# taz.de -- "Polizeiruf" auf 22 Uhr verlegt: Gewalt und Ohnmacht | |
> Ein "Polizeiruf" wird auf 22 Uhr verlegt, weil der Staat als hilflos | |
> dargestellt wird. Gehts noch? Die einzige Gefahr, die von dem Film | |
> ausgeht, ist eine gewisse Langeweile. | |
Bild: Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) und Anna Burnhauser (Anna … | |
Sehr geehrte Frau Dr. Mader, | |
als Jugendschutzbeauftragte des Bayerischen Rundfunks haben Sie dafür | |
gesorgt, dass der zweite neue Münchner "Polizeiruf 110" mit Matthias Brandt | |
als Ermittler Hanns von Meuffels nicht zur gewohnten Sendezeit sonntags um | |
20.15 Uhr ausgestrahlt wird, sondern am heutigen Freitag um 22 Uhr. "Denn | |
sie wissen nicht, was sie tun" heißt der Film von Regisseur Hans | |
Steinbichler (Buch: Christian Jeltsch) - und nachdem ich ihn gesehen habe, | |
frage ich mich, mit Verlaub, ob Sie so recht wissen, was Sie da getan | |
haben. | |
Zugegeben: Dieser "Polizeiruf" ist im Vergleich zu anderen Sonntagskrimis | |
harte Kost, explodiert darin doch eine Bombe in einem Fußgängertunnel des | |
Münchner Fußballstadions - ein Selbstmordanschlag, über 20 Tote, "aber bis | |
jetzt nur neun deutsche Staatsangehörige", freut sich der herbeigeeilte | |
Staatssekretär (Markus Böker). Doch der junge Attentäter Mahmud Nasiri | |
(Sebastian Urzendowsky) überlebt schwer verletzt, von Trümmern begraben. | |
Auch er wird sterben, das ist schnell klar, und von Meuffels beschließt, | |
bis zum Exitus nicht von seiner Seite zu weichen - aus Mitmenschlichkeit, | |
aber auch weil er vorher rausfinden muss, wo Mahmuds Komplize eine zweite | |
Bombe zünden will. - Warum erzähle ich Ihnen das überhaupt, Frau Dr. Mader? | |
Sie haben den Film ja auch gesehen - ganz anders als ich allerdings. | |
Gestoßen haben Sie sich an der "Vielzahl der schrecklichen Bilder nach dem | |
Selbstmordattentat im Tunnel und der durchgängig gehaltenen Spannung durch | |
die Angst vor einem weiteren Attentat" - das ist gerade noch | |
nachvollziehbar. Natürlich haben die Öffentlich-Rechtlichen eine besondere | |
Verantwortung gegenüber den jüngsten Zuschauern, doch sie in Watte zu | |
packen, abzukoppeln von Gewalt, ist auch keine Lösung. Dann dürfte ja auch | |
die "Tagesschau" erst um 22 Uhr laufen. | |
## Der hilflose Staat | |
Höhepunkt Ihrer Argumentation war jedoch die Kritik an der "Hilflosigkeit | |
des Staates", die der Film zeige und zudem "keine klare Unterscheidung | |
zwischen Gut und Böse" biete: "Alle - bis auf den Kommissar -, die zur | |
staatlichen Ebene gehören, werden mehr oder weniger als ,Hampelmänner', als | |
Karikaturen gezeichnet." Na und? Was soll daran schlecht sein, wenn | |
Jugendliche Autoritäten zu hinterfragen lernen? Brandt reagierte auf diese | |
politisch fehlgeleitete Auffassung von Jugendschutz mit Befremden: "Mir war | |
nicht klar, dass ich mit dem Auftrag arbeite, ein positives Staatsbild zu | |
zeigen." | |
Die einzige Gefahr, die von dem Film ausgeht, ist die einer gewissen | |
Langeweile. Über weite Strecken spielt der Film im Tunnel - ein | |
Kammerspiel, dem zwischendurch immer wieder die Puste ausgeht. Dagegen | |
helfen auch die Auftritte von Saskia Vester als bollerige Polizistin Silke | |
Mayer nicht, die ein bisschen auf den wehrlosen Attentäter einbrüllt - ja, | |
das sind Momente der Ohnmacht, aber, daran ist nichts Schlimmes. Im | |
Gegenteil: Es zeugt von einer überfälligen Evolution des Krimigenres. Wer | |
durchweg souveräne Ermittler sehen will, kann ja alte "Derrick"-Folgen | |
gucken. | |
"Denn sie wissen nicht, was Sie tun" ist nicht so selbstverliebt-überdreht | |
wie Dominik Grafs "Cassandras Warnung", der erste Brandt-"Polizeiruf" - | |
aber ebenso getragen von einem erstklassigen Ensemble: Stellvertretend sei | |
hier Rainer Bock genannt, der wie schon im überragenden "Tatort: Nie wieder | |
frei sein" in einer Nebenrolle brilliert und als Einsatzleiter die | |
Sorgenfalten des Staats auf der Stirn trägt. Sind wir wenigstens da einer | |
Meinung, sehr geehrte Frau Dr. Mader? | |
Entlassen möchte ich Sie mit einem Satz des Pförtners (Sigi Zimmerschmied): | |
"Nur wo das Hirn regiert, regiert die Gelassenheit" - "Tucholsky?", fragt | |
von Meuffels. - "Scheißhaus, 3. Stock, da steht's." | |
23 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |