# taz.de -- Verfilmte Udo-Jürgens-Biographie: Das Leben des Schnulzen-Rebellen | |
> Wie soll man einen Star spielen, der beim Dreh auch noch zuschauen will? | |
> Man schickt ihn einfach weg. In "Der Mann mit dem Fagott" glänzt David | |
> Rott als junger Jürgens. | |
Bild: David Rott als Udo Jürgens, Christian Berkel (rechts) als dessen Großva… | |
Es kann für Schauspieler die Hölle sein, eine große Rolle übernehmen zu | |
dürfen: "Ich hatte vor den Dreharbeiten schlaflose Nächte, schließlich | |
kennen ihn Millionen von Menschen und haben sich ein Bild von ihm gemacht", | |
sagt David Rott. Seine Unruhe ist nachvollziehbar, denn er spielt in der | |
zweiteiligen Bestsellerverfilmung "Der Mann mit dem Fagott" den jungen Udo | |
Jürgens. | |
Das Drama ist ein filmisches Denkmal für den Sänger, Komponisten und | |
Lebemann Udo Jürgens, der am Freitag seinen 77. Geburtstag feiert. Die 11 | |
Millionen Euro teure Produktion (Regie: Miguel Alexandre) basiert auf dem | |
gleichnamigen Bestseller von Jürgens und Michaela Moritz und erzählt die | |
Geschichte der Familie Bockelmann. | |
Sie beginnt mit Udos Großvater Heinrich (Christian Berkel), der Ende des | |
19. Jahrhunderts nach Russland auswandert, dort zum Bankdirektor aufsteigt | |
und später in einem sibirischen Lager landet; führt weiter über Udos Vater | |
Rudi (stark: Ulrich Noethen), der im österreichischen Ottmanach das | |
Bürgermeisteramt bekleidet und lange mit den Nazis kollaboriert - und | |
findet ihren Höhepunkt in Episoden aus dem Leben des Udo Jürgen Bockelmann. | |
Gut gewählt: Auf Klatschgeschichten wird glücklicherweise verzichtet, der | |
Fokus auf die ersten musikalischen und persönlichen Entwicklungsschritte | |
des Künstlers gerichtet. | |
Es ist vor allem Jürgens' konsequente Entscheidung für die Musik in den | |
50er und 60er Jahren, die heute noch Hochachtung verdient. Statt die für | |
ihn vorgesehene sichere Karriere in der Wirtschaft zu beginnen, tingelt er | |
durch Rotlichtbars, wird zum schwarzen Schaf der Familie. Und während ganz | |
Deutschland zu "Italien ist schön"-Gedudel tanzt, die Plattenfirma ihn als | |
neuen Freddy Quinn aufbauen will, reist Udo lieber in die USA, wagt sich in | |
die Jazzbars von Harlem und darf sogar auftreten. | |
## Gewaltiger Druck | |
Erst mit dem Wissen um Jürgens' bedingungslose Liebe zur Musik in diesen | |
Jahren, seinen Widerstand gegen die Erwartungshaltungen der Familie sowie | |
seine Weltoffenheit in einer spießigen Zeit, ist das Werk von Jürgens | |
überhaupt nur in Ansätzen zu verstehen. Es geht einem in diesen Szenen des | |
Films ein Licht auf - und das liegt auch an David Rott. Der Mann, der zum | |
Ensemble am Wiener Burgtheater gehörte, spielt diesen nach | |
Selbstverwirklichung dürstenden und gleichzeitig zweifelnden Musiker | |
großartig. | |
Dabei lag gewaltiger Druck auf ihm, auch weil dieser beim Casting das | |
letzte Wort hatte, ihn also quasi ausgesucht hat, selbst mitspielt und bei | |
den Dreharbeiten regelmäßig vor Ort war. "Ich war mir sicher, dass ich | |
meine Rolle nicht spielen kann, wenn das Original zuguckt", sagt Rott. | |
"Deshalb habe ich Udo gebeten, dem Dreh am Anfang fernzubleiben." Erst als | |
sich die Aufregung legte, war er dabei. Klingt nach der Nervosität eines | |
Fans. Dabei hatte Rott vor dem Dreh keinen allzu großen Bezug zur Musik von | |
Jürgens. | |
Nach der Zusage habe er sich ein Jürgens-Konzert angesehen und erwartete, | |
"dass die Leute alle 60 aufwärts sind, aber da waren alle Generationen". | |
Danach besuchte er ihn, fragte ihn über alte Zeiten aus und beobachtete | |
aufmerksam. "Das war wichtig, aber irgendwann muss man Schluss machen mit | |
dem Kopiermodus, denn es geht ja um jemanden, den es so gar nicht mehr | |
gibt", sagt Rott. "Ich hoffe, es ist mir gelungen, einen leidenschaftlichen | |
Menschen zu zeichnen, der am Anfang seines Lebens noch nicht genau weiß, | |
wohin die Reise geht." Ist es. | |
Schade nur, dass Rott nicht selbst singen durfte. Er bewegt die Lippen zu | |
Playbacks, die Jürgens eingesungen hat. Diese Szenen irritieren, weil man | |
hört, dass da kein Jungspund singt, sondern ein Mann, der eine weite und | |
aufregende Reise hinter sich hat, auf der ihn Millionen begleitet haben. | |
Und hoffentlich noch lange begleiten können. | |
"Der Mann mit dem Fagott", Donnerstag und Freitag, 20.15 Uhr, Das Erste | |
29 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
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