# taz.de -- Der raue Umgangston der Politiker: Arschlöcher und Rumpelstilzchen | |
> Ronald Pofallas Ausraster lässt tief in die Psyche der CDU blicken. Die | |
> Empörung darüber ist aber fehl am Platze: Die Umgangsformen bei SPD und | |
> Grünen sind nicht besser. | |
Bild: Schon nicht schlecht, das mit der "Fresse", aber an Herbert Wehner (recht… | |
Die Umgangsformen in einer Regierung, die sich "bürgerlich" schimpft, hatte | |
man sich irgendwie anders vorgestellt. "Ich kann deine Fresse nicht mehr | |
sehen", soll Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) seinen Parteifreund | |
Wolfgang Bosbach angeherrscht haben, weil dieser sich Merkels Eurokurs | |
verweigerte. Und als Bosbach sich auf seine Gewissensfreiheit und das | |
Grundgesetz berief, blaffte Pofalla nur zurück: "Lass mich mit so einer | |
Scheiße in Ruhe!" | |
Pofalla hat sich für seinen Ausraster inzwischen bei Bosbach entschuldigt. | |
In der Bild-Zeitung sagte er dazu: "Ich ärgere mich selbst sehr über das, | |
was vorgefallen ist, und es tut mir außerordentlich leid." | |
Damit könnte man die Angelegenheit getrost abhaken, wie es auch die | |
Parteispitzen der Union gern möchten. Doch der Vorfall lässt tief blicken: | |
Er zeigt, wie groß die Nervosität innerhalb der Union vor der Abstimmung | |
über die Erweiterung des Rettungsschirms am vergangenen Donnerstag | |
tatsächlich war. | |
Wochenlang hatten Angela Merkel und Peter Altmaier, ihr parlamentarischer | |
Geschäftsführer, ein Pokerface zur Schau getragen und so getan, als hätten | |
sie alles unter Kontrolle. Nun hat dieses Bild des geräuschlosen | |
Machtmanagements, für das Merkel bekannt ist, Risse bekommen. Das System | |
Merkel funktioniert längst nicht so reibungslos, wie es den Anschein hat. | |
Wenn es ums Ganze geht, legt man die Samthandschuhe beiseite. | |
## Hemdsärmelige Sozialdemokraten | |
Dass sich die Opposition darüber nun empört, ist allerdings fadenscheinig. | |
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf Pofalla vor, er sei "offenbar | |
nicht in der Lage, seinen Job angemessen auszuüben". Dabei geht es bei den | |
Sozialdemokraten bekanntlich gern mal etwas hemdsärmeliger zur Sache. Man | |
denke nur daran, wie brachial Gerhard Schröder seine Partei bei der "Agenda | |
2010" auf seine Linie brachte. Oder wie er nach seiner äußerst knappen | |
Niederlage in der "Elefantenrunde" am Wahlabend 2005 aus der Rolle fiel und | |
Angela Merkel sowie Guido Westerwelle mit betonter Herablassung öffentlich | |
düpierte. | |
Unvergessen ist auch der verstorbene SPD-Chefstratege Herbert Wehner, der | |
von 1969 bis 1983 als "Zuchtmeister" seiner Fraktion für seine spitze Zunge | |
bei Parteifreunden und -feinden berüchtigt war. Im Bundestag brachte es | |
Wehner auf den Rekord von 58 Ermahnungen durch den Bundestagspräsidenten. | |
Dem Genossen Franz Josef Zebisch, der sich über die früher übliche | |
Sitzverteilung in alphabetischer Reihenfolge beklagt hatte, empfahl er | |
beispielsweise, sich doch einfach in "Genosse Arschloch" umzubenennen. | |
Auch den Grünen war in ihren Flegeljahren eine drastische Ausdrucksweise | |
nicht fremd. In die Annalen eingegangen ist etwa Joschka Fischers | |
Erwiderung auf einen Ordnungsruf des damaligen Bundestagspräsidenten | |
Richard Stücklen (CDU): "Herr Präsident, mit Verlaub, Sie sind ein | |
Arschloch." | |
Im Vergleich dazu wirkte Ronald Pofalla bislang eher blass. Als | |
CDU-Generalsekretär 2005 bis 2009 stellte er zwar unter Beweis, dass er | |
auch auszuteilen vermag. Doch als Kanzleramtsminister agiert der 52-Jährige | |
seither gewöhnlich im Hintergrund und muss, als Makler von Angela Merkel, | |
zwischen Bund, Ländern, Ministerien und Geheimdiensten vermitteln. | |
Öffentliche Auftritte sind rar, Interviews gibt er selten. Seine Aufgabe | |
ist es, in Streitfällen zu schlichten. | |
Dass er dabei zuweilen auch Zähne zeigt, verdeutlichte eine Episode aus dem | |
vergangenen Jahr, als er den damaligen Verteidigungsminister Theodor zu | |
Guttenberg (CSU) in einem Streit über die Wehrpflicht als "Rumpelstilzchen" | |
bezeichnet habe. | |
Joschka Fischer übrigens hat Ronald Pofalla nun verteidigt: In der | |
Leipziger Volkszeitung sagte er, ihm sei "ein deftiges Wort des Zorns immer | |
lieber als eine scheinbar freundlich vorgetragene, süßsaure | |
Hinterhältigkeit". Wer will, kann in diesem Kompliment schon die | |
atmosphärische Vorbereitung einer schwarz-grünen Koalition sehen. | |
4 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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