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# taz.de -- Neues Format für Konferenzen: "Ein Barcamp unterdrückt kein Thema"
> Beim Kongress des "Archivs der Zukunft" eröffnen Edu-Hacker eine zweite
> kritische Konferenzstrecke. Guido Brombach vom DGB Bildungswerk über die
> neue Art zu konferieren.
Bild: Teilnehmende gibt es auf einem Barcamp nicht.
taz: Herr Brombach, Sie veranstalten ab Freitag ein Barcamp im Bregenzer
Kongress Arche Nova. Barcamp - das hört sich an wie Zeltlager mit
Barbetrieb.
Guido Brombach: Nein, keine Sorge, wir zelten nicht. Und Bar hat in diesem
Fall nichts mit Kir royal oder Whiskey sour zu tun, sondern ist der Begriff
für einen Platzhalter in der Programmiersprache. Bar steht für das
Gegenteil von Foo.
Das verstehe ich nicht.
Die Foo-Camps waren elitäre Konferenzen, zu denen Tim OReilly, der Erfinder
des Begriffs Web 2.0, Teilnehmende für einen kreativen Austausch eingeladen
hatte, Foo wie "Friends of OReilly". Foo ist aber auch bei der
Programmierung ein häufig gebrauchter Platzhalter, genau wie Bar, das aber
für unelitär steht, für offen. In einem Barcamp bedeutet Bar: Jeder kann
kommen - und etwas anbieten. Wer also Bar mit welchem Inhalt füllt, hängt
von Inspiration und Engagement der Betroffenen ab. Aber nicht davon, ob
irgendeine Kongressleitung zentral festlegt, was gemacht wird.
Verunsichert es Interessierte nicht, wenn sie gar nicht wissen, was
stattfindet?
Die Leute aus der Web2.0-Szene verunsichert das gar nicht. Beim Kongress
der Schulreformer um Reinhard Kahl wird man sehen, was passiert. Wir
versuchen die eventuellen Unsicherheiten gegenüber dem Barcamp bewusst zu
mindern - zum Beispiel können die Kongressbesucher bei uns bereits jetzt
sehen, wer welche Themen anbieten will. So weit ist der offizielle
Bregenzer Kongress nicht.
Welche Idee steckt hinter einem solchen "Bar"-Format?
Normale Konferenzen unterdrücken gewissermaßen Themen, die man in der
Leitung aussortiert, weil sie angeblich keinen interessieren. Bei uns ist
das anders, angebotsorientiert. Die Leute stellen erst sich und dann ein
Thema vor - dann ergeben sich Veranstaltungen von zwei bis 40 Leuten. Und
zwar in ganz unterschiedlichen Formen - von Vortraghalten bis
Theaterspielen ist alles denkbar. Wir setzen der Fantasie der Leute keine
Grenzen.
Was geschieht, wenn an einem angebotenen Thema keiner Interesse hat?
Das kommt erstens so gut wie nie vor. Und wäre zweitens schade für den
Anbieter - aber da muss er durch. Es gibt einen Barcampbereich, wo sich die
Leute versammeln, die Pause machen oder eine Session verlassen.
Zwischen indigenen Barcampern und normalen Kongressbesuchern stehen so
komplizierte Dinge wie Etherpad, Mixxt oder Twitterwalls. Ist es eigentlich
Absicht, dass sich die Web2.0-community mit spanischen Dörfern davor
abschirmt, verstanden zu werden?
Nein, das ist kein Abschrecken, sondern ganz normal für eine soziale
Innovation. Jede Community entwickelt eine eigene Sprache. In diesem Falle
handelt es sich ja gerade um Instrumente, die es dem Barcamp-Teilnehmer
ermöglichen zu sehen, was in den Seminaren läuft oder gelaufen ist. Die
Twitterwall ist inzwischen verbreitet: Es ist so etwas wie ein Gedächtnis
der wichtigsten Sätze oder Thesen durch die Teilnehmer. Und zugleich eine
parallele Meta-Ebene - also eine Art Kommentierungsleiste, auch für Leute
draußen. Das Etherpad ermöglicht es, Protokolle oder Zusammenfassungen über
die 140 Twitter-Zeichen hinaus zu dokumentieren und die Nichtanwesenden mit
einzubeziehen.
Wie orientiert sich ein Barcamper vor Ort?
Er kommt um zehn Uhr zur Eröffnungssession. Dort lernt er alle anderen
Teilgeber kennen. Denn Teilnehmende gibt es auf einem Barcamp nicht. Vor
Ort werden dann die Räume und Zeiten bestimmt, an denen die Sessions
stattfinden.
Gibt es da irgendwelche Regeln?
Ja, die Vorstellungsgrunde ist eher minimalistisch: Man sagt nur seinen
Namen und drei Stichworte - also: Guido Brombach, DGB-Bildungswerk,
Edu-Hacker, digitale Medien. Oder Christian Füller, taz,
Neues-Lernen-Autor, Pisaversteher. In der zweiten Runde erzählen die Leute,
was sie machen wollen - diesmal bisschen ausführlicher, aber immer noch
knapp. Darauf achtet der Moderator. Die Idee ist, Appetit auf das Thema zu
machen, über das man mit anderen sprechen will.
Welche Themen gibt es bisher?
Das Spektrum reicht weit, vom Schulbuch der Zukunft bis Selbst-Kompetenz.
Von Jonglieren bis Lernen ohne Noten.
Wo können unschlüssige Gäste einsehen, was denn mit hoher
Wahrscheinlichkeit angeboten wird.
Es gibt einen Link [1][http://openetherpad.org/barcampbregenz], wo man die
bisherigen Angebote sehen kann. Aber was wirklich aufs Tapet kommt, sieht
man am Freitag um 10 Uhr. Das Barcamp selbst geht dann von 11 bis 16 Uhr,
am Samstag gibt es das Gleiche nochmal zum normalen Kongress.
Pardon, ist das dann noch Barcamp?
Strenggenommen nicht, deswegen nenne ich es auch open space. Aber, das
Potenzial ist dennoch groß. Stellen sie sich vor, jemand sagt - nur als
Beispiel -, ich widerspreche dem, was der Gerald Hüther da gerade auf der
großen Bühne erzählt hat. Ich bitte ihn und andere zu einem Workshop ins
Barcamp. Dann können sie das machen. Eine reflexive und kritische Strecke
zum Hauptkongress.
Wie viele Leute haben bislang für das Barcamp Interesse bekundet?
111 Anmeldungen gibt es. Wer noch mitmachen will, kann sich da noch
eintragen …
… muss aber erst beim Archiv der Zukunft seine - teure - Anmeldung abgeben.
Irgendwie das Gegenteil des Prinzips "Jeder kann kommen"!
Ja, das ist ein kritischer Punkt. Wir sind tatsächlich nur offen für
Kongressteilnehmer der Arche Nova. Das sind zwar immerhin 1.400 Leute, die
sich einen Ausflug nach Bregenz plus Kongressgebühren geleistet haben. Aber
wir gehen dieses Risiko bewusst ein. Wir wollen das Format zum ADZ nach
Bregenz tragen.
11 Oct 2011
## LINKS
[1] http://openetherpad.org/barcampbregenz
## AUTOREN
Christian Füller
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