# taz.de -- Urlaub ohne Hotelkosten: Tausche Haus! | |
> Marys Haus in New Mexiko ist eine Überraschung und trotz Mr. Darcy's | |
> Murren - die mühevolle Suche zahlt sich aus. | |
Bild: Kein Bett im Kornfeld - sondern ein ganzes Haus für sich allein. | |
Einer, ein Einziger nur, war nicht so begeistert. Mr. Darcy war die Sache | |
mit dem Haustausch suspekt. Er hatte kein Problem damit, dass Mary ins | |
ferne Europa reisen wollte. Hauptsache, es war genug Trockenfutter im Topf, | |
dafür würde schon gesorgt sein. Er konnte gut allein bleiben in dem Haus in | |
den Hügeln nördlich von Santa Fe. Dass dann diese Unbekannten auftauchten, | |
das war in Ordnung. Aber dass diese Leute aus Deutschland ihn aus | |
Schlafzimmer und Bad verbannten, das fand er nicht in Ordnung. Nein, so | |
hatte sich Mr. Darcy, der Kater, das nicht vorgestellt. | |
Da geriet die erste Nacht in Santa Fe etwas anstrengend. Zuerst miaute Mr. | |
Darcy. Später kratzte er an der Schlafzimmertür. Schließlich warf er sich, | |
der Morgen graute schon, mit Anlauf gegen die Tür, um seine angestammten | |
Rechte einzuklagen. Irgendwann hat er begriffen und trollte sich auf die | |
Coach.Es folgen zwei harmonische Wochen. | |
Ein Haustausch ist entschieden aufregender als ein | |
All-inklusive-Cluburlaub. Einer der Gründe, warum diese Möglichkeit, Urlaub | |
zu machen, immer beliebter wird. Ein anderer, neben dem finanziellen | |
Vorteil, kein Hotel bezahlen zu müssen, ist die Möglichkeit, in einer | |
fremden Nachbarschaft viel unmittelbarer ins Alltagsleben eintauchen zu | |
können als ein gewöhnlicher Tourist. Mittlerweile gibt es ein halbes | |
Dutzend Internetportale, über die man seine Wohnung anbieten und ein | |
Domizil in der Ferne suchen kann. | |
Die meisten dieser Webseiten verlangen überschaubare Gebühren, manche | |
bieten ihren Service auch kostenfrei an. Die einen sind bunter, andere | |
haben dafür mehr potenzielle Tauschpartner im Archiv, die nächsten besitzen | |
die ausgeklügelteren Suchfunktionen, und manche beinhalten sogar eine | |
Versicherung. Vom Prinzip funktionieren alle Portale ähnlich: Man preist | |
mit Bildern und Worten sein eigenes Zuhause an. Oder man sucht selbst nach | |
Behausungen, in denen man sich erholsame Wochen vorstellen könnte. | |
Kurz: Ein solcher Haustauschurlaub beginnt lange vor den Ferien. Und | |
erfordert Geduld: Denn es ist gar nicht so einfach, jemanden zu finden, der | |
im selben Zeitfenster Urlaub machen will, die eigene Heimatstadt besuchen | |
möchte und dann auch noch dort wohnt, wo man selbst hinmöchte. Die Anzahl | |
der Interessenten steigt deshalb nicht unwesentlich, wenn das Haus, das man | |
anzubieten hat, in Reichweite einer attraktiven Urlaubsdestination liegt. | |
Und das anschließende Prozedere vereinfacht sich ungemein, wenn einer | |
dieser Interessenten zeitlich flexibel ist. | |
Mary ist zeitlich flexibel, schreibt sie, und "open to a swap". Früher | |
einmal war sie Bibliothekarin in einer Highschool, nun ist sie Rentnerin | |
"and loves to travel". Diese Liebe würde Mary gern auf Deutschland | |
ausdehnen, sie ist interessiert an Geschichte, sie will Berlin besuchen, | |
will sehen, wo die Mauer stand. Wir wollen in die USA, wir wohnen in der | |
Nähe von Berlin. Das trifft sich. Es ist Dezember. Im Juli wollen wir | |
reisen. | |
In den folgenden Monaten gehen regelmäßig E-Mails hin und her zwischen | |
Deutschland und New Mexico. Die Details werden geklärt: Ja, wir wollen auch | |
die Autos tauschen. Ja, unsere Kfz-Versicherungen sind damit einverstanden. | |
Ja, Mary traut sich zu, ein Auto mit Gangschaltung zu fahren. Sie will | |
anreisen am Tag, bevor wir fliegen. Dann will sie uns genau erklären, | |
schreibt sie, wie wir rückwärts aus der Garage fahren, ohne mit den Felsen | |
in ihrem Garten zu kollidieren. "This is going to work out", verspricht | |
sie. Wir werden immer aufgeregter. | |
Die Bedenken, einem wildfremden Menschen die eigene Wohnung zu überlassen, | |
sind da längst ausgeräumt. Die Aufregung, in die Privatsphäre eines | |
wildfremden Menschen vorzudringen, noch nicht. Eine nicht allzu | |
repräsentative Umfrage hat ergeben: Schlechte Erfahrungen hat niemand | |
gemacht. Es ist wohl so: Die Sorge um die eigenen vier Wände fördert das | |
eigene Verantwortungsbewusstsein. Beim Haustausch ist nahezu alles | |
individuell verhandelbar, aber es gibt eine Regel: Man soll Haus oder | |
Wohnung so hinterlassen, wie man sie vorgefunden hat. | |
Als Mary ankommt, ist sie müde. Das geplante Informationsprogramm wird | |
verkürzt: die Macken des Autos, der Standort der Mülltonnen, der Weg zum | |
nächstgelegenen Supermarkt, die Waschmaschine. Mary überreicht uns den | |
Schlüssel zu ihrem Haus, dann verschwindet sie im Schlafzimmer.Wir sehen | |
sie nicht mehr, bis unser Flugzeug abhebt. | |
Ein paar Tage später sind wir in Santa Fe. Marys Haus sieht noch besser aus | |
als auf den Fotos im Internet. Überall handschriftliche Zettel mit | |
nützlichen Hinweisen bis zum Blanko-Scheck für den Tierarzt, sollte es Mr. | |
Darcy nicht gut gehen. Aber Mr. Darcy geht es gut. Nur seine Toilette | |
stinkt in der Garage. Neben der Toilette steht der Lexus von Mary. | |
Das Ausparken ist kein Problem, die Felsen sind weit genug weg. Am nächsten | |
Tag kommt eine E-Mail. Betreff: "Brrrr …". Der deutsche Sommer meint es | |
nicht gut mit Mary. Sie fragt sich, wo man die Heizung aufdreht. "Ich habe | |
nicht genug warme Kleidung mitgebracht." Und: "Es regnet immer noch", | |
vermeldet sie aus der plötzlich sehr fernen Heimat. | |
In Santa Fe regnet es nur kurz an den Nachmittagen. Wir entkorken eine | |
Flasche Weißwein auf der Terrasse. Über dem Haus spannt sich ein blauer | |
Himmel. Hinter den Hügeln geht die Sonne blutrot unter. Wir sind nicht mehr | |
aufgeregt. Wir sind glücklich. | |
8 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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