# taz.de -- Urteil im "Hatun & Can"-Prozess: Gemeinnützig nur zum Eigennutz | |
> "Hatun & Can"-Gründer muss wegen Betrugs fast fünf Jahre ins Gefängnis. | |
> Er hatte Spender um rund 700.000 Euro betrogen. | |
Der Gründer des Vereins "Hatun & Can" muss wegen gewerbsmäßigen Betrugs | |
vier Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Das Landgericht sah es als | |
erwiesen an, dass Udo D. einen Schaden in Höhe von rund 700.000 Euro zu | |
verantworten hat. | |
Für den Angeklagten entwarf der Richter in der Begründung das Bild eines | |
Arbeitslosen aus Neukölln, der sich bis zum Jahr 2007 in Migrantenkreisen | |
"einen gewissen Ruf erarbeitet" hatte, indem er Tipps für behördliche | |
Anträge gab. Die Dankbarkeit habe ihm geschmeichelt. Doch Udo D. wollte | |
mehr, er wollte Geld. Seinem Instinkt folgend gründete er einen Verein, den | |
er nach der erschossenen Hatun Sürücü und deren Sohn benannte und der | |
vorgeblich von sogenanntem Ehrenmord bedrohten Menschen helfen wollte. | |
Der gelernte Steuergehilfe wusste, wie lange es dauert, bis ein Verein | |
geprüft wird, so der Richter. Schon die Gründung des Vereins sei nicht | |
legal abgelaufen. Als er endlich seine Gemeinnützigkeit bescheinigt bekam, | |
"begann das, was der Angeklagte kann: Reden." Er wandte sich an die Presse, | |
die auf das Thema ansprang. Die Spenden, die auf dem Vereinskonto | |
eingingen, hob D. sofort für sich ab, "das war sein Tagwerk". In Nacht- und | |
Nebelaktionen Frauen gerettet hätten Vereinsmitglieder nur "zweieinhalb | |
Mal", rechnet der Vorsitzende vor - eine Fahrt sei umsonst gewesen. Viele | |
Hilferufe habe man abgewimmelt, nur eine "Handvoll Frauen" erhielten | |
monetäre Unterstützung vom Verein. Dafür mussten die Bedrohten öffentlich | |
mit ihrer Geschichte auftreten, um weitere Spender zu mobilisieren. An | |
anderen Hilfesuchenden verdiente D. sogar noch, weil er sich die von der | |
Französischen Kirche zur Verfügung gestellte Zufluchtswohnung obendrein von | |
der Arbeitsagentur bezahlen ließ. Die meisten Bedürftigen bekamen ihr Geld | |
vom Weißen Ring oder vom Jobcenter. Wenn die Frauen etwas kauften, mussten | |
sie D. die erhaltenen Quittungen geben, eine Vorgehensweise, die der | |
Richter als "große Luftnummer" bezeichnete. | |
Der Richter zeigte sich überzeugt davon, dass D. noch heute gut von den | |
Märchen über seinen Verein leben könnte, wären da nicht die | |
500.000-Euro-Spende von Alice Schwarzer und deren Nachfragen gewesen, die | |
D. so unbefriedigend beantwortete, dass die Emma-Chefredakteurin | |
Strafanzeige stellte. | |
21 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Uta Eisenhardt | |
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