# taz.de -- Neues Schwulen-Magazin "Horst": Glieder, die die Welt braucht | |
> Mit mutigen Bildern und einem zeitgemäßen Layout buhlt "Horst" um | |
> Schwule, denen die Zentralorgane der Szene zu spießig sind. Doch es fehlt | |
> an progressiven Inhalten. | |
Bild: Limitierte Auflage von Horst: 1.000 Exemplare. | |
Lange Schwänze, dicke Schwänze, behaarte Schwänze. In einer Zeit, in der im | |
Kunst- und Modebetrieb die Übersexualisierung beklagt wird, bringt Armin | |
Morbach sein schwules Magazin Horst raus - und treibt es auf die Spitze. | |
Horst ist ein 220-seitiges Kunstprojekt, ein Lifestylemagazin fern vom | |
Mainstream und irgendwo zwischen Pornografie und Ironie angesiedelt. "Wer | |
uns liest, hält keine GQ in der Hand", sagt Morbach. Zwar ist die erste | |
Fotostrecke im Heft sehr an gängige Männermodemagazine angelehnt, doch das | |
scheint eine sanfte Einführung zu sein. | |
Zehn Seiten weiter erwartet den Leser die radikalste Strecke in Horst. | |
Morbach selbst hat dafür die Fotos geschossen. Acht Männer ohne Kopf zeigen | |
die neuen Uhren der Saison. Was wir sehen, sind erigierte und eingeölte | |
Penisse, um die meistens eine Uhr baumelt. "Wir hatten Viagra und einen | |
Laptop mit Pornos", sagt Morbach zur Entstehung. | |
Auf den ersten Blick können die Fotos plakativ wirken, doch genau diese | |
Strecke steht stellvertretend für das ganze Konzept. Morbach ironisiert die | |
Lifestyle- und Glamourszene mit ihren perfekten, metrosexuellen Bildern. Er | |
schlägt ihr quasi mit männlichen Gliedern in die Fresse - Porno als | |
Machtmittel. Man muss Armin Morbach für seinen Mut loben, denn schließlich | |
ist auch er Teil dieser Schickeria. Er ist Hair- und Makeup-Artist, saß in | |
der Jury von "Germanys next Topmodel" und bringt das Beautymagazin Tush | |
heraus. | |
## Für Homosexuelle zwischen 35 und 50 Jahren | |
Der 40-Jährige glaubt an sein Kunstprojekt. Er finanzierte es vor und | |
verzichtete auf Werbung. Horst kostet stolze 33,99 Euro, ist auf 1.000 | |
Exemplare limitiert, erst ab 18 Jahren erhältlich und eine Antithese zum | |
spießbürgerlich-schwulen Lebensentwurf. | |
Morbach will männliche Homosexuelle zwischen 35 und 50 Jahren locken. | |
"Diese Männer haben jede Frisur mitgemacht, wissen, wie ein Schwanz | |
aussieht, und tragen Designermäntel nicht als Statussymbol", sagt er über | |
seine Zielgruppe. Ästhetisch bedient er sie perfekt, indem er "normale" | |
Männer zeigt. Normal heißt Männer mit Vollbart ohne Sixpack, Stricher aus | |
Berlin mit langen Penissen und Jungs ohne Brustbehaarung. Es geht um Stolz, | |
den neuen Umgang mit dem Körper und natürlich um Sex. | |
Die zwei führenden deutschen schwulen Magazine Männer und Du&Ich scheuen | |
sich vor Radikalität und gehen trotz Nackheit nie einen Schritt zu weit. | |
2001 gründeten Gert Jonkers und Jop van Bennekom das Butt Magazine und | |
waren sich bereits zu dem Zeitpunkt der neuen homosexuellen Zielgruppe | |
bewusst, die nun auch Horst bedient. Doch die Niederländer punkten | |
gegenüber Horst vor allem mit interessanten Interviews. Morbachs | |
Kunstprojekt dagegen fehlt es an ironischen und progressiven Inhalten. | |
Als Morbach die Idee zu seinem Magazin hatte, versuchte er schwule Autoren | |
zu gewinnen und kriegte eine Abfuhr nach der anderen. "Die hatten alle | |
Schiss um ihren Arsch", sagt er. Am Ende sei Ingo als Textchef | |
eingesprungen, sagt Morbach. Mit Ingo ist Ingo Mocek gemeint, ein | |
Journalist, der einen kleinen Medienskandal auslöste, als 2010 aufflog, | |
dass er sich Promiinterviews für Neon teilweise ausgedacht hatte. | |
Ein besseres Händchen bewies der Herausgeber mit dem Layout. Er konnte für | |
die gesamte visuelle Gestaltung den Art-Direktor Mirko Borsche gewinnen. | |
Borsche arbeitete bereits für das SZ-Magazin und ist Creative Director der | |
Zeit. Er tut Horst gut, denn hier findet eine perfekte Symbiose zwischen | |
der Radikalität der Fotos und dem innovativen Layout statt, das auch einen | |
gewissen Mut zur Hässlichkeit aufbringt. | |
Armin Morbachs Magazin soll zweimal im Jahr erscheinen. Hoffentlich schafft | |
es die zweite Ausgabe, noch radikaler zu sein, noch einen Schritt weiter zu | |
gehen und vor allem textlich noch zuzulegen. Denn dann hat Horst die | |
Chance, den sonst sehr eintönigen deutschen Herrenmagazinmarkt mit stolzer | |
Unverfrorenheit zu beflügeln. | |
10 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Enrico Ippolito | |
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