weit man denn gehen will. Wie umfangreich soll der Spitzensteuersatz erhöht | |
werden - auf 49 oder doch nur auf 45 Prozent? Soll die Abgeltungsteuer | |
abgeschafft und Kapitaleinkommen wieder anderen Einkommen steuerlich | |
gleichgestellt werden? Bleibt es bei der Forderung nach einer | |
Bundessteuerverwaltung, um den Wettbewerb der Länder um die laxeste | |
Steueraufsicht zu beenden? | |
Wie ernst die steuerpolitische Wende zu nehmen ist, können SPD und Grüne | |
weit vor 2013 unter Beweis stellen: Denn über den Bundesrat können sie | |
schon jetzt bei wichtigen steuerpolitischen Fragen mitregieren. Dort steht | |
demnächst eine Entscheidung mit kaum zu überschätzender Relevanz an: Top | |
oder Flop für das Steueramnestie-Abkommen mit der Schweiz, das am 20. 9. in | |
Berlin unterzeichnet wird. Die Abstimmung entscheidet, ob der | |
steuerpolitische Positionswechsel von SPD und Grünen nur auf dem Papier | |
stattfindet - oder sich auch konkret niederschlägt. Der grüne | |
Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärte bereits, der Bundesrat sei | |
keine Gegenregierung. | |
## Amnesie für Steuerhinterzieher | |
Das bilaterale Abkommen hat es in sich: Die geplante Steueramnestie | |
verletzt grundlegende Prinzipien von Steuergerechtigkeit und lässt den brav | |
zahlenden Steuerzahler wie den Dummen dastehen. In der Schweiz angelegte | |
Schwarzgelder sollen nachträglich einem deutlich geringeren Steuersatz | |
unterzogen werden, als wenn das Geld rechtmäßig in Deutschland versteuert | |
worden wäre. Steuerbetrüger und Geldwäscher könnten sich entspannt | |
zurücklehnen, denn auch Ankauf und Nutzung von Steuer-CDs wären Geschichte. | |
Das Abkommen sichert ihnen stattdessen weiter Anonymität zu, indem es das | |
Schweizer Bankgeheimnis zementiert. | |
Geschätzte 50 Milliarden beträgt die von Deutschen in der Schweiz | |
hinterzogene Steuerschuld. Mit dem Steuerabkommen werden Deutschland aber | |
nur knapp 2 Milliarden Euro Einnahmen als Zahlung der Schweizer Banken | |
garantiert. Angesichts drückender Schulden und knapper Kassen ist es völlig | |
unverantwortlich, auf die ausstehenden Milliardeneinnahmen zu verzichten. | |
Doch es geht nicht nur um die Schweiz. Das gesamte europäischen Vorgehen | |
gegen Steuerflucht steht auf dem Spiel: "Automatischer | |
Informationsaustausch" heißt die Zauberformel, mit der die EU seit 2005 das | |
Bankgeheimnis etlicher Steueroasen zu Fall bringen will. Doch mitten in die | |
Verhandlungen über eine Verschärfung der EU-Zinsrichtlinie, mit der der | |
automatische Informationsaustausch durchgesetzt werden soll, platzt jetzt | |
das bilaterale Steuerabkommen. Beflügelt durch diese Sonderregelung wollen | |
nun auch Österreich und Luxemburg vom Ende des Bankgeheimnisses nicht mehr | |
wissen. Dem gemeinsamen Kampf gegen Steuerflucht droht ein herber | |
Rückschlag. | |
## SPD und Grüne zögern | |
Das Pikanteste: Das Abkommen schränkt den Handlungsspielraum einer | |
künftigen Regierung unter Beteiligung von SPD und Grünen massiv ein, | |
Vermögen wieder stärker zu besteuern - und damit die Forderungen beider | |
Parteien nach einer höheren Erbschaftsteuer, einer Vermögensteuer und einer | |
Vermögensabgabe umzusetzen. Nach dem Abkommen sollen zwar Kapitalrenditen | |
künftig einer Abgeltungsteuer unterliegen. Doch das Vermögen selbst bleibt | |
verschont - geschützt unter dem Mantel des Bankgeheimnisses. Umso höher | |
Vermögen also künftig besteuert werden, umso höher ist der Anreiz, das | |
Vermögen in Steueroasen wie die Schweiz zu transferieren. | |
Viele Landesregierungen mit SPD- und Grünen-Beteiligung halten es sich | |
offen, ob sie das Abkommen im Bundesrat wirklich stoppen. Erfreulicherweise | |
hat der Rheinland-Pfälzische Finanzminister Carsten Kühl als Koordinator | |
der SPD-Finanzminister letzte Woche angekündigt, dass das Abkommen für die | |
SPD-geführten Bundesländer im Bundesrat wahrscheinlich nicht | |
zustimmungsfähig sei. Auch aus NRW und Bremen kommen eindeutige Signale. | |
"Den Steueroasen sagen wir den Kampf an" - so stand es im letzten grünen | |
Wahlprogramm, und die SPD formulierte Ähnliches. Jetzt können beide | |
Parteien zeigen, ob ihr steuerpolitischer Kurswechsel einmal mehr nur aus | |
warmen Worten besteht - oder ihm auch Taten folgen. | |
19 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Christoph Bautz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |