# taz.de -- ZDF-Drama "Ich habe es dir nie erzählt": Verliebt in den Feind | |
> Suchtprobleme, Romanzen & Familienkonflikte: In "Ich habe es Dir nie | |
> erzählt" geht es ums große Ganze. Die Schauspieler retten das | |
> übertriebene Drehbuch (20.15 Uhr, ZDF). | |
Bild: Liebe, Leiden, Lebenslügen mit Barbara Auer. | |
Keine drei Wochen ist es her, da lief bei Arte der Film "Mein eigen Fleisch | |
und Blut". Die Hauptrolle spielte Veronica Ferres, der man nicht zu nahe | |
tritt, wenn man sagt, dass schauspielerische Zwischentöne nicht ihre Sache | |
sind. Wie in allen Ferres-Filmen oblag es mal wieder dem Drehbuch, der | |
Hauptdarstellerin das ganze Gewicht dieser Welt auf die Schultern zu legen. | |
Die Verfasserin des in diesem Sinne gewichtigen Drehbuchs heißt Britta | |
Stöckle, und sie hat auch das Skript zu "Ich habe es Dir nie erzählt" | |
geschrieben, der heute Abend im ZDF läuft. Was zunächst erstaunt, denn | |
dieser Fernsehfilm ist so anders als "Meine eigen Fleisch und Blut", so aus | |
dem Leben gegriffen. Vergleichsweise - vieles ist dann doch wieder ein | |
bisschen dick aufgetragen. | |
Muss etwa die weibliche Hauptfigur, Frau Schön, erst einen Selbstmörder | |
finden, retten, der dann sagt, "Wie kann man nur so tief sinken als | |
Anwalt!", um dann selber zu sagen: "Alkoholiker ist Alkoholiker. Glauben | |
Sie mir. Es gibt da leider gar nichts, was mir noch nicht untergekommen | |
ist." Frau Schön hat also Vorbehalte gegen Alkoholiker, die haben andere | |
Menschen auch, es scheint aber wichtig, dass Frau Schön es einmal explizit | |
sagt. | |
Und natürlich lernt die alleinerziehend ledige Frau Schön dann umgehend den | |
netten, geschiedenen Andi Jannings kennen, der ihr am zweiten gemeinsamen | |
Abend sagt: "Du hattest so toll gekocht gestern. Aber ich trinke keinen | |
Tropfen. Nicht mal in der Spagettisauce. Ich bin Alkoholiker." Dann stellt | |
Jannings die folgenreiche Frage: "Und was machst du beruflich?" Sie, | |
ahnungsvoll zögernd: "Gerichtsvollzieherin." Er, verblüfft zögernd: "Du | |
ziehst den Leuten das letzte bisschen aus der Tasche, was Sie noch haben?!" | |
Der Alki und die Gerichtsvollzieherin, was für ein Pärchen! Und was für | |
eine Möglichkeit, hätte der Film sich nur auf ihre zarte Romanze | |
beschränkt. Müsste es nicht am Ende doch wieder ums große Ganze gehen, | |
Mutter-Tochter-Drama, Lebenslügen - Leichen im Keller. Irgendwann steht der | |
Gerichtsvollzieher bei Jannings vor der Tür, natürlich ist es Frau Schön, | |
wir sind im Fernsehfilm. "Prime-Time-relevanten Realismus" nennt das das | |
Presseheft. | |
## Massive Körperlichkeit | |
Was soll's. Was den Film sehenswert macht, sind seine von Regisseur | |
Johannes Fabrick mit lässiger Routine geführten Schauspieler. Der Film ist | |
bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragend besetzt. Mit Darstellern, die | |
die Klaviatur der Zwischentöne schätzen und beherrschen. Zum Beispiel mit | |
Monika Baumgartner als gemeinsame Freundin, mit Hansa Czypionka als Frau | |
Schöns Exmann, mit Irina Kurbanova als ihre Tochter. | |
Frau Schön wird gespielt von Barbara Auer, die seit 1988, seit "Der Boss | |
aus dem Westen", regelmäßig im Fernsehen zu sehen ist. Sie kann, wenn das | |
Drehbuch sie lässt, authentisch und ergreifend spielen. | |
Den Andi-Jannings-Darsteller Roeland Wiesnekker kennt man noch nicht so | |
lange. Der Schweizer mit dem niederländischen Namen machte 2004 | |
ausgerechnet in einem auf Schweizerdeutsch gedrehten Kaputter-Cop-Drama - | |
"Strähl" - auf sich aufmerksam, überzeugte - als trinkender, kaputter Cop - | |
in dem ambitionierten Sat.1-Quoten-Flop "Blackout - Die Erinnerung ist | |
tödlich", gab eine schön kaputte Gangster-Karikatur in "Mörder auf Amrum". | |
In seiner massiven Körperlichkeit erinnert er irgendwie an Josef | |
Bierbichler. Wie dieser kann Wiesnekker den verbitterten Sack und den | |
strahlenden Jungen in eine einzige Rolle packen. Zwischentöne halt. Seine | |
Figuren sind echte Menschen - das ganze Gewicht der Welt auf ihren | |
Schultern ließe sie sofort zusammenbrechen. | |
26 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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